Sony Cybershot RX100. Bild: Sony Europe Limited
OK. Der Titel zu diesem Artikel unterstellt ich kenne alle Kompaktkameras der Welt. Ist natürlich Humbug und nicht richtig. Aber wenn mir nicht irgendeine Wunderkamera entgangen ist oder irgendwo ein Modell rum schwirrt, das in Rezensionen und Testberichten komplett unterbewertet ist, dann dürfte die Einschätzung, dass die Sony Cybershot RX-100 die aktuell beste Kompaktkamera am Markt ist, nicht so weit daneben liegen.
Potenzielle Kandidaten für den Markus-Wäger-Best-Compact-Award müssen vor allem das RAW-Format unterstützen. Kompakte die RAW unterstützen richten sich an ambitionierte Fotografen und bei den paar Modellen, die da in Frage kommen, darf man davon ausgehen, dass die Hersteller sie entsprechend ausgestattet haben um der potenziellen Zielgruppe zu gefallen.
- Canon Powershot S100; ich hatte die S95 einige Zeit in Verwendung und wer eine hochwertige, aber gleichzeitig wirklich kompakte Kamera sucht und keine 600 Euro und mehr ausgeben mag, für den kommt eigentlich nur dieses Modell in Frage. Die S95 ist übrigens nach wie vor noch verfügbar und für einen Preis von unter 300 Euro ein echtes Schnäppchen.
- Die Canon Powershot G12 ist die dicke Schwester der S95/S100. Wer vor allem nach einer kompakten Kamera Ausschau hält ist mit ›S‹ besser bedient – vor allem als Zweitkamera zur SLR machen diese Modelle einfach die bessere Figur. Nett an der G12 ist natürlich das Klapp- und Schwenkdisplay. Der Sucher hingegen ist eher zu vergessen. Abgesehen vom Klappdisplay stehen die kleineren ›S‹ der G12 hingegen kaum in etwas nach.
- Canons G1X? Kompakt ist anders!
- Olympus XZ-1? Bekommt von mir den Award ›Enttäuschung des Jahres‹.
- Nikon P7100? Hatte ich bislang nicht in Verwendung. Aber ich glaube dann doch lieber die Canon G12 und statt der doch lieber die S95.
Ja, ich weiß: Es gibt noch andere Kompakte die sich auf RAW verstehen. Die viel gelobte Fuji X10 zum Beispiel. Kann zwar RAW, doch offensichtlich gibt es keinen RAW-Converter der ihr innovatives Bildsensor-Layout vernünftig unterstützt. Optisch schwingt sie auch nicht so auf meiner Wellenlänge und kompakt ist halt auch anders. Weiters würde man auch bei Ricoh, Panasonic, Leica, etc. fündig. Aber kein Modell konnte mich nach meinem Abenteuer mit der XZ-1 soweit reizen, dass ich mir eine Kamera bestellt hätte, die ich nicht zuvor in der Hand hatte – egal wie gut die Rezensionen sein mögen. Und neben den oben genannten Modellen hat kaum eine Kompakte einen wirklich überzeugenden Leumund.
Erst die Ankündigung der Sony Cybershot RX100 ließ mich wieder aufhorchen.Zwar nicht ganz so Lichtstark wie die Olympus XZ-1 und schon gar nicht wie die angekündigte Lumix LX7, aber dafür mit einem deutlich größeren Sensorformat – demselben 1 Inch großen Format, wie es Nikon in der Nikon 1 Systemkamera-Serie nutzt.
Also ab zum Händler und RX100 in die Hand nehmen. Fühlt sich gut an. Ist gekauft!
Bislang habe ich den Kauf nicht bereut. Die RX100 macht echt riesigen Spaß beim Fotografieren. Das Bedienkonzept ist sehr schlüssig aufgebaut, vielseitig individualisierbar und bietet intelligente Lösungen, so zum Beispiel, dass man durch Einzoomen in der Bildanzeige direkt zur tatsächliche-Pixel-Anzeige gelangt. Wieso haben das nicht alle Kameras immer schon? Was sollte mich beim Einzoomen denn sonst interessieren, als ›tatsächliche Pixel‹? Doch bei allen anderen Herstellern weiß man noch nicht einmal wann man ›tatsächliche Pixel‹ erreicht hat. Fotografiert ihr eigentlich, ihr Kamera-Ingenieure? Die bei Sony offensichtlich schon. Bravo!
Ich will nicht lange in Details gehen, sondern nur ein paar Dinge herausheben, die mir besonders gefallen: Die Kamera ist schick und wertig und fühlt sich sehr gut an. Die Objektivabdeckung ist ins Objektiv integriert – das Gegenteil der dämlichen Lösung an der XZ-1. Das Modus-Wahlrad ist ausreichend schwergängig und versenkt und verstellt sich nicht von selbst. Der Einstellring ums Objektiv bietet idealen Widerstand beim Einstellen und gleitet traumhaft ‘smooth’. Das Zoomen ist damit zwar zu vergessen, da es unheimlich langsam übersetzt ist und es auch nicht absolut exakt in Echtzeit reagiert. Aber das war für mich nach erster Enttäuschung darüber auch gleich wieder in Ordnung, denn der Ring eignet sich ohnehin weitaus besser zum Scharfstellen.
Sehr cool ist Sonys Feature die scharfen Bereiche am Display zu kennzeichnen. Noch habe ich nicht so viel manuell mit ihr gearbeitet, aber die RX100 macht es extrem reizvoll das zu tun.
Ebenfalls sehr positiv fällt auf, dass es nicht erforderlich ist für Makroaufnahmen in einen Makromodus zu wechseln.
Natürlich gibt es bei dem vielen Licht der RX100 auch Schatten, wenn auch bislang wenig. Ein bisschen nervig ist die lange Ausschaltzeit der Kamera. Das mag jetzt komisch klingen, aber wenn man während des Wanderns viel fotografiert, die Kamera zwischendurch aber auch immer wieder ausschalten will, damit das Objektiv eingefahren wird und in Sicherheit ist, dann sind zwei bis drei Sekunden einfach zu lang. Man würde sich ein Firmware-Update wünschen, das den Prozess deutlich beschleunigt.
Ein Einschränkung bietet auch der Brennweitenbereich ab 28mm. Die Mitbewerber von Canon, Olympus und Panasonic bieten da mehr Weitwinkel und der weitere Winkel geht beim Wandern und auf Stätde-Touren einfach ab.
Absolut überflüssig ist auch die extrem hohe Auflösung von 20 Megapixel. Da hat wohl wieder einmal das Marketing über die Vernunft gesiegt. Zwar ist die Abbildungsqualität – soweit ich das im Moment anhand der JPEGs sagen kann – absolut beeindruckend. Das Rauschverhalten ist besser als bei Panasonics 16 Megapixel Micro Four Thirds Kamera Lumix G3 und bei ISO800 noch besser als bei der 10 Megapixel Kompakten Olympus XZ-1 bei ISO100. Allerdings bringt die Optik – wie ohnehin nicht anders zu erwarten – nicht die extrem hohe Schärfe, die für 20 Megapixel notwendig wäre. Meine D700 bringt mit entsprechendem Glas ausgestattet bei 12 Megapixel deutlich mehr Detailzeichnung zustande und ich gehe davon aus, dass am Computer auf 20 Megapixel hochgerechnete Aufnahmen der D700 schärfere Details zeigten, als Aufnahmen der RX100. Anders gesagt: Das einzige, was die 20 Megapixel bringen ist größere Dateien. Danke, Sony. Ich kauf euch dafür ein paar Festplatten zum Speichern ab.
Aber selbst wenn die Optik tatsächlich die erforderliche Schärfe bieten würde: Ich bin überzeugt, dass jeder, der für die Ausgabe wirklich 20 Megapixel benötigt, eine Spiegelreflexkamera mit entsprechenden Objektiven besitzt und die RX100 lediglich als exklusive Zweitkamera gekauft hat. Sony hätte also echt bei 10 bis 12 Megapixel bleiben können, oder, wenn’s denn sein muss, 16.
Trotz des leichten Schattens durch die übertriebene Auflösung, die lange Ausschaltzeit und das im Weitwinkel etwas eingeschränkte Zoomobjektiv: Die RX100 ist eine tolle Kamera die riesigen Spaß in der Anwendung macht und – soweit sich das vor RAW sagen lässt – tolle Ergebnisse liefern dürfte. Ich bin mir sicher, sie ist die aktuell beste Kompaktkamera der Welt. Leider hat das seinen Preis: Einsteiger Spiegelreflexkameras sind billiger zu haben. Aber wer kompromisslosen Komfort und Qualität sucht und es kompakt haben will …