Besserwisserische dumme Kuh

Von Beautifulvenditti

Wann habe ich bloss damit angefangen, diese unglaublich ermutigenden Ratschläge von mir zu geben? Ich sage „Sieh zum, dass du vor der Geburt noch möglichst viel Schlaf kriegst. Du kannst nie wissen, wann du wieder die Gelegenheit zum Durchschlafen kriegst, wenn das Baby erst mal da ist.“ Ich sage auch „Geniess das letzte Jahr, in dem du noch kein Kind im Kindergarten hast. Das, was danach kommt, wird nicht lustig.“ Oder „Ja, in der Ersten und in der Zweiten geht’s ja noch, aber aber der dritten Klasse ziehen sie die Schrauben ganz gewaltig an. Einfach schrecklich, was sie von den armen Kindern fordern.“ 

Wenn ich mir so zuhöre, wie ich Müttern und Vätern, die jüngere Kinder haben als ich, den Mut nehme, dann könnte ich mich selbst ohrfeigen. Es kommt noch soweit, dass ich einer vom Schlafentzug geplagten Jungmutter, die mir ihr Herz ausschütten will, dieses elende „Kleine Kinder, kleine Sorgen – grosse Kinder grosse Sorgen“ an den Kopf werfe. Aber soweit soll es nicht kommen. Wie habe ich es damals gehasst, als ich vor lauter Schlafmanko auf dem Zahnfleisch ging und mir Mütter von grösseren Kindern das Gefühl vermittelten, ich sei bloss ein Jammerlappen, nicht stark genug für die Herausforderungen der Elternschaft. Schon damals wusste ich, was ich eigentlich auch heute noch weiss: Jedes Alter bringt seine eigenen Freuden, aber auch Herausforderungen und jede dieser Herausforderungen kann einen an die Grenzen der eigenen Kräfte treiben. Darum habe ich mir stets geschworen, nie eine besserwisserische dumme Kuh zu werden, die anderen Müttern und Vätern Angst macht vor dem, was noch auf sie wartet. 

Und heute bin ich in Gefahr, genau eine solche besserwisserische dumme Kuh zu werden, ja, vielleicht bin ich bereits eine geworden, oder zumindest ein besserwisserisches dummes Kalb, das auf dem besten Weg dazu ist, eine der grössten und dümmsten Kühe zu werden. Dabei habe ich doch gar keinen Grund dazu, abgelöscht oder frustriert zu sein. Ja, wir zanken uns immer mal wieder, manchmal ist es auch wirklich mühsam, die Kinder für die anstrengenderen Seiten des Lebens zu motivieren und die Momente, in denen ich die Kinder auf den Mond schiessen möchte, gibt es auch. Aber im Grunde genommen bin ich eine glückliche Mutter, die ganz gut damit klarkommt, dass im Familienleben nicht immer nur eitel Sonnenschein herrscht und auch wenn mich zuweilen die Angst vor den Teenager-Jahren beschleicht, eigentlich bin ich ganz gespannt darauf, wie sich die Beziehung zu unseren Kindern entwickelt, wenn sie gross werden. 

Warum also immer öfter diese doofen Aussagen, mit denen ich anderen Eltern den Mut nehme? Ich kann es mir nur damit erklären, dass sich in den vergangenen Monaten eine pessimistische Grundstimmung bei mir eingeschlichen hat, die in allen Bereichen zum Ausdruck kommt, auch dort, wo ich eigentlich eine positive Einstellung hätte. Und diese Haltung passt mir nicht. Ich will nicht eine jener verbitterten Frauen werden, die beim Neugeborenen nur die schmutzige Windel, beim Kleinkind nur den Trotzanfall, beim Teenager nur die Stimmungsschwankungen sehen. Ich will mich nicht damit zufrieden geben, nur noch zu Hause vor dem Fernseher zu vegetieren, bloss weil grössere Kinder nicht mehr bei jedem Vorschlag „Super Mama, tolle Idee!“ jubeln. Ich will, dass Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit wieder überwiegen, nicht Resignation und „Ich bin zu müde, um mit euch in den Wald zu gehen. Wir machen das vielleicht nächste Woche.“ 

Höchste Zeit für eine Verschnaufpause. Damit ich die Energie aufbringen kann, um diese besserwisserische, resignierte, dumme Kuh von hinnen zu jagen.