Peugeot RCZ
Haben Sie die Anzeige auch schon gesehen? Man sieht ein dunkelgraues Coupé auf einer dunkelgrauen Fläche. Darüber steht, in einer irgendwie sehr »designten« Schrift: »sie WOLLEN IHN besitzen.«, darunter, in derselben Type. »er wird SIE besitzen.« Sie erinnern sich vielleicht, dass das abgebildete Auto irgendwie schick aussah. Haben Sie auch noch im Kopf, dass es sich um einen Peugeot handelte?
Das Coupé, das so beworben wird, verdankt seine Existenz ganz offensichtlich dem Erfolg – oder besser: dem Image – des Audi TT. Auf den ersten Blick strahlt der Franzose ähnliche Konsequenz und Stringenz aus wie der ältere deutsche Bruder, obwohl das Design – auf den zweiten Blick – alles andere ist als aus einem Guss. Zwischen den Rädern finden wir hier viel VW: glatte, Flächen, gerade Kanten, eine kräftige, schnurgerade Toronado-Linie, selbst der kleine Scherz mit der ganz am Ende der Tür hochgezogenen Fensterlinie kommt so trocken rüber, dass wir uns das durchaus auch an einer Studie aus Wolfsburg vorstellen könnten. Dazu passt und gehört natürlich auch der aluminiumfarbige Dachbogen. Man spricht Deutsch, doch – jetzt auch in Frankreich.
Aber nicht überall: Front und Heck des Renners sind viel weicher, typisch Peugeot, mit spitzig weit nach hinten auslaufenden Leuchten, einem Lufteinlass, der noch an die Riesenmäuler erinnert, mit denen die Marke Anfang der Nuller Jahre auffiel – und mit einer ziemlich dramatischen, wenn auch total beherrschten Plastizität. Es ist eine Leistung, die semiotisch eher divergenten Elemente in eine am Ende so harmonische und stimmige Gesamtform zu bringen. An dem ganzen Auto gibt es keine Stelle, von der man sagen könnte, sie sei schlecht gemacht! Und das gilt auch für die Gesamterscheinung, die gar nicht so schizophren wirkt, wie der streng analysierende Betrachter es sieht und beschreibt…
Um also das leichte Unbehagen angesichts des Autos mit dem wohl auch für Franzosen nicht schön zu artikulierenden Namen RCZ in Griff zu bekommen, wenden wir uns der Semantik zu. Und hier hilft uns die eingangs erwähnte Anzeige, genauer: die verwendete Schrift.
Wir haben hier eine modernistische Abart einer geometrischen Schrift der klassischen Moderne vor uns, eine Futura oder Avantgarde (ja, so hießen Schriften mal). Einige Buchstaben wirken allerdings deformiert, andere sind mit seltsamen, serifenartigen Verlängerungen versehen, ein wüst konstruiertes S macht auf Cyberpunk. Das ist ganz interessant, denn die Idee der Moderne, mit ihren geometrisch konstruierten Formen und ihrem Verzicht auf funktionslosen Schmuck, war ja die Befreiung des konsumierenden Menschen – von der Täuschung, von der Übertreibung, auch vom Zwang des Prestige. Es ging in der klassischen Moderne nicht um die Herrschaft der Technik, ein gerne zitiertes Missverständnis, sondern es ging um die Überwindung der Herrschaft des Konsums.
Diese Schrifttype ist also im Kern neutral, nüchtern, sachlich. Und dann trägt sie einzelne Elemente, die diese Idee vollständig konterkarieren. Man könnte sagen, dass es sich hier um die penetrant postmoderne Karikatur einer Avantgarde-Schrift handelt. Und damit zurück zum Auto: Auch was hier sachlich ist, ist nicht aus Überzeugung sachlich. Jeder Quadratzentimeter Oberfläche ist ein Zitat, und so sagt die oben beschriebene Seitenpartie: Ich bin ein anständiges technisches Produkt. Die Front sagt: Ich bin ein dynamischer Franzose und setze mich durch. Die Dachbögen sagen: Ich bin ein Realität gewordener Designtraum (und müsste eigentlich unbezahlbar sein). Und obwohl das ganze so überzeugend wirkt, ist nichts daran mit Überzeugung gemacht, es ist nicht weltanschaulich oder ideologisch oder gar politisch motiviert (wie es die klassische Moderne war), sondern alles folgt dem Kalkül des Marketing. Insofern ist der RCZ dann doch pur: Er ist die pure, Form gewordene, emotionale Manipulation des Konsumenten. Ob die Juroren des reddot design award den RCZ dafür mit einem best of the best 2010 bewertet haben?
Wenn es noch Zweifel an dieser Lesart gibt, dann werden sie von der zitierten Anzeige restlos zerstreut. Da steht: »Sie wollen Ihn besitzen.« Das ist erst mal eine kühne Behauptung, ganz im Geiste des durch Youtube geprägten Konzeptes, dass zum Star wird, wer sich selbst toll findet und das überzeugend kommuniziert. Hier ist weder von einer Leistung noch von einer Idee im eigentlichen Sinne die Rede. Ein Foto und die befehlsartige Headline scheinen zu genügen, um den gewünschten Effekt der Anzeige zu erreichen. Oder gibt es doch eine Art Versprechen, eine angebotene Leistung, die das Fahrzeug sein Geld wert sein und es gegenüber anderen Angeboten überlegen sein lässt? »Er wird sie besitzen,« lesen wir dann. Das Auto uns. Besitzen. Wir fragen uns da spontan, ob es so etwas wie Masochismus in der Auto-Erotik gibt (Pardon wegen des Wortspiels). Können Menschen das wirklich toll finden: Besessen zu sein von einem leistungsmäßig doch eher mediokren Technikgegenstand? Mal abgesehen von der Glaubwürdigkeit: Ist das echt ein Ziel? Vom eigenen Auto besessen… Wie sieht die Idee vom guten Leben aus, in das so eine komische kleine Perversion passt?
Man wird mir vielleicht antworten, dass es sich hier um Spaß handele, oder dass es eben Spaß mache, einen Gegenstand mit Eigenleben zu bändigen. Ja, werde ich dann nicken, genau das meine ich: Wir wollten ein leichteres Leben, wir wollten Technik, die uns dient, wir wollten Raum für unsere Identität, unsere Träume, unsere Fragen. Wir wollten Freiheit.
Hier aber wird die Herrschaft des Produktes über den Menschen gefeiert, und der – findet das geil.
So macht das Geld das also, dass es die Welt regiert.
Haben Sie die Anzeige auch schon gesehen? Man sieht ein dunkelgraues Coupé auf einer dunkelgrauen Fläche. Darüber steht, in einer irgendwie sehr »designten« Schrift: »sie WOLLEN IHN besitzen.«, darunter, in derselben Type. »er wird SIE besitzen.« Sie erinnern sich vielleicht, dass das abgebildete Auto irgendwie schick aussah. Haben Sie auch noch im Kopf, dass es sich um einen Peugeot handelte?
Das Coupé, das so beworben wird, verdankt seine Existenz ganz offensichtlich dem Erfolg – oder besser: dem Image – des Audi TT. Auf den ersten Blick strahlt der Franzose ähnliche Konsequenz und Stringenz aus wie der ältere deutsche Bruder, obwohl das Design – auf den zweiten Blick – alles andere ist als aus einem Guss. Zwischen den Rädern finden wir hier viel VW: glatte, Flächen, gerade Kanten, eine kräftige, schnurgerade Toronado-Linie, selbst der kleine Scherz mit der ganz am Ende der Tür hochgezogenen Fensterlinie kommt so trocken rüber, dass wir uns das durchaus auch an einer Studie aus Wolfsburg vorstellen könnten. Dazu passt und gehört natürlich auch der aluminiumfarbige Dachbogen. Man spricht Deutsch, doch – jetzt auch in Frankreich.
Aber nicht überall: Front und Heck des Renners sind viel weicher, typisch Peugeot, mit spitzig weit nach hinten auslaufenden Leuchten, einem Lufteinlass, der noch an die Riesenmäuler erinnert, mit denen die Marke Anfang der Nuller Jahre auffiel – und mit einer ziemlich dramatischen, wenn auch total beherrschten Plastizität. Es ist eine Leistung, die semiotisch eher divergenten Elemente in eine am Ende so harmonische und stimmige Gesamtform zu bringen. An dem ganzen Auto gibt es keine Stelle, von der man sagen könnte, sie sei schlecht gemacht! Und das gilt auch für die Gesamterscheinung, die gar nicht so schizophren wirkt, wie der streng analysierende Betrachter es sieht und beschreibt…
Um also das leichte Unbehagen angesichts des Autos mit dem wohl auch für Franzosen nicht schön zu artikulierenden Namen RCZ in Griff zu bekommen, wenden wir uns der Semantik zu. Und hier hilft uns die eingangs erwähnte Anzeige, genauer: die verwendete Schrift.
Wir haben hier eine modernistische Abart einer geometrischen Schrift der klassischen Moderne vor uns, eine Futura oder Avantgarde (ja, so hießen Schriften mal). Einige Buchstaben wirken allerdings deformiert, andere sind mit seltsamen, serifenartigen Verlängerungen versehen, ein wüst konstruiertes S macht auf Cyberpunk. Das ist ganz interessant, denn die Idee der Moderne, mit ihren geometrisch konstruierten Formen und ihrem Verzicht auf funktionslosen Schmuck, war ja die Befreiung des konsumierenden Menschen – von der Täuschung, von der Übertreibung, auch vom Zwang des Prestige. Es ging in der klassischen Moderne nicht um die Herrschaft der Technik, ein gerne zitiertes Missverständnis, sondern es ging um die Überwindung der Herrschaft des Konsums.
Diese Schrifttype ist also im Kern neutral, nüchtern, sachlich. Und dann trägt sie einzelne Elemente, die diese Idee vollständig konterkarieren. Man könnte sagen, dass es sich hier um die penetrant postmoderne Karikatur einer Avantgarde-Schrift handelt. Und damit zurück zum Auto: Auch was hier sachlich ist, ist nicht aus Überzeugung sachlich. Jeder Quadratzentimeter Oberfläche ist ein Zitat, und so sagt die oben beschriebene Seitenpartie: Ich bin ein anständiges technisches Produkt. Die Front sagt: Ich bin ein dynamischer Franzose und setze mich durch. Die Dachbögen sagen: Ich bin ein Realität gewordener Designtraum (und müsste eigentlich unbezahlbar sein). Und obwohl das ganze so überzeugend wirkt, ist nichts daran mit Überzeugung gemacht, es ist nicht weltanschaulich oder ideologisch oder gar politisch motiviert (wie es die klassische Moderne war), sondern alles folgt dem Kalkül des Marketing. Insofern ist der RCZ dann doch pur: Er ist die pure, Form gewordene, emotionale Manipulation des Konsumenten. Ob die Juroren des reddot design award den RCZ dafür mit einem best of the best 2010 bewertet haben?
Wenn es noch Zweifel an dieser Lesart gibt, dann werden sie von der zitierten Anzeige restlos zerstreut. Da steht: »Sie wollen Ihn besitzen.« Das ist erst mal eine kühne Behauptung, ganz im Geiste des durch Youtube geprägten Konzeptes, dass zum Star wird, wer sich selbst toll findet und das überzeugend kommuniziert. Hier ist weder von einer Leistung noch von einer Idee im eigentlichen Sinne die Rede. Ein Foto und die befehlsartige Headline scheinen zu genügen, um den gewünschten Effekt der Anzeige zu erreichen. Oder gibt es doch eine Art Versprechen, eine angebotene Leistung, die das Fahrzeug sein Geld wert sein und es gegenüber anderen Angeboten überlegen sein lässt? »Er wird sie besitzen,« lesen wir dann. Das Auto uns. Besitzen. Wir fragen uns da spontan, ob es so etwas wie Masochismus in der Auto-Erotik gibt (Pardon wegen des Wortspiels). Können Menschen das wirklich toll finden: Besessen zu sein von einem leistungsmäßig doch eher mediokren Technikgegenstand? Mal abgesehen von der Glaubwürdigkeit: Ist das echt ein Ziel? Vom eigenen Auto besessen… Wie sieht die Idee vom guten Leben aus, in das so eine komische kleine Perversion passt?
Man wird mir vielleicht antworten, dass es sich hier um Spaß handele, oder dass es eben Spaß mache, einen Gegenstand mit Eigenleben zu bändigen. Ja, werde ich dann nicken, genau das meine ich: Wir wollten ein leichteres Leben, wir wollten Technik, die uns dient, wir wollten Raum für unsere Identität, unsere Träume, unsere Fragen. Wir wollten Freiheit.
Hier aber wird die Herrschaft des Produktes über den Menschen gefeiert, und der – findet das geil.
So macht das Geld das also, dass es die Welt regiert.