Besenwagen – die letzte Mitfahrgelegenheit ins Ziel

Besenwagen – die letzte Mitfahrgelegenheit ins Ziel

Credit:Thomas Rottenberg

Manche „Nichtläufer“ stellen sich unter einem „Besenwagen“ vielleicht ein rollendes Putzgerät der Straßenkehrer vor - jedem Marathonläufer ist er aber geläufig: der Wagen, der die letzten Läufer von der Straße nimmt. Für die einen eine Einrichtung, die belächelt wird, für manche aber schmerzhafte Realität!
Bei jeder Laufveranstaltung gibt es einen offiziellen „Zielschluss“. Bis dahin ist die Strecke meist gesperrt und die Läufer werden gewertet. Vor allem bei (Stadt)Marathons muss der Verkehr auch gesperrt werden. Um die Straßen bald wieder für den Verkehr öffnen zu können, gibt es den Besenwagen, das offizielle Schlussfahrzeug, das mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit der maximal möglichen Wettkampfzeit dem Feld hinterher fährt und die langsamen bzw. verletzten Läufer aufpickt. Bei (Ultra)Trailläufen gibt es ein ähnliches System. Es gibt spezielle Checkpoints, die in einer vorgegebenen Zeit erreicht werden müssen. Wenn nicht, wird man aus dem Rennen genommen.
Wenn jemand das Rennen aufgeben muss, ist es eine angenehme Art, ins Ziel transportiert zu werden. Vor allem bei Wettkämpfen in Städten, in denen man sich nicht auskennt. Wird ein Läufer eingeholt, heißt es auch meist das Aus für ihn. Klopft der „Besenmann“ nämlich auf die Schulter, heißt es schneller laufen oder aufsteigen!
Hinter dem Besenwagen kann natürlich auch noch weitergelaufen und sogar auch das Rennen beendet werden. Ab dann gilt jedoch wieder die Verkehrsordnung: die Strecke ist nicht mehr gesperrt und vor allem nicht mehr sicher. Und wenn man Glück hat, dann ist das Ziel auch noch nicht abgebaut und die Zielmatte registriert deinen Zieleinlauf.
Entscheidet man sich aber für den Besenwagen, dann bedeutet dies auch gleichzeitig ein Aufgeben und in der Ergebnisliste erhält man ein „DNF“ (did not finish). Ein nicht sehr gern gesehenes Ergebnis!

Erlebnisse mit dem Besenwagen - wie das Läuferleben so spielt: 

  1. Beim ersten Antritt einer Läuferin beim Wienmarathon wurde sie bereits nach etwa 28 Kilometern vom Besenwagen überholt. Sie entschied sich, das Rennen dennoch zu beenden, damit das mühsame Training überhaupt einen Sinn gemacht hat. Danach musste sie natürlich auf den Gehsteigen laufen, weil nach dem Besenwagen die Straße für den normalen Verkehr freigegeben wird. Schlussendlich traf sie nach mehr als 6 ½ Stunden im Zielgelände ein, das bereits teilweise abgebaut war. Begleitet wurden die letzten 14 Kilometer durch Zickzack-Läufe von einer Straßenseite zur anderen und teilweise Erkundigungen nach dem Weg – denn insgesamt hat sie bei ihrem ersten Marathon sogar 44 Kilometer zurückgelegt! Sie war damals so unheimlich stolz und begeistert, dass sie bisher weitere 8 Teilnahmen beim Wienmarathon verbuchen kann. Gelernt hat sich auch daraus, denn seither läuft sie immer mit einem Streckenplan, damit sie wieder nach Hause findet.
  2.  Eine zweite Dame nimmt sich regelmäßig das Finishen vor dem Besenwagen vor und schafft es auch immer wieder. Sie lässt sich dadurch nicht den Spaß nehmen und sieht es positiv: „Schnell kann jeder! Ich bin eine der wenigen Teilnehmerinnen, die für ihr Geld den längsten Spaß hat“. Stolz ist sie jedenfalls immer, da sie die Distanz wieder einmal bewältigt hat.
  3. Eine weitere Läuferin musste heuer beim Berlinmarathon den Besenwagen tatsächlich nützen. Sie schildert ihre Erfahrung so: „Man steigt nicht freiwillig in den Besenwagen ein! Wenn man einmal soweit ist, dass man in diesen Bus einsteigen muss, dann hat man eh schon schwerwiegende Probleme. Für mich war es emotional sehr schrecklich, vor allem weil der Bus hinter den letzten Läufern langsam hinterher fährt. Man hadert immer mit sich selbst, ob man es doch nicht irgendwie geschafft hätte. Ich habe die ganze Zeit mit den Tränen gekämpft. Wenn man dann endgültig im Zielbereich angelangt ist, kommen natürlich noch einmal die Emotionen hoch, dass man es nicht geschafft hat und nicht das Glücksgefühl des Zieleinlaufes erleben darf. Ich möchte nie wieder in einem Beserlwagen sitzen müssen!“ 
Letztere fand auch einen treffenden Nachsatz, der zum Bericht von Stefan vor einigen Wochen gut passt: „Es ist natürlich ein großer Unterschied, bei welchem Marathon du im Besenwagen sitzt. In Wien sind um die Zeit eh keine Leute mehr am Straßenrand da ist es wahrscheinlich nicht so tragisch. Aber in Berlin ist das Publikum so fasziniert, dass es bis zum letzten Läufer ausharrt und das macht gen großen Unterschied.“
Das bringt mich auf eine Idee:
Welch touristisches Schmankerl wäre es doch, wenn beim nächsten Wienmarathon die Fiaker das Service des Besenwagens übernehmen würden. Nobler kann man wohl nicht mehr am Heldenplatz eintreffen! Als Entschädigung für die Läufer, die es diesmal nicht geschafft haben.

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