Beschneidung ist keine Gewalt

Beschneidung ist keine Gewalt

Allein im Universum

Das meinten zumindest etliche Redner bei der 1. Lesung im Bundestag wegen des Ge­set­zes über den Umfang der Personen­sor­ge bei einer Beschneidung des männ­lichen Kindes.

Verlogen und scheinheilig nenne ich die De­bat­te, die am 22.11. statt gefunden hat – und alles natürlich zum Wohle des (männlichen) Kindes. Das Juden und Muslime mit dem Kindeswohl argumentieren ist das eine, dass unsere Parlamentarier sich aber darauf berufen, hat ein eigenes Geschmäck­le. Da es keine gesetzliche Bestimmung für das Wort “Kindeswohl” gibt und somit die Auslegung jedem Politiker überlassen bleibt, kann man damit auch bei den ent­sprechenden Gesetzesänderungen argumentieren.

Fast schon erstaunlich finde ich die Gemeinsamkeit aller Parteien, die ich zuletzt bei der Debatte zum Frauenhilfetelefongesetz erlebt habe. Es ist schon komisch, wie einig sich die Mehrheit ist, wenn es gegen Männer oder Jungen geht.

Die Debatte fing schon damit an, dass gegenseitiger Respekt gefordert wurde, wo viele Parlamentarier das Wort noch nicht einmal zu kennen scheinen, wie die vorherige Haushaltsaussprache zeigte. Die Auseinandersetzung zum Thema Beschneidung war dann in der Tat von Respekt geprägt, denn auch die Argumente gegen eine Beschneidung wurden in Ruhe aufgenommen und sogar beklatscht.

Normalerweise stelle ich nach Parlamentsdebatten einige der besten Sätze oder Abschnitte hier ein. Dieses Mal waren es aber so viele, das ich direkt auf das von mir erstellte PDF-Dokument verweise Beschneidung von Jungen aus Plenarprotokoll 17208 von 2012-11-22. Wer sich noch die Reden einiger Politiker für ein Gesetz zur Erlaubnis der Beschneidung ohne medizinische Indikationvom 19. Juli d. J. antun möchte, lese folgendes PDF-Dokument Beschneidung rechtliche Regelung bei minderjaehriger Jungen Plenarprotokoll 17189 vom 19-07-2012.

Folgende Gegner des von der Regierung eingebrachten Gesetzes sprachen dazu im Bundestag: Raju Sharma (Die Linke), Marlene Rupprecht (SPD) und Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen). Die genannten Politiker haben bestens argumentiert und im Grunde genommen den Gegnern den Wind aus den Segeln genommen. Allerdings hat das alles nichts genutzt und der eingebrachte, alternative Gesetzesvorschlag wurde abgelehnt.

Eine Begebenheit aus dem Bundestag möchte ich dann aber doch noch einbringen. Marlene Rupprecht von der SPD ist absolut gegen das eingebrachte Gesetz der Bundesregierung und befürwortet notgedrungener Maßen den Entwurf verschiedener Abgeordneter, die die Beschneidung ab 14 Jahren, also dem Alter der Religionsmündigkeit, fordern. Obwohl sie sich so vehement gegen eine Beschneidung einsetzt, sieht sie den Akt selber nicht als Gewalt an. Da hat es mir dann aber doch die Sprache verschlagen. Den Schlagabtausch stelle ich deshalb nachfolgend ein.

Norbert Geis (CDU/CSU)

[..]Ich glaube aber nicht, dass die Kinderrechte nicht berücksichtigt werden, wenn wir die Beschneidung zulassen, wie Sie es sagen, Frau Rupprecht. Sicherlich liegt eine Zeit hinter uns, in der die Rechte der Kinder nicht so gewahrt worden sind, wie das heute der Fall ist. Aus dem römischen Recht wissen wir, dass das Kind der Gewalt des Vaters unterworfen war. Außerdem stand der Begriff der elterlichen Gewalt bis in unsere Zeit hinein im Gesetzbuch. Es ist also schon ein Kampf notwendig gewesen, an dem auch Sie mitgewirkt haben, liebe Frau Rupprecht, bis die Rechte der Kinder anerkannt worden sind. Inzwischen sind sie aber anerkannt. Wir wissen auch, dass sich diese Rechte auf unser Grund-gesetz gründen können.

Deswegen glaube ich nicht, dass insoweit noch eine Diskussion erforderlich ist. Die Frage ist nur, ob diese Rechte verletzt werden, wenn sich die Eltern dazu entscheiden, das Kind beschneiden zu lassen. Da gehen die Meinungen auseinander.

Sie sagen, diese Rechte würden allein schon deshalb verletzt, weil dem Kind Gewalt angetan werde. Das ist aber so nicht zu sehen. Sie beziehen sich dabei auf § 1631 Abs. 2 BGB, in dem es heißt, dass eine Bestrafung des Kindes nicht mit gewaltsamen Mitteln durchgeführt werden darf. Dies ist aber nicht so bei der Beschneidung. Die Beschneidung ist keine Bestrafung und hat deshalb mit dieser Vorstellung,die Sie erwähnt haben und die auch Frau Dörner erwähnt hat, nichts zu tun. Bei der Beschneidung geht es um etwas ganz anderes.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Geis, möchten Sie die Zwischenfrage von Frau Rupprecht zulassen?

Norbert Geis (CDU/CSU): Bitte sehr.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte.

Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Herr Kollege Geis, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass ich nicht von einer Bestrafung gesprochen habe. Vielmehr habe ich darauf hingewiesen, dass in § 1631 Abs. 2 BGB das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert ist. Damit ist zum Beispiel das Elternrecht beschnitten. Wir können mit den Kindern also nicht alles machen.Ich habe keineswegs Beschneidung als Bestrafung gewertet. Das möchte ich ganz weit von mir weisen. Das habe ich niemals in den Mund genommen. Die Beschneidung sehe ich nicht als Gewaltanwendung an. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des  Bündnisses 90/Die Grünen)

Der einzige Unterschied besteht darin – das möchte ich hier feststellen –, dass wir von einem massiven körperlichen Eingriff ausgehen. Medizinisch kann ich begründen, warum massiv ein gegriffen wird. Sie gehen davon aus, dass der Eingriff harmlos ist und daher im Rahmen der elterlichen Sorge durchgeführt werden kann. Wir stimmen dem zu, dass das in den Bereich der elterlichen Sorge fällt. Ein solcher Eingriff ist aber so massiv, dass man den Willen des Kindes sowie die Einsichtsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit des Kindes beachten muss.

Das habe ich hier zum Ausdruck gebracht. Darauf lege ich sehr großen Wert. Es kommt ganz leicht ein falscher Zungenschlag hinein, was ich Ihnen nicht unterstelle. Ich möchte aber, dass das klargestellt ist.

Norbert Geis (CDU/CSU): Ich akzeptiere das. Mit dem, was Sie sagen, bringen Sie aber indirekt zum Ausdruck, dass die Be-schneidung ein gegen das Kind gerichteter Akt der Gewalt ist. Wenn Sie das so sehen, dann – –

(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Nein! Das habe ich nicht gesagt!)

– Sie haben gesagt, dass sei keine Bestrafung, aber ein Akt der Gewalt. Sonst hätten Sie § 1631 Abs. 2 BGB gar nicht heranziehen können. Lassen wir das aber einmal auf sich beruhen. Ich akzeptiere jedenfalls Ihre Erklärung. Wir können das auf sich beruhen lassen. Liebe Frau Rupprecht, Sie sagten eben noch einmal, es handele sich um einen schwerwiegenden Ein griff.

(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ja!)

Dem widerspricht der Entwurf ganz entschieden. Der Entwurf sagt, dass es sich nicht um einen schwer wiegenden Eingriff handelt. Wir wissen, dass dies in anderen Ländern genauso gesehen wird. Auch viele Mediziner werten dies nicht als einen schwerwiegenden Eingriff. Wenn es ein schwerwiegender Eingriff wäre, was ich verneine, muss man sich aber doch die Frage stellen: Entspricht dieser Eingriff dem Wohl des Kindes? Das ist die ganz entscheidende Frage. Die ganz entscheidende Frage ist, ob das Wohl des Kindes gewahrt ist, wenn sich die Eltern für die Beschneidung entscheiden. Ich glaube, das ist der Fall. Hier kommt man allerdings nicht allein mit dem Sorgerecht aus, sondern muss auch nach dem Motiv der Beschneidung fragen. Deswegen wird ja immer in diese Debatte wieder eingebracht, dass entscheidend ist, aus welchen Motiven heraus die Beschneidung geschieht.

Wenn es so etwas wie den Unsatz des Jahres gäbe, würde ich folgenden vorschlagen: Nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Dieser Satz ist genauso unbestimmt wie das Wort Kindeswohl. Das sind so Momente, bei dem ich mich frage, wo Politiker ihren Verstand haben. Selbst für den kleinen Piks beim Ohrlochstechen muss man eine Unterschrift für den bevorstehenden operativen Eingriff abgeben. Ich wüsste allerdings nicht, das Juden und Moslems vor der Operation ebenfalls etwas unterschreiben müssen.

Plenarprotokoll 17/208 • Deutscher Bundestag • Stenografischer Bericht
208 Sitzung • Berlin, Donnerstag, den 22. November 2012

Redner im Bundestag in ihrer Reihenfolge:

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz
Burkhard Lischka (SPD)
Dr. Günter Krings (CDU/CSU)
Raju Sharma (Die Linke)
Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen)
Stephan Thomae (FDP)
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD)
Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen)
Dr. Kristina Schröder – Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Christine Buchholz (Die Linke)
Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen)
Norbert Geis (CDU/CSU)
Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD)
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU)
Kerstin Griese (SPD)

hib-Meldung · 2012_11/2012_541/01
Diskussion um Altersgrenze bei Beschneidung des männlichen Kindes

Rechtsausschuss (Anhörung) – 26.11.2012
Berlin: (hib/) Die Altersgrenze bei der Beschneidung des männlichen Kindes wird unter Experten kontrovers diskutiert. In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Montagnachmittag legten elf Sachverständige ihre Positionen dar. Im Zentrum standen ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/11295) und eine von 66 Abgeordneten der Oppositionsfraktionen unterzeichnete Gesetzesinitiative (17/11430). Während die Regierung auch die Beschneidung von Neugeborenen erlauben will, fordert der Gruppenantrag, diese erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres zu legalisieren.

[..]Die Gruppe der Sachverständigen bestand aus vier Medizinern, fünf Juristen, einem Vertreter des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, sowie einem Vertreters des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, in Deutschland. Allein die beiden Vertreter der Religionsgemeinschaften waren gleicher Meinung. Sie sprachen sich für die Beschneidung bei Neugeborenen und somit den Regierungsentwurf aus. Sie argumentierten, dass es in ihren Religionen Tradition sei, die Beschneidung am 7. bzw. am 8. Tag nach der Geburt vorzunehmen. Die Beschneidung sei „kein Akt der Folter“, sagte Kramer, sondern ein „Initiationsritual zur Aufnahme in eine Religionsgemeinschaft“. Das entspreche dem Kindeswohl, denn Kinder hätten ein Recht auf Religionsausübung, erklärte er. Das Beschneidungs-Urteil des Landgerichts Köln, das die öffentliche Debatte um die Beschneidung ausgelöst hatte, sei „bemerkenswert unjuristisch“, sagte Mazyek. Es erwecke den Eindruck, jüdische und muslimische Eltern würden sich weniger um das Wohl ihrer Kinder sorgen als andere. Die Beschneidung des männlichen Kindes gehöre zu den muslimischen Pflichten. Deshalb begrüße er den Regierungsentwurf, der zur Rechtssicherheit beitrage.[..] hib-Meldung

Äußerst dubios finde ich die Tatsache, dass sämtliche Stellungnahmen, Beschlussempfehlungen und Berichte aus der öffentlichen Anhörung des Ausschüsse > Recht > Beschlussempfehlungen und Berichte "> Ausschüsse > Recht > Beschlussempfehlungen und Berichte "> Ausschüsse > Recht > Beschlussempfehlungen und Berichte "> Ausschüsse > Recht > Beschlussempfehlungen und Berichte "> Ausschüsse > Recht > Beschlussempfehlungen und Berichte ">Rechtsausschusses verschwunden sind. Ich hatte mir noch die Links notiert, aber weder abgerufen, noch gespeichert.

Tags: Abgeordnete/r, Baby, Beschneidung, Bundestag, Familie / Eltern, Genitalverstümmelung, Islam, Jungenbenachteiligung, Kinderrechte, Landgericht, Muslime, Plenarprotokoll, Sorgerecht, Urteil


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