Beschissen schönes Leben

Von Nicsbloghaus @_nbh

Auch wenn das neue Buch von Andreas Altmann als Nachfolger sei­nes letz­ten Bestsellers ange­kün­digt wird und auch ähn­lich aus­sieht: es ist kei­ner. Denn das Buch ist ganz anders – doch nicht min­der span­nend.

Andreas Altmann hat nach dem “Scheißleben …” wie­der ein Buch ver­öf­fent­lich, das im Titel mit Fäkalem koket­tiert: “Das beschis­sen schöne Leben – Geschichten eines Davongekommenen”. Altmann kam nicht nur davon: er machte etwas aus sei­nem Leben. Und was sich am Ende des vor­he­ri­gen Buches bereits ange­kün­digt hat: hier erzählt er davon. Von sei­ner Befreiung aus dem Elternhaus und dar­über, wie er die Welt, die Sexualität und sich selbst ent­deckte.

Das gelingt ihm in einer sel­ten deut­li­chen und kla­ren Sprache. Nichts kommt Dahergekünstelt, nichts hat je einen ver­schäm­ten Unterton. Er liebt die deut­sche Sprache – dar­über zu erzäh­len nutzt er ein Viertel des Buches. Im zwei­ten Abschnitt des Buches “Schreien und Flüstern” ätzt er über einen “emsi­gen Sprechblasen-Schmied”, des­sen Namen ich hier nicht nenne, aber der Altmann als Beispiel für die berühm­ten Schreiberlinge dient, deren “Bücher als Erbauungstabernakel die Ladentische” über­schwem­men.

Und er hält sich an das, was er in einer Kampfschrift gegen Redakteure auf­zeich­nete, die an sei­nen Texten her­um­kor­ri­gier­ten, bis das Blut aus ihnen ver­schwun­den war. “Mich hun­gert nach… hin­ter­ein­an­der auf­ge­stell­ten Worten, die mich betäu­ben, die mir ein Geheimnis vom Leben erzäh­len, die mich, den Leser, ver­stört oder ver­zau­bert zurück­las­sen.”

So sind die sechs Erzählungen, die er unter “Eros” zusam­men­stellte, frei von schwüls­ti­gem Geschreibe um “die Sache drum­herum”. Sie sind lebens­voll und ehr­lich und frei von der Zotigkeit, die man häu­fig erle­sen muss, wenn es um Intimstes geht. Altmann berich­tet immer freund­lich von den Frauen und mit einem etwas augen­zwin­kern­den Eingeständnis all sei­ner eige­nen Schwächen. Das liest sich erfreu­lich nor­mal; natür­lich und ehr­lich. Selbst wo er über “Experimente” schreibt oder wie er eine Frau dazu brachte, das Kind nicht aus­zu­tra­gen, dass sie gemein­sam zeug­ten.

Andreas Altmann ist – wie wir spä­tes­tens seit sei­nem letz­ten Buch wis­sen – unter Umständen auf­ge­wach­sen, an denen viele andere zer­bro­chen sind. Er ist tat­säch­lich ein “Davongekommener”; einer, der für sei­nen Schmerz Worte fand und fin­det. Einer, der – wohl wegen der Lügen, mit denen er auf­wuchs – die Wahrheit liebt. Auch die schmerz­volle. Auch dann, wenn sie ihn selbst betrifft.

Altmann liebt – trotz Allem – die Menschen. Und er kri­ti­siert die “Wohlfühlgesellschaft” – er ist Außenseiter des Lebens und glück­lich damit. Er will es sein. “Das gnä­dige Glück des Frühgeborenen, des­je­ni­gen, der vor der Erfindung der Virtualität auf die Welt kam, das ist das meine.”

F.N.

Andreas Altmann – Dies beschis­sen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen – Piper 2013, ISBN: 978-3492055543, 19,99 Euro

[Erstveröffentlichung: hpd]