Die gesamte Atmosphäre Lateinamerikas am Ende der achtziger Jahre wirkt bedrückend. In vielen Ländern herrschen Militärdiktaturen oder gibt es Bürgerkriege. Mitten daraus berichtet der Journalist Oliver Podewin. Und jagt einem Mann hinterher, von dem er anfangs nur weiß, dass dieser ebenfalls Deutscher ist.
Selbst nach dem Zuklappen des Buches ist nicht so ganz geklärt, ob der von Podewin Verfolgte tatsächlich Berater der Militärjuntas in Chile, Argentinien und El Salvador war. Sicher ist nur, dass er später als Mitarbeiter eines Drogenkartells in Kolumbien ermordet wird. Und der Verfolger als Beinahe-Fluchthelfer das Land fluchtartig verlassen muss.
Dieser Politthriller bleibt voller Spannung; auch wenn es immer wieder so etwas wie Leerlauf in der Geschichte gibt. Manchmal verlieren sich die Fäden dieser Jagd des Journalisten nach dem unbekannten Deutschen, der offenbar als Berater für die scheinbar Mächtigen arbeitet. Als Podewin dem Mann erstmalig und zufällig begegnet, weiß er nichts über ihn; erst später erwacht seine Neugier und er nimmt sich vor, den Unbekannten zu interviewen. In den politischen Wirren des Kontinents kommt es einige Male zu wie zufälligen Begegnungen der beiden; doch nie schafft der Journalist es, den »Berater« vor das Mikrophon zu bekommen. Und als es dann doch endlich so weit ist, endet das Buch mit einer überraschenden Auflösung, die hier nicht verraten sein soll.
In Chile zum Ende der Pinochet-Ära begegnet Podewin dem Mann, dem im Laufe des Buches der Name Wolf-Dieter Heinrich zugeordnet werden kann. Er trifft ihn wieder in El Salvador und später zum Showdown in Kolumbien. Um das Geheimnis dieses Mannes spinnt sich eine Story, die einiges über Latein- und Südamerika berichtet, das in europäischen Medien nur selten eine Rolle spielt. Der Autor, Norbert Ahrens, ist ein profunder Kenner dieser Weltgegend. Und die Figur des Oliver Podewin dürfte gut und gern als Alter Ego des Autoren gelten; ähneln sich die Lebensgeschichten des Autoren und des »Helden« doch sehr.
Was angenehm auffällt: die Guerilla wird weder als »Banditen« dargestellt, wie es häufig in westlichen Medien geschieht, wenn der Gegner dem Westen unlieb ist, oder als »Freiheitskämpfer«, wenn sie scheinbar die »Sache des Westens« vertreten. Nein, der Autor und so auch sein Held, erleben Militärs, Paramilitärs und eben auch die Guerilla als Gewalt, Hass und Terror verbreitende Gruppierungen in einem Machtkampf, in dem es eben nicht um »moralische Werte« geht. Sondern oft einfach nur um Geld, Macht und politischen Einfluss. »Die kolumbianische Faustregel, wonach das Militär der bewaffnete Arm der städtischen Mittel- und Oberschicht, die Guerilla die Armee der armen Massen und die Paramilitärs die Terror- und Mordbanden der Großgrundbesitzer waren, hatte allenfalls in den siebziger bis zum Beginn der achtziger Jahre gegolten.« (Seite 199)
Der Spannungsbogen um die Jagd nach dem Interview wird zweimal unterbrochen durch Berichte über Menschenrechtsverletzungen in El Salvador, wo Podewin den Mord an einem Schweizer mit aufklärt und einem weiteren Bericht über ein international besetztes »Tribunal de Opinión« - eines sogenannten »Meinungs-Tribunals«. Das bremst zwar den Fluss der eigentlichen Story; ist aber für das Verständnis und die politische Einordnung dieses Teils der Welt bitter notwendig.
So wird das Buch zu einer Mischung aus Reportage und Thriller; bei beiden Sujets kann das Wort »Polit« davor gesetzt werden. Es ist deshalb für zwei Gruppen interessant: für Leser, die spannende Bücher mögen, sowie auch für die, die etwas über die Politik Mittel- und Südamerikas erfahren möchten.
Nic
Norbert Ahrens, Podewins Verfolgung, Kulturmaschinen - August 2013, ISBN: 3943977307, 24,90 Euro