Support: The Ukelites
München, Milla, 5. November 2015
Man möchte ja nicht ständig den immergleichen alten Bart wickeln und darüber lamentieren, ob dieses nun typisch deutsch sei und jenes eben nicht – klar dürfte dennoch sein: Gäbe es hierzulande mehr Menschen wie Bernadette La Hengst, wir Deutschen hätten weit weniger Probleme, zumindest mit uns selbst. Die Art und Weise, wie diese Frau offensiv und größtenteils erfrischend die schwierigsten Themen dieser Welt zu wälzen versteht, unterscheidet sich so grundlegend von der oft so verkniffenen Betroffenheitskultur unseres Landes, dass man die La Hengst insgeheim fast in höhere Ämter loben möchte, um in ihrem Sinne die Dinge anzustoßen und zu bewegen. Ist natürlich Quatsch – sie hätte dazu wohl kaum Lust und Zeit, weil sie sich frohgemut in unzähligen Projekten abarbeitet und die andere Zeit offenen Auges und Herzens über den Planeten reist. Ohnehin ist der beste Platz für die Botschafterin des gutgelaunten Agitpop hinter dem Mikro, sie braucht dazu, wie man an diesem Abend wieder sehen konnte, nicht viel Platz und auch keine riesige Band – ein kleines Notebook als Konserve und Drummerin Wanja Saatkamp von der Hamburger Punkkapelle Maiden Monsters tun es auch, den Rest erledigt La Hengst als Rampensau (sorry!) im silbernen Glitzerfummel bestens allein.
Der Kontakt zum Publikum ist schnell gefunden, ein paar kurze Anekdoten und das eine oder andere verschmitzt-verschwitzte Lächeln zwischendurch entspannen die Atmosphäre für die großen, zentnerschweren Anliegen. Die Flüchtlingskrise im Disko-Takt, das geht wohl so nur bei ihr und verliert dennoch nicht an Relevanz – „Wem gehört die Parkbank“ vom akuellen Album „Save The World With This Melody“ ist nicht weniger eindringlich, weil man wunderbar dazu mitsingen kann. Überhaupt: Das Mitsingen. Die nebenberufliche Chorleiterin hat offenkundig einen großen Spaß am Dirigieren, gleich mehrere Stücke werden nach kurzer ad-hoc-Probe vielstimmig begleitet, selbst das Trikont-Label stellt einen Teilzeit-Background ab und so wird man zwischen Dance und Beats und Yeah kaum gewahr, dass hier viel Ernstes und Trauriges mit im Spiel ist. Das Leid der Vertriebenen, die sich ihren neuen Lebensraum erst suchen müssen, zerrissene Familien, getrennte Liebe, Selbstfindung, Selbstbehauptung, Verlust und Zerstörung, all das klingt an diesem Abend leicht und ist doch sonst so schwer zu verkraften.
Auch als Musikerin, das muss noch erwähnt werden, ist Bernadette La Hengst nach wie vor eine Schau – so entwaffnend ihr Charme und klar ihre Texte, so restlos verausgabt sie sich auf der Bühne. Ausgelassene, gestiefelte Tänze, ihre wunderbar kraftvolle und leidenschaftliche Stimme und ab und an ein wütendes Gitarrengeschrammel – wem da Kathleen Hanna und Annie Clark in den Sinn kommen, der liegt sicher nicht falsch. Von den „Bräuten“ gab’s am Ende (es war zu vermuten) leider nichts zu hören, dafür aber mit dem Rausschmeißer „Der beste Augenblick“ einen veritablen Hit aus den Anfangstagen ihrer Solokarriere. Es liegt in der Natur des hier besungenen buddhistischen Sinnspruchs, dass er an Gültigkeit nie verliert – in gewisser Weise ist das ein Trost, weil ja auch die Dinge, die einen fassungslos und wütend machen, nicht eben weniger werden. In einem alten Interview sagte Bernadette La Hengst: „Die Welt ist so groß und der alltägliche Scheiß, mit dem man sich umgibt, so klein, daß man ab und zu mal auslüften sollte.” Dafür war dieser Abend in der Tat die passende Gelegenheit, irgendwie trat man den Heimweg aufrechter und durchaus ermutigt an.
06.11. Mannheim, Blau
09.11. Gottsbüren
10.11. Frankfurt, Fabrik
11.11. Zürich, Helsinki
12.11. Freiburg, Theater
13.11. Augsburg, Grandhotel Cosmopolis
14.11. Reutlingen, Franz K
17.11. Regensburg, Alte Mälzerei
19.11. Nürnberg, Desi
24.11. Köln, Tsunami
25.11. Dortmund, Subrosa
26.11. Hamburg, Hafenklang
05.12. Leipzig, Fraku