EsEs scheint so etwas wie ein uhrzeitliches Muster innerhalb der Programmstruktur des Berlinale-Festivals zu geben, anders kann man es sich nicht erklären, dass die schlechtesten Filme grundsätzlich in den Spätvorstellungen laufen. Vielleicht urteilt man auch nur härter, nachdem man bereits den ganzen Tag mit Filmen zugebracht hat, am Abend gerne noch einmal überrascht werden würde, aber dann zu tiefst enttäuscht wird. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass hier, im Spätprogramm, so kurz vor 23 Uhr, Filme laufen wie„The Town of Whales“, dessen Regisseurin eine Wal-Skelett-Szene damit erklärt, dass sie die Kulisse einfach hübsch fand, sonst die Wal-Bezüge aber keine weitere Bedeutung hätten. Oder aber Filme wie„Viola“, ein schrecklich umständlicher Auszug aus Shakespeares„Was ihr wollt“mit harten Experimentaldialogen sowie der Film-Versuch„Concussion”, der lieber lesbisch-erotische Fantasien auf der Leinwand auslebt als eine wirkliche Geschichte zu erzählen.
“Viola”-Regisseur Matías Piñeiro
Vielleicht ist es aber auch nur Zufall oder Eigenverschulden. Es ist nun nicht der Fall, dass diese Filme ausschließlich im Spätprogramm gezeigt werden. Aber schaut man sich den übrigen Tagesplan an, haben sie dort einfach am wenigsten Konkurrenz. Warum sollte man wertvolle Wettbewerbsbeiträge, kleine Independent-Filmchen und ähnliches opfern, um sich auf ein Regie-Erstlingswerk, einen Studentenfilm oder sonstig abstruse Festivaleinreichungen einzulassen? Die Nacht scheint der beste Ort für diese Kurz- und Anfängerfilme, Produktionen von Filmhochschülern zu sein. Natürlich beweisen ausreichend Gegenbeispiele, dass diese auch durchaus gehaltvoll inszeniert werden können, nur ist da bei den drei genannten Werken leider nicht der Fall.
Aber darf man hier überhaupt dermaßen vernichtend urteilen? Diesen Gedanken hat man immer wieder, wenn die Neu-Filmemacher nach dem Film die Bühne betreten, versuchen über ihren Film zu sprechen, aber vor Nervosität das stottern beginnen, unsicher wirken, irgendwie so ganz normal. Vielleicht hat das Publikum nur aus Höflichkeit applaudiert, vielleicht werden auch deswegen nur nette Fragen gestellt, Fragen die man sich zumeist selbst beantworten könnte, hat doch zumeist jeder sein iPhone schon aufgeklappt und könnte einmal per Google die Fun Facts zum Film abrufen. Diese Jungfilmemacher, die ihr Handwerk kennen, nur noch nicht richtig einzusetzen verstehen, schaffen es in den meisten Fällen zumindest eine Geschichte zu erzählen, oftmals fehlt es nur an Spannung, Relevanz, Nachvollziehbarkeit. Es wurde eine Kamera auf einen Drehort gerichtet, sicherlich auch ein entsprechendes Drehbuch angefertigt, gewisse Leistungen aus den Schauspielern oder Laien herausgeholt und irgendwie wurde das gefilmte Material auch zu einem als Film betitelten Werk zusammen geschnitten.
Das darf diese Menschen dann gerne mit Stolz erfüllen, sie haben einen Film auf der Berlinale laufen. Rein subjektiv darf man sie natürlich schlecht finden, aber sind es nicht eigentlich einfach nur Filme die noch eine ganze Menge Potential nach oben haben? Mag sein. „Viola“, „The Town of Whales“ und „Concussion“ waren trotzdem wenig unterhaltsam.