© Berlinale / Joseph Gordon-Levitt wird von Scarlett Johansson zu einem neuen Mann gemacht.
Es gibt ernste Probleme dort draußen in der Welt, denen viele Filmemacher durch Humor zu begegnen versuchen. Mal ist es nur eine kleine Prise, mal ein wenig mehr, mal geschieht es ganz unterschwellig, dann wieder ist es ein direkter, plakativer Angriff. Filmemacher von Stanley Kubrick bis Quentin Tarantino beherrschen diese Kunst, liefern Werke wie „Dr. Strangelove“ und „Django Unchained“ ab. Mit „Don Jon’s Addiction“ gesellt sich nun auch Joseph Gordon-Levitt zu dieser illustren Runde hinzu. Stand der aufstrebende Darsteller bisher nur vor der Kamera, stellte sein Talent in zahlreichen Filmen („The Dark Knight Rises“, „(500) Days of Summer“) unter Beweis, platziert er sich nun also hinter der Kamera, inszeniert sein durchaus geglücktes Regiedebüt. In diesem zeigt er eine breite Palette an Einflüssen auf, durch die in der heutigen Welt der Begriff der Liebe geprägt wird. Dabei spielt die Familie ebenso eine Rolle, wie die zahlreichen medialen Einwirkungen durch Handy, Werbespots, Hollywoodfilme oder aber in Don Jons Fall: der Internet-Pornografie.
Joseph Gordon-Levitt übernimmt die Hauptrolle des Jon Martello, ein Aufreißer-Typ der mit seinen Kumpels die Frauen wie Objekte auf einer Skala von eins bis zehn bewertet. Jeden Abend nimmt Jon eine dieser Frauen mit zu sich nach Hause, hat seinen Spaß mit ihr. Selten bis nie erwischt er dabei eine glatte zehn. Deswegen widmet er sich immer wieder seiner wahren Leidenschaft, klappt nach beendeten Bettspielchen seinen Laptop auf und schaut sich die Zehner Ladies in Online Porno-Videos an. Immer und immer wieder treibt Jon seinen Taschentuch-Konsum in die Höhe. Sein Rekord liegt dabei bei zehn Mal Wichsen an einem Tag. Bis eine echte Zehn in sein Leben tritt, die ihn – ohne das er sich wehren kann – gänzlich umkrempelt. Barbara (Scarlett Johansson) verwandelt den kleinen Macho in einen spießigen Normalbürger, formt den jungen Mann ganz nach ihren Wünschen. Dem steht nur noch seine Pornosucht im Wege, von der er sich selbst nach einer Nacht mit dieser Traumfrau nicht lossagen kann.
Don Jon hält Ausschau nach Frauen.
Das entwickelt sich unter der Regie von Gordon-Levitt in eine illustre Komödie, nimmt nur äußert selten ernste Töne an, obgleich die Botschaft im Hintergrund immer wieder auf das dramatische Problem der verwaschenen Liebesdefinition Aufmerksam machen möchte. Gordon-Levitt gibt sich eher der Leichtigkeit hin. Höchst amüsant erklärt Jon zu Beginn die Vorteile eines Pornos gegenüber dem echten Sex, niemals fällt hier überhaupt der Begriff der Liebe. Erst später, wenn sich der Macho spöttisch-zynisch über Barbaras Ausführung des „Liebe machens“ äußert, taucht diese Liebe überhaupt erst auf. Vorher ist es einfach nur Sex. Im Direktvergleich stellt Jon heraus, dass Titten wie Ärsche in seinen kleinen Filmchen wie auch im realen Leben durchaus gleichwertig daherkommen, aber bei den praktischen Ausführungen doch zahlreiche Vorteile bei den Sexclips vorzufinden sind. Hier geben die Frauen noch ordentliche Blowjobs, man(n) erfreut sich an abwechslungsreichen Sexstellungen fernab der klassischen Missionarslangeweile und die Frauen lassen es auch zu, dass man sorglos auf ihnen abspritzt, ohne sich Hasstiraden der Widerlichkeit einzufangen. Das klingt, wenn Don Jon es erklärt, als seien diese Frauen für ihn real gewordene Fantasien, nicht nur irgendwelche gefilmten Idealbilder für Männer. Verwirrt und stutzig blickt er drein, wenn man ihm später sagen wird, dass hier alles nur vorgetäuscht wird. Mit einem ungläubig-süffisanten Lächeln tut er diese Aussage mit einem Kopfschütteln ab.
Seine Absolution für diese Dinge findet er in der Kirche, wo er regelmäßig in den Beichtstuhl tritt und sich Ave Marias und das Vater Unser als Wiedergutmachung für seine Sünden aufbürden lässt. Diese sagt er dann nebenher beim Muskeltraining auf, objektiviert die Kirche ebenso wie er es mit anderen Dingen tut. Hier gibt er noch durch und durch den unausstehlichen Macho, der ein schnelles Leben mit schnellem Sex und schnellem Auto führt, dass ihm wie sein Körper, die Kirche oder eben die Frauen auf einer Ebene des Objekts durchaus wichtig ist. Dieses schnelle Leben zeigt Gordon-Levitt mit ebenso schnellen Schnitten. Binnen weniger Minuten flirtet Jon zu bester Aufreißermusik die Frauen an, mit seinem durchdringenden Blick, zerrt sie dann in ein Taxi, kutschiert sie zu sich nach Hause, vögelt sie, sitzt wieder am Laptop und das Spiel beginnt von vorne. Erst mit dem Auftauchen von Scarlett Johansson, man hat sie für den Film zu einer Zehn erhoben, gewinnt die Ruhe in Don Jons Leben die Oberhand. Schon beim ersten Date der beiden wird der Begrüßungskuss auf die Wange in all seiner Langsamkeit gezeigt. Die Slow Motion dieser Szene mit der romantisch verliebten Musik, die den Macho-Klängen von zuvor den gar aus macht, steht im argen Kontrast zu allem was bisher diesen Womanizer charakterisiert hat. Das klingt natürlich erst einmal gut und vernünftig. Offenbar gibt es also dort draußen eine Frau, die aus dem jungen Mann etwas Ordentliches herausholen kann. Nun ist Barbara selbst aber auch nicht unbedingt die Idealvorstellung einer Frau, mag zwar äußerlich einer Zehn recht nahe kommen, doch leider verflüchtigt sich diese Vorstellung schnell, beginnt sie erst einmal zu reden. Ihre Liebesvorstellung entspringt den Hollywoodschnulzen, in denen der Mann sich aufopferungsvoll um die Frau kümmert, ihr jeden Wunsch von den Lippen abliest, seine Ideale, seine Interessen gänzlich fallen lässt, um der Frau ein gutes Leben zu bieten. Scarlett Johansson spielt ihre Barbara als große Prinzessin, immer abstoßend am Kaugummi kauen, immer etwas nörgelig forsch gegenüber ihrem neu gefundenen Mann. Sie würde vermutlich gerne ein kleines Krönchen auf dem Kopf tragen, wenn sie durch ihr gänzlich in Pink gehaltenes Heim stolziert.
Der Film gewährt zumindest Jon die charakterliche Entwicklung, lässt Barbara dabei zurück. Joseph Gordon-Levitt spielt sich vom überheblichen Frauenaufreißer zum Normalo, der auf einmal zur Abendschule geht und es wieder zu mehr in seinem Leben bringen möchte als nur jeden Abend eine andere Frau aufzugabeln. Sogar den Pornos kann er dann entsagen. Barbara wird derweil ihr Leben lang weiter auf die Hollywoodproduktionen hereinfallen, sich von dieser fantastischen Vorstellung der Liebe leiten lassen, weiterhin auf der Suche nach dem Mann, der diese Erwartungen erfüllen kann. Die Kritik, die der Film hier ausübt, ist nicht zu übersehen, zu fokussiert ist die Kamera auf jedes Objekt, das den Menschen die Liebe erklären möchte.