Mit etwa 10.000 Räumungsklagen, bis zu 7.000 festgesetzten Räumungsterminen und völlig überfüllten Unterkünften sind Zwangsräumungen und Wohnungsnotlagen in den letzten Jahren in Berlin längst kein gesellschaftliches Randphänomen mehr und haben sich zum ständigen Begleiter der Aufwertungsdynamiken in der Stadt entwickelt. Angesichts der 85.000 Bedarfsgemeinschaften im SGB II und SGB XII, die schon jetzt Mieten über den Bemessungsgrenzen für die Kosten der Unterkunft zahlen, ist eine weitere Zunahme von Mietrückständen, Räumungsklagen und Wohnungsnotlagen zu erwarten.
Unsere Untersuchung zur Rolle von Institutionen und Behörden an den Zwangsräumungen haben ein erhebliches Maß an staatlicher Ko-Produktion von Zwangsräumungen aufgedeckt. Mit ihrer repressiven Anwendung der Hartz-IV-Gesetze in allen Fragen der Wohnkostenübernahme aber auch durch die Verschleppung der Bearbeitung von Anträgen zur Mietschuldenübenahme bis hin zu Fehlüberweisungen von Mieten tragen die Jobcenter die Verantwortung für einen großen Teil der Zwangsräumungen in der Stadt. Auch die landeseigenen Wohungsbaugesellschaften haben sich zu einer festen Größe des Berliner Räumungsgeschehens entwickelt. Fast 20 Prozent aller Räumungen in den letzten Jahren wurden von den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften erwirkt. Im Durchschnitt werden die Gerichtsvollzieher/innen 20 mal pro Woche im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaften aktiv.
Neben einem umfassenden Scheitern der Hilfesystems haben wir auch einen engen Zusammenhang zwischen Mietentwicklung und Zwangsräumungen bzw. erzwungenen Umzügen festgestellt:
Die Räumungsneigung steigt mit den Ertragserwartungen: Je höher die in Aussicht stehenden Neuvermietungsmieten sind, desto konsequenter nutzen Vernmieter/innen Mietrückstände und andere Kündigungsanlässe zur Räumung der Wohnungen. Insbesondere die klassischen Instrumente der sozialen Wohnhilfe wie etwa die Mietschuldenübernahme greifen dann nur noch in Ausnahmefällen, da die Gewinnerwartungen der Neuvermietung über den Nachzahlungen der Mietrückstände liegt.
Mit den steigenden Mieten verändern sich die Kündigungsanlässe: Galten lange Zeit Mietrückstände als der zentrale Grund für die Kündigung von Mietverhältnissen, zeigt sich insbesondere in den Aufwertungsgebieten Mitte, Kreuzberg-Friedrichshein, aber auch in Charlottenburg-Wilmersdorf eine veränderte Situation. Die große Differenz zwischen der Anzahl von Kündigungsklagen und den gestellten Anträgen auf eine Mietschuldenübernahme verweist auf einen höheren Anteil von sonstigen Kündigungsbegründungen und/oder eine veränderten Sozialstruktur der Haushalte in Wohnungsnotlage.
Zwangsräumungen haben sich zu einem Instrument der Ertragslückenschließung entwickelt: Die aus der Gentrification-Forschung bekannte Ökonomie der Verdrängung (rent gap) kann auch im Bezug auf die Zwangsräumungen die ve
Neben aller Verantwortung der repressiven Sozialgesetzgebung und der überforderten Institutionen des Hilfesystems, zeigt unsere Studie deutlich, dass es (auch) die veränderten Ertragserwartungen sind, die den Räumungsdruck in der Stadt verschärfen.
Pressespiegel zur Veröffentlichung der Studie:
Berliner Zeitung (17.04.2015): Berlin ist Hauptstadt der Räumungsklagen
Der Tagesspiegel (18.04.2015): Immer mehr Zwangsräumungen in Berlin
Berliner Kurier (20.04.2015): Ruckzuck raus! Berlin ist die Hauptstadt der Räumungsklagen
taz (20.04.2015): Forscher empfehlen Widerstand
rbb (23.04.2015): Studie: Jobcenter beschleunigen Gentrifizierung
Neues Deutschland (23.14.2015 ): Studie: Jobcenter verursachen die meisten Zwangsräumungen
Berliner Morgenpost (23.04.2015): Berlin ist die Hauptstadt der Zwangsräumungen
Der Tagesspiegel (24.04.2015): Kinder von Räumungen besonders betroffen
Neues Deutrschland (24.04.2015): Denkzettel für Mietpreistreiber