Berlin: Wohnungspolitische Mogelpackungen zu Weihnachten

Von Andrejholm

Die Weihnachtsfeiertage sind ja traditionell der Zeit der Geschenke und auch die Berliner Wohnungspolitik ließ sich in diesem Jahr nicht lumpen. Am 19. Dezember verkündete Stadtentwicklungssenator Müller eine Mietobergrenzen für 35.000 Sozialwohnungen in problematischen Großsiedlungen (Berliner Zeitung: “Preisstopp für Berliner Sozialbauten“) und schon einen Tag zuvor beschloss das Bezirksamt Pankow den Pressemeldungen zufolge ein Verbot für Luxussanierungen (Berliner Zeitung: “Pankow verbietet den Luxus“; Berliner Morgenpost: “Pankow stoppt Luxussanierungen” und Prenzlauer Berg Nachrichten: “Luxusverbot für Prenzlauer Berg“).

Mietobergrenzen für Sozialwohnungen und strenge Sanierungsauflagen klingen angesichts der weiter steigenden Mieten und des Verdrängungsdruckes in weiten Teilen der Stadt erst einmal sinnvoll. Ein Blick auf die Details lässt jedoch an der Ernsthaftigkeit der Vorschläge zweifeln.

Mietobergrenzen für die Mittelschicht?

Die erst durch den monatelangen Protest erzwungenen Mietobergrenzen für die Sozialwohnungen in den sogenannten problematischen Großsiedlungen sind mit 5,50 bzw. 5,70 Euro/qm viel zu hoch und werden in vielen Fällen über den KdU-Bemessungsgrenzen der Jobcenter liegen, die schon jetzt fleißig Kostensenkungsaufforderungen an Sozialmieter/innen verschicken. Ausführlicher dazu eine Stellungnahme von Kotti&Co. zu den aktuellen Regelungen: “Mietsenkungen für 35.000 Haushalte erkämpft“. An Beispielen von GSW-Mieter/innen in Kreuzberg zeigt die Initiative, dass die jetzt verkündeten Mietobergrenzen das Verdrängungsproblem nicht lösen werden. Im Text heisst es:

“Nicht nur die Mittelschichten, sondern alle Menschen haben ein Recht auf Leben in der Berliner Innenstadt. (…) Wir fordern weiterhin eine Mietsenkung auf 4,-€ nettokalt, wenn Verdrängung wirklich verhindert werden soll.”

Zahnloser Milieuschutz als bissigen Tiger verkauft

Ganz ähnlich steht es um die vom Bezirksamt Pankow beschlossenen Auflagen in den Milieuschutzgebieten. Was als in Berlin einmalige Regelung verkauft wird (Berliner Zeitung: “ in keinem Bezirk gelten so rigide Vorschriften”) stellt in vielen Aspekte eine Aufweichung der bisher geltenden Regelungen dar.

Claudia Fuchs fasst in der Berliner Zeitung die Neuregelungen zusammen:

“Verboten sind ab Januar der Einbau eines zweiten Bades, Fußbodenheizung, Innenkamin, separate Auto-Stellplätze, ein zweiter Balkon und Wärmedämmungen, so sie nicht unbedingt nötig sind.”

Die Morgenpost ergänzt: “Und vor allem sollen nicht weiter kleine Wohnungen verschwinden, indem mehrere zu großen Einheiten zusammengelegt werden.”

Zur Erinnerung: In den Sanierungs- und Erhaltungssatzungsgebieten des Bezirkes galten auch bisher Auflagen bei der Genehmigung von Modernisierungsmaßnahmen. Ein Vergleich der bisherigen mit den aktuellen Prüfkriterien zur Genehmigung zeigt, dass künftig eigentlich nichts untersagt wird, was bisher erlaubt war.

Beispiel Dachgeschossausbauten. In den bereits bestehenden und neu angekündigten Reglungen heisst es:

Der Ausbau von Dachgeschossen, mit Ausnahme von Maisonettelösungen, und die Nutzungsänderung von bestehenden Gewerbeeinheiten stellen keine Versagungsgründe dar

Beispiel Nutzungsänderung von Wohnraum. Auch hier gibt es faktisch keine Unterschiede:

2009: Die Nutzungsänderung von Wohnraum ist dann kein Versagungsgrund, wenn es sich um unbewohnte Wohnungen in Erdgeschosslage handelt, die den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht genügen.

2013: Nutzungsänderungen von Wohnraum in Gewerbe sind nicht genehmigungsfähig. Ausnahmen (…) sind dann zulässig, wenn die Wohnräume aufgrund ihrer Lage nur eingeschränkt zum längerfristigen Wohnen geeignet sind, z.B. aufgrund unzumutbarer Lärmeinwirkung, unzureichender Belichtung oder Belüftung.

Beispiel Grundrissänderung und Zusammenlegung von Wohnungen. Auch hier beschränken sich die Unterschiede auf Formulierungsfeinheiten:

2009: Grundrissänderungen und die Zusammenlegung von Wohnungen sind keine Versagungsgründe, wenn der Einbau eines zeitgemäßen Bades in einer einzelnen Wohnung auf Grund der Größe oder der Grundrissgestaltung nicht möglich ist und wenn die Maßnahme zur Sicherung gesunder Wohnverhältnisse (…) erforderlich ist.

2013: Grundrissänderungen und die Zusammenlegung von Wohnungen sind nicht genehmigungsfähig. Ausnahmen sind dann zulässig, wenn der Einbau eines zeitgemäßen Bades in einer einzelnen Wohnung auf Grund der Größe oder der Grundrissgestaltung nicht möglich ist und wenn die Maßnahme zur Sicherung gesunder Wohnverhältnisse erforderlich ist.

Beispiel Ausstattungsstandard: Deutliche Unterschiede weisen die Regelungen im Bereich der Genehmigungskriterien für Modernisierungsmaßnahmen auf. Beide Regelungen genehmigen alle Baumaßnahmen, die sich an einem zeitgemäßen und durchschnittlichen Ausstattungsstandard orientieren. Doch statt der konkreten Auflistung der genehmigungsfähigen Maßnahmen (2009) heisst es in der aktuellen Reglung nur noch schwammig:

2013: Änderungen baulicher Anlagen, die den zeitgemäßen Ausstattungsstandard durchschnittlicher Wohnungen überschreiten, sind nicht genehmigungsfähig

Schon jetzt ist abzusehen, dass die “durchschnittliche Ausstattung” viel Interpretationsspielraum bietet.

Zugleich wird in beiden Regelungen eine Reihe von nicht genehmigungsfähigen Maßnahmen benannt. Die Unterschiede hierbei sind gravierend:

2009:

  • Wohnungen hinsichtlich der Wohnfläche (über 130 qm) und Zuschnitt (einschließlich Maisonettewohnungen)
  • Sanitärausstattungen mit Wanne und Zusatzdusche, Zweit-WC, Badmöbel
  • Einbauküchen, sonstige Einbaumöbel
  • Hochwertige Bodenbeläge (Parkett/Laminat, hochwertige Teppich- und
  • Fliesenböden u. Ä.)
  • Aufwändige Decken- und Wandverkleidungen
  • Schallschutzfenster ohne Nachweis der Erforderlichkeit
  • Schaffung von Balkonen, Loggien, Terrassen und Wintergärten mit mehr als 5,00 qm Fläche
  • Ein- bzw. Anbau von Aufzügen, sofern sie nicht nach der BauO Bln gefordert werden.
  • zur Wohnung gehörige(r) Garage/Stellplatz.

2013:

  • Einbau eines zweiten Bades/Dusche oder WC´s. Ausnahmen sind als Einzelfallregelung in Wohnungen mit vier oder mehr Wohnräumen möglich
  • Einbau einer Fußbodenheizung, Einbau eines Innenkamins
  • Schaffung von Balkonen, Loggien, Terrassen und Wintergärten, wenn die Wohnung bereits einen Balkon oder eine Terrasse aufweist
  • Schaffung von zur Wohnung gehörigen Stellplatzanlagen
  • Wärmedämmmaßnahmen, es sei denn, sie sind zur Erreichung der Ziele der EnEV in der jeweils gültigen Fassung unabdingbar, Gegenstand einer öffentlichen Fördermaßnahme oder aus sonstigen Rechtstatbeständen zwingend durchzuführen.

Kurz zusammengefasst: Aufzüge sind erlaubt, Energetische Sanierungen nur noch, wenn nachweislich energetische Einsparungen herausspringen. Doch während sich die bisherige Regelung an den zusätzlichen – und damit mietwirksamen – Sonderausstattungen des Mietspiegels orientierte, will die künftige Regelung nur noch ein zweites Bad oder einen zweiten Balkon untersagen. Für das Ziel, preiswerte Wohnungen zu erhalten, erscheint ein unmittelbarer Mietspiegelbezug überzeugender. Umso verwunderlicher dass die aktuellen Beschlüsse in der öffentlichen Darstellung als ein Endlich-tut-mal-jemand-was verkauft wird.  Alles in allem (mit Ausnahme der notwendigen Ergänzung um energetische Sanierungen) ein seichter Aufguss von Reglungen, die schon in der Vergangenheit die Verdrängung nicht wirksam einzudämmen vermochten.

(Für die Synopse der bisherigen und künftigen Regelungen gilt mein Dank Michail Nelken, der die Genehmigungskriterien Zeile für Zeile verglichen hat)