Berlin: Wer heute Jugendtheater schließt, kann morgen die Gentrification legitimieren

Berlin: Wer heute Jugendtheater schließt, kann morgen die Gentrification legitimierenDie Aussicht auf höhere Mieteinnahmen hat das Bezirksamt in Berlin Mitte dazu veranlasst, dem  Jugendmusiktheater ATZE im Wedding den Vertrag zu kündigen. Sabine Weißler (Grüne), ihres Zeichens  Kulturstadträtin des Bezirks hat dem Theater am 16. April den Beschluss über die Nichtverlängerung des Mietvertrages übermittelt. In einer Pressemitteilung des ATZE-Theaters dazu heisst es:

 Der Vertrag endet somit zum 30. April 2014. Das ATZE Musiktheater verfügt ab diesem Zeitpunkt über keine Spielstätte mehr. Damit besteht bereits im Laufe der kommenden Spielzeit 2013/14 keine Planungssicherheit mehr. Dies gefährdet die Zukunft eines der erfolgreichsten Berliner Theaterprojekte für Familien und Kinder massiv.

Nicht nur für die über 80 Angestellten, Honorarkräfte, Schauspieler/innen und Musiker/innen würde das Aus des größten Jugendmusiktheaters der Stadt einen herben Verlust darstellen. Auch für die vielen Schulen aus der Umgebung würde ein wichtiges Kulturangebot verloren gehen.

Das ATZE-Team hat mittlerweile eine Online-Petition eingerichtet und bittet um Unterstützung.

Das ATZE Musiktheater fordert den Bezirk auf eine Vertragsverlängerung bis mindestens Ende 2015 zuzusichern und ein klares Bekenntnis abzugeben, ATZE definitiv am bisherigen Standort halten zu wollen

Was sich liest wie die übliche Kürzungspolitik im Kulturbereich, ist eine stadtpolitische Provokation.

Während Stadt- und Bildungspolitiker/innen sonst immer wieder gerne die Ansiedlung von Kultur als Allheilmittel für die Stadtteilentwicklung von benachteiligten Nachbarschaften verkaufen, soll hier eine der wenigen kommunalen Infrastrukturen in einer der ärmsten Nachbarschaften Berlins weggekürzt werden. Vermutlich werden die selben Stadträte, die heute dem ATZE kündigen, morgen nach der Mittelklasse rufen, um das kulturelle Notstandsgebiet Wedding vor der Verwahrlosung zu retten.

Die Begründung für die versagte Vertragsverlängerung liest sich wie ein Schildbürgerstreich: Das mit 690.000 Euro subventionierte Theaterprojekt konnte die bezirkseigenen Räume bisher für den symbolischen Mietpreis von 1 Euro nutzen.  Damit soll jetzt Schluss sein: Der Bezirk will zur Marktmiete vermieten. Um dem Bezirk diese Mieteinnahmen zu ermöglichen, müssten die Zuschüsse für das Atze-Theater nocheinmal deutlich erhöht werden.

Hä??? Das Theater soll also schließen, weil die Öffentliche Hand an sich selbst Miete zahlen soll und dieses Geld aber nicht aufbringen kann?

Im Berliner Tagesspiegel wird vermutet, dass der chronisch klamme Bezirkshaushalt auf diese Weise mit Geldern aus der Landeskasse aufgepäppelt werden soll. Doch die ebenfalls in dem Artikel veröffentlichte Aussage “Denkbar sei auch, dass das Land das Gebäude übernehme” – will nicht so recht zu dieser Erklärung passen: Keine Einnahmen könnte der Bezirk ja auch mit dem Atze-Theater haben.

Berlin: Wer heute Jugendtheater schließt, kann morgen die Gentrification legitimierenAber vielleicht haben die Damen und Herren Bezirkspolitiker/innen ja die Entwicklung im Wedding auch nur konsequent zu Ende gedacht. Wenn nach dem nächsten Mietspiegel die Mieten auch im Wedding kräftig anziehen werden, bleibt den armen Haushalten ja eh kein Euro fürs Theater…

Bleibt eigentlich nur zu hoffen, das Petitionen und Protest doch noch erfolgreich sind. Die Walpurgisnachtdemonstration am 30. April (20:30 | Behmstraße/Badstraße) hat zumindest das vielversprechende Motto: “Nimm was dir zusteht”. Ich würde sagen: das ATZE-Theater gehört da unbedingt dazu.



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