Ich war vergangene Woche zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschuss in den Deutschen Bundestages geladen. Zur Debatte standen drei Anträge zur Reform des Mietrechts. Die Macht der Immobilien-Verwertungs-Koalition spiegelte sich in der Zusammensetzung der geladenen Expert/innen wider: Den drei Verbandsvertreter verschiedener Immobilienverbände (IVD, Haus&Grund, Bundesarbeitsgemeinschaft der Immobilienwirtschaft) stand allein Herr Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund als institutioneller Interessenvertreter gegenüber – dazu eine Handvoll Juraprofessoren, ein ehemaliger Richter, eine praktizierende Richterin und ein Sozialwissenschaftler.
Thema der Aussprachen waren neben Fragen zur Regelung von Mietminderungsansprüchen und des Umgangs mit nach Vertragsabschluss festgestelten Abweichungen der Wohnungsgröße vor allem die aktuellen Debatten um die Einführung einer Mietenbremse. Wenig überraschend hielten die Eigentümervertreter relativ wenig von der Begrenzung der Wiedervermietungsmieten. Die am häufigsten gebrachte Begriff des Abends war: “investitionsfeindlich”. Gelabelt wurde damit eigentlich jeder Eingriff ins Mietrecht, der unmittelbare oder auch nur indirekte Effekte auf die Höhe potentieller Mieterträge haben könnte: Kappung der Modernisierungsumlage: investitionsfeindlich! Begrenzung der Mieterhöhungsmöglichkeiten in bestehenden Mietverträgen: investitionsfeindlich! Kappung der Wiedervermietungsmieten: investitionsfeindlich und Gift für alle Wohnungssuchenden! Letztendlich glich es der Drohung eines Investitions-Streiks: “Wenn ihr eine solche Mietbegrenzung einführt – hören wir auf zu bauen.”
In meiner Stellungnahme habe ich versucht zu erklären, warum eine Kappung der Wiedervermietungsmieten auch auf den Neubau einen positiven Einfluss haben wird. Simple Idee dabei:
Ökonomisch rational getroffen Investitionsentscheidungen können als Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ertragserwartungen und Risiken angesehen werden. Eine Minderung von Ertragserwartungen im Bestand müsste entsprechend die Attraktivität von Neubauinvestitionen stärken.
Zur Begründung der These habe ich ein paar Zahlen zum Grundstückshandel in Berlin zusammengetragen, die zeigen:
Mit steigenden Mietpreisen und hohen Wiedervermietungsaussichten stieg die Zahl des Erwerbs bebauter Grundstücke – zugleich reduzierten sich die Ankauffälle potentieller Baugrundstücke und die Bautätigkeit. Je höher die Lücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten, desto größer die Anteil der wohnungswirtschaftlichen Investitionen, die in den Bestand fließen.
Die Vertreter der Eigentümerverbände wollten dem nicht so recht folgen, hatten aber außer Verwahrlosungsszenarien (weil es dann keine Anreize mehr gäbe, die Wohunng in Schuss zu halten) wenig Argumente. Lukas Siebnkotten vom Deutschen Mieterbund wollte keine Stellung beziehen, fand den Gedankengang aber zumindest interessant und will der Sache nachgehen.
Zur ausführliche Stellungnahme…
Stellungnahme Anhörung Rechtsausschuss: „Bezahlbare Mieten in Deutschland“ (am 26.06.2013)
von Andrej Holm
Einleitung: Deutschland ist auf dem Weg zum Eigentümer-Land, doch in den Großstädten wohnen nach wie vor über 75 Prozent der Bewohner/innen zur Miete. Stadtentwicklungsfragen und insbesondere Fragen der Wohnungsversorgung sind daher zu allererst Mietwohnungs-fragen.
Kontext und Problem: Seit einigen Jahren haben steigende Mieten in vielen Groß- und Universitätsstädten für wachsende Teile der Bevölkerung den Zugang zur Wohnungsversorgung und insbesondere zu preiswerten und angemessenen Wohnungen erschwert. Die Wohnungsfrage ist in vielen Städten wieder zu einem zentralen Thema der Stadtpolitik geworden. In diesem Zusammenhang stehen vor allem drei Themenfelder im Mittelpunkt der Diskussion:
- Soziale Fragestellungen der Wohnungsversorgung: Gibt es ausreichend Wohnungen für alle Haushalte? Gibt es ausreichend bezahlbare und angemessene Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung? Gibt es auseichend Wohnungsangebote für diejenigen, die sich nicht selbst am Markt mit Wohnungen versorgen können?
- Sozialräumliche Fragen der Segregation: Wie sind insbesondere preiswerte Wohnungen in den Städten verteilt? Haben alle gesellschaftlichen Gruppen einen gleichberechtigten Zugang zu den Wohnungsversorgungssystemen? Begünstigt oder bremst das lokale Wohnungsangebot die Tendenzen der sozialräumlichen Polarisierung?
- Verdrängung im Kontext von Gentrifizierungs-Prozessen: Führen Wohnungsmarktentwicklungen zu Aufwertungstendenzen in den Städten, die mit der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsgruppen verbunden sind?
Im Zentrum der zurzeit diskutierten Wohnungsfrage stehen also vor allem soziale Aspekte der Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung.
Lösungsvorschläge: Die fachlichen, öffentlichen und politischen Debatten oszillieren im Zusammenhang der sozialen Aspekte der Wohnungsfrage um zwei zentrale Themenbereiche, in denen Lösungspotentiale für die Sicherstellung einer sozialen Wohnungsversorgung gesehen werden.
- Neubau: Wie können genügend und bedarfsgerechte neue Wohnungen geschaffen werden? Ein vielfach vorgebrachtes Argument dabei sind die Marktmechanismen, von denen erwartet wird, dass die Ausweitung des lokalen Wohnungsangebots zu einer Entspannung der Mietpreisdynamiken führt.
- Bestandserhalt: Wie können preiswerte Mietpreise im Bestand erhalten werden? Insbesondere gilt dies für die bisher preiswerten Altbauwohnungen, ehemalige Sozialwohnungen und Wohnungen der Siedlungsbauten aus den 1920er bis 1960er Jahren, in denen die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre die stärksten Steigerungsdynamiken aufwiesen.
Als Lösungsvorschläge diskutiert und auch Gegenstand der hier vorliegenden Anträge werden dabei u.a.:
- die Kappung der Mieterhöhungsmöglichkeiten in bestehenden Mietverhältnissen (SPD: 15% in vier Jahren / LINKE: Kappung der Nettokaltmiete bei 30% des Nettohaushaltseinkommens),
- die Einführung von Kappungsgrenzen für Wiedervermietungsmieten (Orientierung an ortüblicher Vergleichsmiete) und
- eine Beschränkung der Modernisierungsumlage (SPD: Begrenzung auf 9% p.a. / LINKE: auf 5% p.a.).
Reichweite der vorgeschlagenen Instrumente:
Was ist aus der Perspektive einer sozialen Stadtentwicklung bzw. sozial orientierten Wohnungsversorgung von den vorliegenden Vorschlägen zu halten?
Begrenzung Mieterhöhungen im Bestand: Die von Mietsteigerung betroffenen Haushalte sind oft schon jetzt an der Grenze ihrer Mietzahlungsfähigkeit. Hier ist vielfach eine Begrenzung der Mietkosten und nicht der Mieterhöhung notwendig. Ohne zusätzliche Entlastungen bzw. ein generelles Mietpreismoratorium für diese Haushalte können die sozialen Intentionen des Instrumentes nicht erreicht werden.
Kappung der Wiedervermietungsmieten: Diese Maßnahme würde nicht nur Druck aus dem Markt nehmen, sondern zugleich die Anreize für einen Mieterwechsel verringern. Überall dort, wo hohe Ertragslücken zwischen Bestands- und Wiedervermietungsmieten bestehen, sind ins-besondere Mieter/innen in preiswerten Wohnungen einem verschärften Verdrängungsdruck ausgesetzt, da viele Eigentümer/innen versuchen, die potentiell möglichen Einnahmen im Zuge eines Mieterwechsels zu realisieren. In Städten wie Berlin sind in den vergangene Jahren immer wieder Beispiele bekannt geworden, in denen fiktive Modernisierungs-ankündigungen und Eigenbedarfskündigungen an die Mieter/innen geschickt wurden, um nach dem Auszug die Wohnung ohne wesentliche bauliche Verbesserung zu deutlich höheren Preisen zu vermieten.
à Beschränkung der Modernisierungsumlage: In diesem Zusammen-hang stellt sich die grundsätzliche Frage nach den ökonomische Motiven der Modernisierungsumlage: Geht es um Refinanzierung der mit den Modernisierungsarbeiten verbundenen Kosten oder um eine langfristige Ertragssteigerung. Unabhängig von den Reglungen zur Höhe der jährlichen Umlage sollten die Mieterrechte gestärkt werden, auch um modernisierungsbedingte Verdrängungen zu vermeiden.
Auswirkungen von Mietrechtsänderungen auf den Neubau
Welche Auswirkungen der hier vorliegenden Anträge sind für die (von vielen Seiten als notwendig erachteten) Neubauinvestitionen zu erwarten?
Da sich die in den Anträgen vorgeschlagenen Reglungen ausschließlich auf die Bestandswohnungen und das dortige Wiedervermietungs-geschehen beziehen, sind keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Neubauaktivitäten zu erwarten.
Als eine indirekte Auswirkung könnten die vorgeschlagenen Einschrän-kungen der Verwertungsmöglichkeiten im Bestand immobilienwirtschaft-liche Investitionen stärker als bisher in den Neubausektor lenken. Ökonomisch rational getroffen Investitionsentscheidungen können als Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ertragserwartungen und Risiken angesehen werden. Eine Minderung von Ertragserwartungen im Bestand müsste entsprechend die Attraktivität von Neubauinvestitionen stärken. Mietrechtliche Instrumente können dazu beitragen, das Wohnungsmarktparadox aufzuheben, welches beinhaltet, dass gerade in aufgeheizten Wohnungsmärkten die Neubautätigkeit im Verhältnis zur Nachfrage sinkt. Steigende Bestandsmieten und günstige Ertrags-aussichten bei Neuvermietungen lassen vielerorts die Investitionen in den Bestand attraktiver erscheinen, als Investitionen in den Neubau.
Ein Berliner Beispiel zeigt: Mit steigenden Mietpreisen und hohen Wiedervermietungsaussichten stieg die Zahl des Erwerbs bebauter Grundstücke – zugleich reduzierten sich die Ankauffälle potentieller Baugrundstücke und die Bautätigkeit. Je höher die Lücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten, desto größer die Anteil der wohnungswirtschaftlichen Investitionen, die in den Bestand fließen.
Tab. 1: Grundstückshandel und Wiedervermietungsmieten in Berlin 1991-2012
Kauffälle p.a.
Umsatz p.a. in Euro
Index bebaute Grundstücke
(unbebaut = 100)
Differenz Bestand/
Wieder-vermietung
unbebaut
bebaut
unbebaut
bebaut
Kauffälle
Umsatz
1991 bis 1999
2.297
4.007
1.223 Mio.
3.339 Mio.
174
273
k.A.
2000 bis 2009
2.094
4.588
658 Mio.
3.665 Mio.
219
557
30%
Seit 2010
1.866
4.808
667 Mio.
4.588 Mio.
258
688
47%
Quellen: Gutachterausschuss Berlin, IVD-Marktspiegel, Sonderauswertung ImmobilienScout24, Mietspiegel Berlin und eigene Berechnungen
Die Daten zum Grundstückshandel in Berlin verweisen für die Jahre 2010 bis 2012 auf eine weitgehende Entkopplung der Transaktions-volumen zwischen bebauten Grundstücken und potentiellen Baugrund-stücken. Betrug der Umsatz mit bebauten Grundstücken in den 1990er Jahren etwa das 2,7fache der Umsätze von unbebauten Grundstücken, hat sich dieses Verhältnis auf das 6,9fache (seit 2010) verschoben. Die deutliche Ausweitung der Ertragslücke zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten (im Durchschnitt 47 Prozent) hat zu einer Konzentration immobilienwirtschaftlicher Investitionen im Wohnungs-bestand geführt.
Fazit: Wer eine soziale Wohnungsversorgung im Bestand sichern und durch Neubauinvestitionen verstärken will, kommt um die Einschränkung von Verwertungsmöglichen im Bestand nicht umhin. Neben dem Schutz der Bestandsmieter/innen durch Mieterhöhungsbegrenzungen und gekappte Modernisierungsumlagen ist insbesondere die Kappung der Wiedervermietungsmieten ein geeignetes Instrument für die langfristige Sicherung einer sozialen Stadtentwicklung.