Wenn Wunderheiler zur Tat schreiten: Fördern ohne Geld
Auf Seite 1 der Zeitung wird verkündet, dass SPD-Chef Jan Stöß die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften stärker in die Pflicht nehmen will.
“Bauen ist der Daseinszweck der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften” sagte Stöß. “Das sind Bau- keine Verwaltungsgesellschaften.” Mit einer neuen Förderung solle der Senat den Bau von jährlich mindestens 5.000 Wohnungen unterstützen.
Auch private Investoren sollen sich an der Wohnungsversorgung mit preiswerten Mietwohnungen beteiligen:
Sie sollen angehalten werde, in ihren Häusern einen Anteil von etwa 30 Prozent bezahlbaren Wohnraums zu schaffen, und zwar mit einer Belegungsbindung.
Im Lokalteil der Berliner Zeitung dann ein ausführliches Interview mit dem Landesvorsitzenden der Berliner Sozialdemokratie. Der kämpferische Titel “Es ist lange genug geredet worden” lässt auf ein paar praktische Vorschläge zur Umsetzung der verkündeten Ziele hoffen. Aber nein. Statt wohnungspolitische Instrumente vorzustellen, schimpft Stöß auf die Neubauverhinderer an der East Side Gallery und käut die Wir-brauchen-mehr-Neubauten-Litanei der Bauwirtschaft wider.
Das Problem ist doch ein anderes: Kaum wird eine Bauabsicht angezeigt, gründet sich eine Bürgerinitiative. Da müssen alle umdenken. Wenn jedes Jahr 40.000 Menschen neu in die Stadt kommen, reicht es nicht, zu sagen: Wir wollen die Mieten deckeln. Wir müssen auch mehr Wohnraum schaffen. Die SPD muss die große Bürgerinitiative für Wohnungsbau sein.
Sich die ehemals sozialdemokratische Volkspartei als Bürgerinitiative im Interesse der Bauwirtschaft vorzustellen, fällt schwer genug, Doch die größte Überraschung bietet seine Kritik an den bisher kursierenden Planen für ein neuaufzulegendes Förderprogramm (50 Mio. Euro jährlich für 1.000 Wohnungen). Stöß dazu im Interview:
Es ist mit 50 Millionen Euro jährlich nicht billig und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Pro Jahr sollten mindestens 5 000 bezahlbare Wohnungen gefördert werden. Wir brauchen eine intelligente, zielgerichtete Förderung. (…) Durch eine gezielte Zinssubventionierung ließe sich für zehn Millionen Euro jährlich ein effektives Förderprogramm anstoßen.
Noch mal zum Mitschreiben: Ein Fünftel weniger ausgeben und fünfmal soviel Wohnungen fördern. Das klingt nicht nur unrealistisch, sondern ist es auch. Verwunderlich auch, dass die Berliner Zeitung, die den SPD-Chef gleich mit zwei Journalist/innen befragte, da nicht nachgehakt hat und stattdessen die verbalen Blendgranaten des Interview sogar mit der Überschrift adelt.
Insbesondere seinen Vorschlag der “gezielten Zinssubventionierung” dürfte Jan Stöß vermutlich selbst nicht ganz ernst nehmen. Noch im Dezember 2012 (also vor ein paar Monaten) sagte er gegenüber der Morgenpost im Interview:
Und ich weiß auch nicht, ob wir im attraktivsten Immobilienmarkt Europas und historisch niedrigen Zinsen noch obendrauf ein großes Programm aus Steuermitteln zur Zinsvergünstigung auflegen müssen. Da ist noch mehr Kreativität gefragt.
Zumindest der letzten Aussage ist wenig hinzuzufügen.