Berlin: Nyphomaniac 1

Kaum ein anderer Film wurde in den letzten Monaten mehr diskutiert und nicht wenige haben nach all dem Wirbel schmerzlich den Kinostart herbei gesehnt. Ob diese Aufregung gerechtfertigt war und nicht die Erwartungen so hoch geschraubt hat, dass sie dieser Film nicht erfüllen kann, ist dem Regisseur wahrscheinlich egal. Was man von Lars von Triers neuestem Machwerk „Nymphomaniac 1“ hingegen halten soll, weiß man wohl auch erst, wenn man im Kino war. Es ist eine kalte Nacht, die an rostige und keimig, verklebte Wände, an denen Brackwasser herunter rinnt denken lässt und an Rammstein. In einer solchen Nacht findet der alte Mann namens Seligman eine übel zugerichtete Frau auf dem Fußweg liegend. Er kümmert sich um sie und schafft sie zu sich nach Hause. Hier packt er sie ins Bett und flößt ihr warmes Essen und Getränke ein. Ob er die Polizei oder einen Krankenwagen rufen soll, verneint sie. Sie sei ein schlechter Mensch und das sei in Ordnung so. (Hat nicht ein berühmter Regisseur vor klurzem etwas ganz Ähnliches gesagt?) Seligman glaubt nicht, dass sie ein schlechter Mensch ist. Deshalb beginnt sie, ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen, um zu beweisen, dass sie doch ein schlechter Mensch ist. Dieses Leben besteht ausschließlich aus extremen, sexuellen Erfahrungen, die sie seit ihrer frühesten Kindheit sammelt. Der alte Mann zeigt sich von all den expliziten Schilderungen nicht sehr schockiert und kontert mit Analogien vom Fliegenfischen, dem Komponieren eines Orgelstückes und der Weltliteratur. Während sie also ungeniert von ihrem Leben berichtet, wird sie von ihm bemuttert und moralisch durchgefüttert. Die Story klingt ziemlich banal. Bei den meisten Pornofilmen gibt es so etwas, wie eine Story gar nicht erst und so gesehen, könnte man sagen, ist „Nymphomaniac 1“ regelrecht tiefgründig. Lange habe ich überlegt, wie dieser Film zu bewerten ist und ich bin zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Manche bezeichnen diesen Film, als ein wildes Kunstwerk, welches im Grunde nur die Gewalt und Vielfältigkeit des Lebens nachzeichnet. Lars von Treir selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen Pornofilm gedreht hat. Ich finde, so sollte ich das auch halten. Zwischen den einzelnen Kapiteln, die alle jeweils ein neues Sexabenteuer schildern, gibt es Einschübe, die sehr verkrampft wirken und an die tatsächliche Bildgewalt früherer von-Trier-Filme erinnern sollen, hier aber total unpassend daher kommen. Alles wirkt dadurch eher konfus. In einer Szene beschreibt sie ausführlich von ihrer Entjungferung, in der nächsten zitiert er den Text irgendeines romantischen Autors. Einmal wird der Zuschauer mit einer beispiellosen Galerie männlicher Geschlechtsteile bombardiert, gleich darauf mit perfekten Bildern eines spektakulären Sonnenuntergangs verwöhnt. All das kann nicht verbergen, dass es in diesem Film nur um eines geht: Um Sex. Um Sex in all seinen faszinierenden, wie auch abstoßenden Formen. Ästhetische Liebesszenen wird man hier kaum finden. So etwas gibt es in Pornofilmen nun mal nicht. Stattdessen findet man eine beeindruckend gespielte, aber leider vollkommen überflüssige Szene mit ihrem Vater, der irgendwie noch zum Schlüsselsymbol werden soll. Vielleicht. Das kommt möglicherweise im zweiten Teil erst. Womit wir bei einem weiteren, großen Problem von „Nymphomaniac“ wären. Lars von Trier hat nach Fertigstellung seines Filmes den sogenannten Final Cut abgegeben. Dieser Cut legt fest, welche Version letztendlich in den Kinos laufen soll. Aus vermarktungstechnischen Gründen, wurde der Film erstens regelrecht kastriert – Sorry, aber anders kann man es in diesem Fall schwerlich nennen – und damit sämtlicher diskutabler Szenen, die im Vorfeld für so viel Gesprächsstoff sorgten beraubt; zweitens wurde „Nymphomaniac“ in zwei Teile gehackt. Der deutsche Verleih möchte dem deutschen Publikum also weder eine Laufzeit von 5 Stunden, noch explizit dargestellte, kopulierende Paare zumuten. Als Dank dafür bittet man aber natürlich doppelt zur Kasse. Das Ergebnis ist eben eher unspektakulär, entspricht überhaupt nicht den Erwartungen – ob nun negativ, oder positiv - die man an einen Film dieses Regisseurs hat und zeigt vor allem, wie toll es noch immer in der Filmwelt funktioniert, wenn man auf möglichst platte und unkreative Art und Weise einfach mal drauf los provoziert. Ich hatte nicht einmal Freude am durchaus sehenswerten Cast des Filmes. Einzig Uma Thurman zeigt gutes Schauspiel und rettet um Haaresbreite den Ruf ihrer Zunft. Alle anderen sind austauschbar. Vor allem der Typ mit der Papiertüte auf dem Kopf. Nymphomaniac 1 (DK, D, B, F, GB, 2013): R.: Lars von Trier; D.: Charlotte Gainsbourgh, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Uma Thurman, u.a.; Offizielle Homepage In Weimar: lichthaus Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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