Kaum
ein anderer Film wurde in den letzten Monaten mehr diskutiert und
nicht wenige haben nach all dem Wirbel schmerzlich den Kinostart
herbei gesehnt. Ob diese Aufregung gerechtfertigt war und nicht die
Erwartungen so hoch geschraubt hat, dass sie dieser Film nicht
erfüllen kann, ist dem Regisseur wahrscheinlich egal. Was man von
Lars von Triers neuestem Machwerk „Nymphomaniac 1“ hingegen
halten soll, weiß man wohl auch erst, wenn man im Kino war.
Es
ist eine kalte Nacht, die an rostige und keimig, verklebte Wände, an
denen Brackwasser herunter rinnt denken lässt und an Rammstein. In
einer solchen Nacht findet der alte Mann namens Seligman eine übel
zugerichtete Frau auf dem Fußweg liegend. Er kümmert sich um sie
und schafft sie zu sich nach Hause. Hier packt er sie ins Bett und
flößt ihr warmes Essen und Getränke ein. Ob er die Polizei oder
einen Krankenwagen rufen soll, verneint sie. Sie sei ein schlechter
Mensch und das sei in Ordnung so. (Hat nicht ein berühmter Regisseur
vor klurzem etwas ganz Ähnliches gesagt?) Seligman glaubt nicht,
dass sie ein schlechter Mensch ist. Deshalb beginnt sie, ihm ihre
Lebensgeschichte zu erzählen, um zu beweisen, dass sie doch ein
schlechter Mensch ist. Dieses Leben besteht ausschließlich aus
extremen, sexuellen Erfahrungen, die sie seit ihrer frühesten
Kindheit sammelt. Der alte Mann zeigt sich von all den expliziten
Schilderungen nicht sehr schockiert und kontert mit Analogien vom
Fliegenfischen, dem Komponieren eines Orgelstückes und der
Weltliteratur. Während sie also ungeniert von ihrem Leben berichtet,
wird sie von ihm bemuttert und moralisch durchgefüttert.
Die
Story klingt ziemlich banal. Bei den meisten Pornofilmen gibt es so
etwas, wie eine Story gar nicht erst und so gesehen, könnte man
sagen, ist „Nymphomaniac 1“ regelrecht tiefgründig. Lange habe
ich überlegt, wie dieser Film zu bewerten ist und ich bin zu keinem
anderen Ergebnis gekommen. Manche bezeichnen diesen Film, als ein
wildes Kunstwerk, welches im Grunde nur die Gewalt und Vielfältigkeit
des Lebens nachzeichnet. Lars von Treir selbst hat nie einen Hehl
daraus gemacht, dass er einen Pornofilm gedreht hat. Ich finde, so
sollte ich das auch halten. Zwischen den einzelnen Kapiteln, die alle
jeweils ein neues Sexabenteuer schildern, gibt es Einschübe, die
sehr verkrampft wirken und an die tatsächliche Bildgewalt früherer
von-Trier-Filme erinnern sollen, hier aber total unpassend daher
kommen. Alles wirkt dadurch eher konfus. In einer Szene beschreibt
sie ausführlich von ihrer Entjungferung, in der nächsten zitiert er
den Text irgendeines romantischen Autors. Einmal wird der Zuschauer
mit einer beispiellosen Galerie männlicher Geschlechtsteile
bombardiert, gleich darauf mit perfekten Bildern eines spektakulären
Sonnenuntergangs verwöhnt. All das kann nicht verbergen, dass es in
diesem Film nur um eines geht: Um Sex. Um Sex in all seinen
faszinierenden, wie auch abstoßenden Formen. Ästhetische
Liebesszenen wird man hier kaum finden. So etwas gibt es in
Pornofilmen nun mal nicht. Stattdessen findet man eine beeindruckend
gespielte, aber leider vollkommen überflüssige Szene mit ihrem
Vater, der irgendwie noch zum Schlüsselsymbol werden soll.
Vielleicht. Das kommt möglicherweise im zweiten Teil erst. Womit wir
bei einem weiteren, großen Problem von „Nymphomaniac“ wären.
Lars von Trier hat nach Fertigstellung seines Filmes den sogenannten
Final Cut abgegeben. Dieser Cut legt fest, welche Version
letztendlich in den Kinos laufen soll. Aus vermarktungstechnischen
Gründen, wurde der Film erstens regelrecht kastriert – Sorry, aber
anders kann man es in diesem Fall schwerlich nennen – und damit
sämtlicher diskutabler Szenen, die im Vorfeld für so viel
Gesprächsstoff sorgten beraubt; zweitens wurde „Nymphomaniac“ in
zwei Teile gehackt. Der deutsche Verleih möchte dem deutschen
Publikum also weder eine Laufzeit von 5 Stunden, noch explizit
dargestellte, kopulierende Paare zumuten. Als Dank dafür bittet man
aber natürlich doppelt zur Kasse.
Das
Ergebnis ist eben eher unspektakulär, entspricht überhaupt nicht
den Erwartungen – ob nun negativ, oder positiv - die man an einen
Film dieses Regisseurs hat und zeigt vor allem, wie toll es noch
immer in der Filmwelt funktioniert, wenn man auf möglichst platte
und unkreative Art und Weise einfach mal drauf los provoziert.
Ich
hatte nicht einmal Freude am durchaus sehenswerten Cast des Filmes.
Einzig Uma Thurman zeigt gutes Schauspiel und rettet um Haaresbreite
den Ruf ihrer Zunft. Alle anderen sind austauschbar. Vor allem der
Typ mit der Papiertüte auf dem Kopf.
Nymphomaniac
1 (DK, D, B, F, GB, 2013): R.: Lars von Trier; D.: Charlotte
Gainsbourgh, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia
LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Uma Thurman, u.a.; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Kineast im Radio: Jeden Sonntag, 14 Uhr
auf Radio Lotte Weimar.