Vor einer guten Woche, am 13. November 2012, luden Mieter/innen aus verschiedenen Häusern des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin zu einer Konferenz “Nichts läuft hier richtig” ins Berliner Abgeordnetenhaus ein, um dort gemeinsam mit den von den Mieter/innen eingeladenen Expert/innen mit Politik und Verwaltung über Lösungsvorschläge für die 140.000 Sozialwohnungen der Stadt zu diskutieren.
Etwa 200 Teilnehmer/innen folgten der Einladung und beteiligten sich an den vier Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen. Für alle, die nicht dabei sein konnten und die Konferenz verpasst haben, gibt es mit der Videodokumentation der Eröffnungssitzung hier die Möglichkeit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. (Vielen Dank an die Filmemacher/innen Matthias und Gertrud die insgesamt 14 Stunden Material nicht nur aufgenommen, sondern mittlerweile auch bearbeitet haben!)
Die Mitschnitte der Arbeitsgruppen und der Abschlussdiskussion werden nach und nach fertiggestellt und veröffentlicht. Eine komplette Audio-Dokumentation der Konferenz gibt es bereits jetzt beim Mietenpolitischen Dossiers zu hören: Nichts läusft hier richtig – Audioaufzeichnungen.
In allen Arbeitsgruppen wurde aufgezeigt, dass es politische Instrumente für kurzfristige Lösungen und auch für langfristige Perspektiven gegen steigende Mieten und drohende Zwangsumzüge gibt – was bisher fehlt, ist der politische Wille, diese auch umzusetzen.
Für alle, die sich lieber schriftlich mit dem Verlauf der Konferenz auseinandersetzen wollen, gibt es inzwischen die ersten Beiträge im Textformat. So haben Kotti&Co. ihre Eröffnungsrede bereits in Netz gestellt und alle, die wissen wollen, wie es zur Konferenz gekommen ist, welchen Stellenwert sie für die Mieter/innen hat und mit welchen Erwartungen sie in den Tag gegangen sind, lohnt sich ein Blick in die Rede: Kotti&Co.- Eröffnungsrede vom 13. November 2012.
Vollbesetzte Räume und konzentrierte Arbeitsatmosphäre bei der Konferenz “Nichts läuft hier richtig” am 13.November 2012 im Berliner Abgeordnetenhaus
Gleich zu Beginn des Eröffnungsbeitrag verwiesen die Mieter/innen auf die Sonderstellung der Konferenz, die eben nicht aus fachpolitischen Überlegungen heraus initiiert und nicht von den klassischen wohnungspolitischen Interessenverbänden organisiert wurde, sondern unmittelbar aus den Straßenprotesten der Mieter/innen hervorgegangen ist.
Die Konferenz ist nur eine von unseren Forderungen, für deren Erfüllung wir weiterhin auf der Strasse protestieren. Seit Ende Mai diesen Jahres sind wir Nachbarinnen und Nachbarn und UnterstützerInnen rund um die Uhr in unserem Protest-Gecekondu am Kottbusser Tor präsent. Wir haben unglaublich viel Solidarität, Zuspruch und Unterstützung erfahren, weil alle wissen, dass unser Protest für bezahlbare Mieten alle etwas angeht – dass es hier nicht nur um Mieten, sondern um die Stadt von Morgen geht.
Ulrike Hamann (Kotti&Co.) erinnerten in ihrem Beitrag auch noch einmal an die Ausgangssituation ihrer Auseinandersetzung. Zu Beginn ihrer Mobilisierung fanden sie nicht einmal bei den Berliner Mieterorganisationen Unterstützung für ihre Anliegen, weil sich tatsächlich niemand mit einem so unangenehmen und zudem komplexen Thema wie dem Sozialen Wohnungsbau auseinandersetzen wollte.
Wir sind am 25.Mai an die Öffentlichkeit und auf die Strasse gegangen, weil wir wussten, dass wir mit unseren Problemen der unbezahlbaren Mieten nicht alleine sind. Aber auch, weil die herkömmlichen und vermeintlichen Vertreter unserer Interessen – die Politik und die Mietervereine uns bis dahin nicht unterstützen konnten oder nicht wollten. So bekamen wir von der Berliner Mietergemeinschaft zu hören, wir sollten uns lieber eine andere Wohnung suchen, da man für den Sozialen Wohnungsbau nichts mehr tun könne. Auch beim Berliner Mieterverein erklärten sie uns, dass sie sich mit dem Sozialen Wohnungsbau wie mit einem Krebspatienten fühlen, für den man nichts mehr tun könne, außer Händchen halten.
Diese Ausgangskonstellation zeigt nicht nur, dass Basisbewegungen vor allem dort entstehen, wo Politik, Verwaltung und selbst die institutionalisierten Interessenvertretungen versagen, sondern vor allem, dass mit kontinuierlichen Protestmobilisierungen die Repolitisierung einzelner Politikfelder gelingen kann.
An einer anderen Stelle in der Eröffnungsrede wird der besondere Charakter der Konferenz herausgestellt und deutlich gemacht, dass es nicht um einen Appell an die Politik geht, sondern darum, sich mit den eigenen Vorschlägen selbst Zugang in das Feld der Stadtpolitik zu verschaffen.
Wir – nicht die Politik – haben diese Konferenz organsiert.
Wir haben Expertinnen und Experten eingeladen, uns, der Zivilgesellschaft und der Politik dabei zu helfen. Dass wir dies im Berliner Abgeordnetenhaus tun, ist einem hoffentlich zukünftigen gemeinsamen Interesse geschuldet. Hier geht es auch um eine neue Form der Stadtpolitik… Wir haben über 6 Monate auf der Strasse protestiert und hatten uns über diese Zeit mit einer Politik auseinanderzusetzen, die sich un-glaub-lich langsam bewegt. Wir haben diese Zeit nicht. Da es scheint, dass unsere Realität bei Ihnen nicht ankommt, bringen wir Ihnen heute hier unsere Realität mit – unseren Kaffee und Tee, den man so auch im Protest-Camp bekommt und unsere Spendendosen. Und wir bringen unsere Vorschläge hier ein, wie man den Sozialen Wohnungsbau in Berlin im Sinne seiner Mieterinnen und Mieter gestalten kann.
In vielen Beiträgen wurde deutlich, dass die Konferenz nicht als Lösung, sondern als Baustein der Mobilisierung für die Umsetzung der Forderungen angesehen wird. Im Eröffnungsbeitrag heisst es dazu:
Wir können und werden nicht umziehen – der Wohnungsmarkt ist überspannt. Unser Zuhause werden wir nicht verlassen. Fast wöchentlich erreichen uns jetzt Hilfeersuchen wegen drohender Zwangsräumungen. Die damit zusammenhängenden Tragödien für Eltern und Kinder, sind soziale Härten, die wir nicht in Kauf nehmen werden. Wir werden weiter protestieren, am Kottbusser Tor und an anderen Orten, wenn die Politik nicht handelt. Wir haben uns auf den Winter bereits eingestellt – und wir sind entschlossen, weiter zu kämpfen und unseren Protest auszuweiten – wie es schon in den letzten Monaten geschehen ist. Das ist keine Drohung – das ist einfach die Logik des sozialen Druckes.
Das Thema wir uns also weiter begleiten – auf der Ebene der pragmatischen Lösungssuche mit Politik und Verwaltung und als Protest auf der Straße.