Berlin macht sich gerne nackig

Von Opa @OpasBlog

Die sommerlichen Temperaturen fördern in Berlin ein Thema zu Tage, das die französische Journalistin Pascale Hugues im Tagesspiegel so beschreibt: „Eine ganze Stadt präsentiert Ihnen einen kollektiven Striptease. Die Berliner legen ihre Kleidung ab, sobald das Thermometer mehr als 25 Grad zeigt. Hosen, Hemden, Schlüpfer fliegen durch die Gegend wie die ausgerissenen Margeritenblätter des Liebesorakels.“ Und in der Tat: Berlin macht sich gerne nackig. Dabei hat sich auch Oma schon gefragt, warum manche Männer ausgerechnet an den frequentiertesten Plätzen nackt und mit gespreizten Beinen völlig ungeniert ihre Pracht zur Schau stellen. Die Französin meint dazu: „In diesem Land hat FKK eine lange Tradition. Und Schamgefühl, auf Französisch la pudeur, ein so zartes Wort, gehört nicht zu den typisch deutschen Eigenschaften“, und liegt damit in etwa auf der Linie von Oma, die ein derartiges Verhalten aus ihrer niederländischen Heimat ebenfalls nicht kennt. Doch auch in Deutschland ist das nicht überall so wie in Berlin. In meiner bayerischen Heimat im Allgäu beispielsweise wären Nackte in der beschriebenen Form undenkbar. Und selbst in München, das die Liberalitas Bavariae wie eine Monstranz vor sich herträgt, „gehen die Nackerten aus“, wie die Augsburger Allgemeine bereits 2002 berichtete. Was soll ich sagen? Da ich es nicht besser als Pascale Hugues ausdrücken kann, lasse ich sie noch einmal zu Wort kommen: „Alles ablegen, sich in der Öffentlichkeit nackt wie ein Wurm zeigen, das ist nicht unbedingt ein Beweis für die körperliche Befreiung. Im Gegenteil, dieses gewissermaßen hygienische und ungenierte Zeigen der Nacktheit verleugnet die Grundlage der Erotik: das Spiel von Zeigen und Verbergen, der subtile Wechsel von Verschleiern und Entschleiern. Ja, der für einen Sekundenbruchteil wahrgenommene Knöchel ist so viel erregender als der allen Blicken dargebotene Pimmel. Wenn es gestattet ist, alles zu zeigen, verliert die Frivolität ihre subversive und großartige Fähigkeit, Grenzen zu überschreiten.“