Ich arbeite in Friedrichshain und wohne in Friedenau. Wer sich in Berlin ein bisschen auskennt, der wird messerscharf darauf schließen, dass ich für meinen Arbeitsweg jeden Tag durch Berlin Mitte fahre. Um euch noch eine etwas genauere Vorstellung zu geben: ich fahre auf meinem Arbeitsweg - den ich täglich, 13 km hin, 13 km zurück, mit dem Fahrrad zurücklege - jeden Tag am Potsdamer Platz vorbei.
Der Potsdamer Platz, das werden auch Leute wissen, die sich in Berlin nicht auskennen, ist der PLACE TO BE um Stars zu treffen... zumindest wenn man 14 Jahre alt ist, kein Problem damit hat, stundenlang mit 100 anderen kreischenden Teenies in einer Schlange zu stehen und fast von der drängelnden Menge zu Hackfleisch verarbeitet zu werden, sobald sich tatsächlich ein Fitzelchen Prominenz irgendwo zeigt.
Ich habe das schon öfter miterlebt. Vor einigen Wochen war ich Mittags mit einer Freundin im Vapiano am Potsdamer Platz verabredet. Das Restaurant liegt ziemlich direkt neben dem Ritz Carlton, der Lieblings-Bleibe internationaler High Society, die sich in unser bescheidenes Städtchen verirren. Schon auf dem Weg dorthin hatte ich 10 Minuten Verzögerung, weil plötzlich eine Horde von Polizeimotorrädern die Straße flutete, alle grünen Ampeln blockierte und die Straße sperrte für den nachfolgenden Tross an schwarzen Limousinen, der mit verdunkelten Fenstern Richtung Potsdamer Platz unterwegs war. Ich vermutete ranghohe Poilitiker im Inhalt der Limousinen und beschäftigte mich nicht weiter damit. Nach dem Essen wollte ich zu meinem Fahrrad, dass ich kurz vorm Sony Center abgeschlossen hatte - und sah mich plötzlich einem Auflauf aufgeregter Teenager gegenüber, die sich während meiner Mittagspause zwischen mir und meinem Fahrrad manifestiert hatte. Sie alle starrten mit großen Augen auf die Tür des Ritz Carlton. Ich wollte mich gerade erkundigen, wer denn da so sehnsüchtig erwartet wurde, als sich folgende Szene abspielte:
Ein junges Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt, stemmte sich aus der ersten Reihe gegen die Menge und sagte, als sie ihre Mutter weiter hinten erreichte: "Du Mama, ich glaube wir können wieder gehen, Lady Gaga kommt wohl erst heute Abend um 6 wieder raus." Die Mutter wollte gerade antworten, als der vollkommen aufgelöste Vater angerannt kam und fassungslos keuchte "Was machst du denn da? Warum gibst du unseren Platz auf??" Ungemein vernünftig, wie ich fand, antwortete das Mädchen darauf, dass es ja keinen Sinn mache, 5 Stunden lang vor dem Hotel auf Lady Gaga zu warten. "Die kommt bestimmt eh nur raus und steigt wieder ins Auto." Diese Argumentation erschloss sich dem Vater durchaus als nicht so sinnvoll wie sie mir vorkam und er brachte nur ein entmutigtes "Aber wir waren in der ersten Reihe!" heraus.
Ich nun, meinerseits vollkommen unbeeindruckt von dieser hohen Prominzenz - ich würde Lady Gaga garnicht erkennen - konnte das Familiendrama leider nicht weiter beobachten, da ich mich zu meinem Fahrrad durchkämpfen musste. "So eine Hysterie, nur wegen einem kurzen Blick auf einen Star!" dachte ich noch überheblich - nur um mich im gleichen Moment vor einem großen Banner wiederzufinden, das die Premiere von THE HUNGER GAMES - CATCHING FIRE im Sony Center Berlin am 12.11.2013 ankündigte. MIT ALLEN STARS!! Ich bin ja wirklich nicht leicht zu beeindrucken, aber meine persönliche Lieblings-Oscar Gewinnerin Jennifer Lawrence hätte ich doch gern mal aus der Nähe gesehen. Es dauerte keine Sekunde und mein Gehirn hatte sich in das eines Teenagers verwandelt. Ich Ich wollte unbedingt Karten haben. Keine Chance natürlich, die Dinger waren natürlich innerhalb von 2 Minuten ausverkauft.
Ich war zwar kurz enttäuscht, vergaß die ganze Sache aber dann so schnell und so effektiv wieder, dass mir tatsächlich folgendes passiert ist: Am 12.11., pünktlich zu Premierenbeginn, fahre ich nach Feierabend direkt am Sonycenter vorbei. Es ist knallvoll, überall stehen Kinder mit Schildern - und ich ich IDIOT fahre einfach weiter. An die Premiere und meine ursprüngliche Aufregung habe ich mich erst wieder erinnert, als ich ein paar Tage später folgende Aufnahmen sah:
Schade. Aber es war ja offensichtlich sowieso kein Durchkommen, wahrscheinlich hatten sich auch irgendwelche Väter mit ihren Kindern schon Morgens um 6 strategisch in der ersten Reihe positioniert. Um mich für mein eigenes Versäumnis zu entschädigen, besorgte ich uns dafür direkt Karten für den ersten Spieltag und deswegen saßen wir dann am Donnerstag um 19 Uhr endlich glücklich und zufrieden und für den unschlagbar günstigen regulären Preis von 11,50 € PRO KARTE (Hab ich nicht mal irgendwann 5 Mark für eine Kinokarte bezahlt? Ich bin doch noch gar nicht so alt!) und OHNE POPCORN (die kleinste Portion kostet 5 € - HALLO?!) in ebendiesem Sony Center Cinestar. Das ist leider, trotz der crazy Preise, unser Lieblingskino, da fast alle Filme ohne Untertitel in der Originalfassung laufen.
Catching Fire - Der beste Film des Jahres
Was soll ich sagen, Kinder? Der Film ist unglaublich gut! Ich hatte ja schon am ersten Teil wenig auszusetzen, wobei mein Freund, der damals die Bücher noch nicht kannte, viel nicht verstanden hat. Aber Catching Fire ist von der ersten bis zur letzten Sekunde - und wegen des grandiosen Soundtracks noch bis lange nach dem Abspann - der definitiv beste Film, den ich diese Jahr gesehen habe. Ich habe mit Absicht das Buch nicht noch einmal gelesen bevor wir ins Kino gegangen sind und deswegen ist mir nicht klar, welche Szenen geändert oder weggelassen wurden - vom Gefühl her sind aber aber sehr wenige. Meine Lieblings-Szenen waren jedenfalls im Film die gleichen wie im Buch und so großartig umgesetzt, dass ich Rotz und Wasser geheult und am ganzen Körper Gänsehaut hatte.
Die besten Film-Szenen
- der Moment als Katniss und Peeta auf ihrer Sieger Tour den Familien von Thresh und Rue gegenüberstehen und Peeta die Karte mit der vorgeschriebenen Rede sinken lässt
- der alte Mann, der danach die Finger zum Gruß hebt und Rues Melodie pfeift
- President Snow, dieses kleine Kopfschütteln in Katniss Richtung, während sie auf dem Empfang in Panem sind
- Prim, die ihrer Mutter ruhig die Spritze aus den Fingern nimmt um mit ruhiger Hand Gayle die Betäubung zu spritzen
- Effie und Katniss, die sich in die Augen schauen, während Effie die einzige Karte aus der Glaskugel der Zeihung vorliest
- die Einfahrt in die Arena, die unnachgiebige, stolze Position von Katniss und Peeta, die flammenden Kleider, The Girl on Fire!
- Katniss, die während der Bewertung das Bild von Rue betrachtet, das Peeta auf den Boden gemalt hat
- Katniss, die von President Snow gezwungen wird auf der Bühne ein Hochzeitskleid zu tragen, sich beginnt, darin zu drehen und plötzlich als Mockingjay dasteht. (Die Szene hat mir schon im Trailer Gänsehaut gemacht) Die nachfolgende Stille im Publikum.
- die Tribute, die sich während der Life-Übertragung vor ganz Panem auf der Bühne an den Händen fassen und auch noch nach der hektischen Verdunkelung als geschlossene Einheit erkennbar sind
- die Szene, als Johanna sich im Fahrstuhl von Peeta das Kleid ausziehen lässt und dann nackt dasteht - Katniss` Gesichtsausdruck, der in diese ganze Katastrophenstimmung wieder einen Hauch Leichtigkeit bringt
- die Szene - oh Gott - als Mags freiwillig in den Giftnebel läuft, um die anderen zu retten
- Katniss, als sie in der Arena denkt, Peeta ist tot
- und die letzten Minuten
- die letzten Sekunden
- die letzte Sekunde
- Rache.
und der wunderschöne Titelsong: Atlas von Coldplay: