„Fortschritt bemisst sich für die Sozialdemokraten immer noch vor allem darin, möglichst viel Beton zu verbauen. Je mehr Straßen, Brücken und Parkhäuser mit großem Pomp eingeweiht werden, desto mehr frohlockt des Sozialdemokraten Herz.“
Diese Beton-Orientierung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die sozialdemokratische Verkehrspolitik – auch in der Wohnungspolitik setzt die SPD vor allem auf eines: den Neubau.
Die Berliner Zeitung schätzt die wohnungspolitischen Aussichten einer Rot-Schwarzen Regierungsmehrheit in Berlin folgendermaßen ein:
Bei der Frage des Wohnungsneubaus werde es zwischen CDU und SPD indes wenig Differenzen geben. Beide hatten im Wahlkampf erklärt, den Neubau ankurbeln zu wollen. Während die SPD dabei auf die landeseigenen Wohnungsunternehmen sowie die Genossenschaften setzt, baut die CDU auf private Unternehmen.
Bestandsorientierte Regulationen der Mietentwicklung hingegen werden wohl auf der Strecke bleiben, denn die Themen wie Zweckentfremdung, Umnutzung von Miet- in Ferienwohnungen und Begrenzung von Neuvermietungen wurden bisher eher von den GRÜNEN und der Linkspartei eingefordert. Die wohnungspolititischen Konzepte von SPD und CDU hingegen setzen vor allem auf den Neubau.
Entsprechend erfreut über die neuen Koalitionsaussichten zeigt sich die Immobilienwirtschaft der Stadt. Maren Kern fasst gegenüber der Berliner Zeitung die Position des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zusammen:
„Je stabiler die Koalition, desto besser für Berlin.“ Vor einem neuen Senat lägen große wohnungspolitische Herausforderungen. „An erster Stelle steht dabei die Frage, wie das Wohnraumangebot für breite Schichten der Bevölkerung vergrößert werden kann“, so Kern. „Besonderes Augenmerk sollte dabei dem Neubau gelten.“
Warum ein Neubauprogramm die Wohnungsfrage nicht löst
In ihren wohnungspolitischen Analysen der vergangenen Monate waren sich Mieterorganisationen und die Verbände der Wohnungswirtschaft auf eine merkwürdige Art oft einig: Schuld an den steigenden Mieten sei vor allem die geringe Neubautätigkeit in Berlin. Die Zahlen scheinen das zu belegen, seit der Jahrtausendwende stagnieren Zahlen der fertiggestellten Wohnungen und seit 2005 sind fast flächendeckend steigende Mieten zu beobachten. Da ist was dran, denn der Nachfrageüberhang erhöht den Druck auf die Bestandswohnungen. Eine einfache Umkehr dieser Rechnung jedoch ist zu kurz gegriffen und wird insbesondere die Verdrängungsprozesse nicht aufhalten können.
Denn solche Argumenten gehen von einer simplen Angebots-Nachfrage-Struktur der Wohnungsversorgung aus und hoffen mit einem ausreichend großen Angebot an Wohnungen auf eine ‘Entspannung des Marktes’. Doch Wohnangebote für die vielzitierten ‘breiten Schichten der Bevölkerung’ müssten auch und gerade preiswerte Mietwohnungen für Haushalte mit geringen Einkommen einschließen. Es fehlen ja nicht einfach irgendwelche Wohnungen, sondern vor allem die preiswerten, die sich auch Leute mit weniger Geld leisten können. Doch solche Wohnungen werden im Neubau – egal ob von privaten, genossenschaftlichen oder öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften – nicht entstehen. Die Schlussfolgerung ist relativ simpel: Wer wirklich preiswerte Wohnungen in der Stadt will, muss sie im Bestand erhalten.
Die Berliner Entwicklung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass der Zusammenhang von Mietentwicklung und Neubautätigkeiten eben nicht heisst – viel Neubau = preiswerte Mieten, sondern ganz im Gegenteil erst die hohen Mietpreise haben den Neubau wieder attraktiv gemacht.
Ein aktuelles Beispiel präsentieren die Prenzlauer Berg Nachrichten in einem als Inserat eingeordneten Beitrag: „Nachfragehoch auf dem Immobilienmarkt„. Die Berliner Volksbank wirbt darin für den Eigebntumserwerb in einem Neubauprojekt in Prenzlauer Berg:
Die Nachfrage nach Wohnraum übersteigt das Angebot, so dass Mietpreissteigerungen bei der Neuvermietung um 20 Prozent keine Seltenheit sind. Um künftigen Erhöhungen zu entgehen, ist der Kauf einer Wohnung oft der Königsweg. In vielen Eigentumsprojekten der vergangenen Jahre liegt der Anteil der Käufer, die „um die Ecke wohnen“ bei über 75 Prozent. Natürlich reguliert auch hier der Markt das knappe Angebot. Durchschnittlich 3.105 Euro muss für den Quadratmeter Wohneigentum in Prenzlauer Berg schon jetzt auf den Tisch gelegt werden.
Auch das sind letztendlich Wohnungen für einen Teil der ‘breiten Schichten der Bevölkerung’ – aber sicher nicht die, die eine weitere Verdrängung und soziale Spaltung der Stadt aufzuhalten vermögen.