Die Berliner Lokalmedien überschlagen sich: “Bausenator entlässt seinen Staatssekretär” (Tagesspiegel), “Staatssekretär-Rauswurf bedeutet Offenbarungseid für Müller” (Morgenpost), “Müller feuert Staatssekretär Gothe” (rbb). Der Senator für Stadtentwicklung Michael Müller hat am Dienstag für die meisten überraschend seinen Bausstaatssekretär Ephraim Gothe vor die Tür gesetzt. Eine richtige Begründung gibt es nicht:
… Gothe habe gute Arbeit geleistet. (…) Gothe sei besonders gut in der Kommunikation und der Vermittlung unterschiedlicher Interessen bei großen und kleinen Projekten. Jetzt gehe es aber um die sichtbare Umsetzung konkreter Baupläne mit den Instrumenten Wohnungsbaufonds und Stadtentwicklungskonzept 2030. Dafür brauche man einen erfahrenen Organisator, hieß es. (Berliner Zeitung)
Der bereits vorgestellte Nachfolger Engelbert Lütke Daldrup gilt als verwaltungserfahren und auf der Bundesebene gut vernetzt. Offenbar hofft Senator Müller, mit ihm eine “Neuausrichtung der Baupolitik” (Tagesspiegel) durchzusetzen.
Lütke Daldrup ist zwar ein Kind der Behutsamen Stadterneuerung (der 1980er Jahre), hat sich aber als Hauptstadtplaner in der Senatsverwaltung (1990 bis 1995), als Stadtbaurat in Leipzig (1995 bis 2005) und als Staatssekretär im Bundesbauministerium (2005 bis 2011) den Ruf des durchsetzungsstarken Verwaltungspraktikers erarbeitet. Ganz sicher ist es kein Zufall, dass seine Berufung zum Staatssekretär zeitglich mit der Verkündung des Berliner Stadtentwicklungskonzept Wohnens und des Neubaufonds erfolgte.
Die politischen Nachrufe (taz, Tagesspiegel) heben vor allem Gothes Fähigkeiten zur Moderation und Kommunikation hervor. Seine Unterstützung für den Erhalt des Schokoladens, sein Vermittlungsversuche zwischen Investor und Bürgerinitiativen bei der umstrittenen Bebauung des Mauerparks und auch sein offenes Ohr für die aktuellen mietenpolitischen Proteste standen für einen “neuen Wind in der Stadtentwicklungspolitk Berlins” (taz).
Und auch sein Nachfolger wird sich nicht nur an den Neubauzahlen messen lassen können, sondern auch daran, ob er sich zu Kotti&Co auf die Bierbänke des Protest-Gecekondus setzt, mit der Initiative Stadt Neu Denken über eine andere Liegenschaftspolitk nachdenkt und mit den Sozialmieter.de über Lösungsmöglichkeiten für den Sozialen Wohnungsbau diskutiert.
In einem sind sich der Senator und die Aktiven des Mietprotestes einig: die Zeit des Redens ist vorbei, jetzt muss endlich was gemacht werden. Doch Müllers Hoffnung mit der Personalrochade dem Neubau einen neuen Schub zu geben, weist in die völlig falsche Richtung.
Selbst in der SPD gibt es vor allem überraschte und skeptische Stimmen zum Bauernopfer des Senators (Tagesspiegel: “Aus heiterem Himmel“):
…viele Genossen, die der linken Mehrheit im SPD-Landesverband angehören, sind höchst irritiert, dass der allseits beliebte und fachlich respektierte Gothe in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde.
Lütke Daldrup hingegen wird als harten Hund des Verwaltungshandelns beschrieben:
Engelbert Lütke Daldrup, wird in der SPD zwar als kompetent, verwaltungserfahren und durchsetzungsfähig akzeptiert, aber es wird besorgt gefragt, ob der äußerst selbstbewusste Ex-Staatssekretär im Bundesbauministerium gegenüber Bürgern und Mieterverbänden den richtigen Ton treffen werde.
Für den begonnenen Dialog zwischen Verwaltung und selbstorganiserten Miterinitiativen kein verlockende Aussicht. Die einzige, die sich über den Personalwechsel wirklich zu freuen scheint, ist die Immobilienbranche. In der Immobilien Zeitung heisst es:
Um beim dringend erforderlichen Wohnungsneubau Dampf zu machen, berief Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) überraschend Engelbert Lütke Daldrup als neuen Staatssekretär.