Berlin: Goldrausch in der Linienstraße 118

Berlin: Goldrausch in der Linienstraße 118

Linienstraße 118: Vor drei Jahren noch ein ganz normales Mietshaus – heute Kapitalanlage  (Bild: Beek100, cc-by-sa-Lizenz)

Die Berliner Morgenpost veröffentlichte kürzlich einen ausführlichen Bericht über die Entmietungsgeschichte der Linienstraße 118. Das Haus liegt in der Spandauer Vorstadt, also im Herzen des gentrifizierten Zentrums Berlins und seine Geschichte zeigt, wie immer wahnwitzigere Immobilienpreise die Verdrängung der Mieter/innen erzwingen. Die in dem Artikel dargestellte Verkaufsgeschichte des Hauses zeichnet nach, wie sich in einem Zeitraum von 15 Jahren der ‘Wert’ des Hauses verzehnfacht hat. Wurden 1997 noch 700.000 Euro für das Haus bezahlt, summieren sich die aktuellen Verkaufsangebote der Eigentumswohnungen auf über 8.000.000 Euro. Kein Wunder also, dass der Eigentümer (David Borck Immobiliengesellschaft mbH) die Wohnungen als “Investment in Berlins goldener Mitte!” anpreist.

Das ganz normale Immobiliengeschäft

Aufhänger der gut recherchierten Geschichte “Wie Mieter in Berlin aus ihren Wohnungen vertrieben werden” sind die zur Zeit stattfindenden Wohnungsbegehungen der Kaufinteressenten, die bereit sind, deutlich mehr als 3.000 Euro/qm für eine sanierte Altbauwohnung in zentraler Lage zu bezahlen. Das sind Preise, die sich über Mietzahlungen der bestehenden Mietverträge nicht refinanzieren lassen und sich ganz offensichtlich überwiegend an Selbstnutzer richten. Entsprechend werden die Mieter/innen mit einem Mix von angebotenen Auszugspremien und dem sanften Druck des neuen Eigentümers (“Wir wissen, wie man entmietet”) zum Auszug gedrängt. Sieben Mietparteien sind bereits ausgezogen, ein Altmieter ist während der Entmietungskampagne verstorben.

20 Wohnungen im Haus werden aktuell von David-Borck-Immobilien zum Kauf angeboten. Die preiswerteste Wohnung (eine noch vermietete Erdgeschosswohnung) soll ab 2.750 Euro/qm zu haben sein. Der aufgerufene Durchschnittspreis der 15 zur Zeit bei Immoscout24 inserierten Wohnungen liegt bei ca. 3.500 Euro/qm. Eigentlich kein besonderer Aufreger, denn die Angebote bewegen sich auf einem Preisniveau, wie es für gute und zentrale Lagen in Berlin mittlerweile zum Standard gehört.
Doch die in der Morgenpost skizzierte Geschichte des Hauses bezeugt einen rasanten Anstieg des Immobiliengeschäfts mit enormen Gewinnspannen. Aus dem Artikel zu erfahren ist folgende Preisentwicklung:

  • 1997 Verkauf des Hauses an ein zur Erbengemeinschaft des Hauses gehörendes Hamburger Ehepaar für 700.000 Euro (290 Euro/qm)
  • 2011 Verkauf des Hauses an eine Immobilienfirma aus Wien für 2.400.000 Euro (1.000 Euro/qm)
  • 2012 Verkauf des Hauses an die in Berlin ansässige David Borck Immobilien für 5.520.000 Euro (2.300 Euro/qm)
  • 2013 Verkauf von leerstehenden und vermieteten Eigentumswohnungen für ca. 8.000.000 Euro (3.400 Euro/qm)

 

Wer profitiert eigentlich von den steigenden Preisen?

Die aktuellen Mietpreise (netto kalt) sollen bei etwa 6 Euro/qm liegen. Eine volllständige Vermietung angenommmen, liegt nach Abzug von Instandhaltungspauschalen, Mietausfallwagis etc. die jährliche Mieteinnahme des Hauses bei etwa 140.000 Euro.

Für das Hamburger Eigentümerpaar (1997 bis 2011) ergibt das eine Gesamtmieteinnahme von 1,9 Mio. Euro. Selbst einige Instandsetzungsmaßnahmen und etwaige Kreditrückzahlungen einberechnet, dürfte sich die 14 jährige Bewirtschaftung des Hauses in der Linienstraße gelohnt  haben. Der am Ende erzielte Kaufpreis von 2,4  Mio. Euro ist reiner Gewinn.

Der Kurzzeiteigentümer aus Wien (2011-2012) hat das Haus für 2,4 Mio. Euro erworben nach einem knappen Jahr für 5,5 Mio. verkauft.  Abzüglich der Unkosten für seine Entmietungsbemühungen ein satter Gewinn von 3 Mio. Euro.

Gelingt es David-Borck-Immobilien die angebotenen Eigentumswohnungen zu den derzeit aufgerufenen Preisen zu veräußern, winkt hier eine Gesamteinnahme von über 8 Mio. Euro. Von den 2,5 Mio. Euro Preisdifferenz wird auch nach Abzug der  Modernisierungskosten ein stattliches Surplus zu Buche schlagen.

Die seit 2011 umgesetzten Gewinne aus dem Immobilienhandel von etwa 8 Mio. Euro verteilen sich relativ gleichmäßig auf die drei beteiligten Eigentümer. Die Mieter/innen haben die Zeche dieses Goldrausches zu zahlen – nicht mit ihrer Miete, sondern mit ihrem Auszug. Verdrängung ist die Konsequenz aus den, hier exemplarisch für die Linienstraße 118 beschriebenen, Immobilienexszessen.

Dass diese Entwicklungen nicht aus der Angebots-und-Nachfrage-Logik oder mit der geringen Neubauaktivität in Berlin erklärt werden kann, liegt auf der Hand. Ohne eine drastische Einschränkung der immobilienwirtschaftlichen Gewinnspannen sind preiswerte Mieten und eine soziale Wohnungsversorgung in den innerstädtischen Aufwertungsgebieten nicht durchsetzbar. Erschreckend in diesem Zusammenhang ist, dass der Regierende Bürgermeister Wowereit (SPD) nun ausgerechnet den Eigentumserwerb neben dem Neubau als ‘Lösung’ für die Wohnungsfrage propagiert. Wie der Tagesspiegel berichtet, hat Wowereit als Gastredner bei den „Berliner Wirtschaftsgesprächen“ im Capital Club am Gendarmenmarkt für mehr Eigentumswohnungen in Berlin geworben: “Wowereit: Berliner, kauft Wohnungen!“



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