Berlin: Enemy

Bei diesem Film fühlt man sich versucht, ihn mit Dingen zu vergleichen, die man schon aus anderen Werken kennt. Eindringlich, wie „Drive“. Spannend und intensiv, wie „Vertigo“ vielleicht. Aufregend und erotisch, wie „Black Swan“. Aber diese Vergleiche halten nicht lange stand, denn „Enemy“ nutzt diese bekannten Elemente allenfalls als Sprungbrett für seinen ganz eigenen und – ironischer Weise – unverwechselbaren Stil. Adam ist Professor für Geschichte an einer Universität. Auch, wenn er einen gut bezahlten Job hat, wäre er sehr unzufrieden mit seinem Leben, würde es ihn nicht so furchtbar langweilen. Seine Vorlesungen sind uninspiriert und verlaufen immer nach dem selben Strickmuster, seine Freundin bringt ihm mehr Ärger, als Glück und überhaupt fehlt seinem Leben das Besondere. Im Rahmen seines Lebensstils und seiner eigenen Motivation ist es Adam allerdings unmöglich, dieses besondere Etwas zu finden. Adam weiß genau, was er tun könnte, um diesen Zustand zu ändern, doch will er es im Grunde nicht, was seinen Frust noch verstärkt. Ein Kollege macht ihn eines Tages darauf aufmerksam, dass er ihn an einen Schauspieler erinnere. Adam schaut sich einige Filme mit besagtem Schauspieler an und stellt fest, der andere Mann sieht ihm zum Verwechseln ähnlich. Aus Neugier beginnt Adam, dem Schauspieler nach zu stellen und arrangiert sogar ein Treffen. Bei diesem Treffen kommt allerdings etwas zu Tage, was Adam nicht erwartet hätte. Regisseur Denis Villeneuve nutzt diese Story, die im Grunde ganz klaren Linien und Rahmen folgt, um einen regelrechten Trip zu entfesseln. Von Beginn an versetzt er den Film mit abgedrehten Traumsequenzen. Immer wieder taucht hier das Motiv einer riesenhaften Spinne auf, die sich durch die Häuserschluchten der Großstadt hangelt. Außerdem ist der ganze Film in blassen Gelbtönen gehalten. Dadurch wirkt alles etwas fiebrig. Ein Großteil der dichten und oft auch bedrohlichen Atmosphäre entsteht durch die fast schon gewaltige Musik. Mächtige Hörner und quälende Streicher entfesseln ein ständiges Gefühl der Aufregung. Außerdem kostet Villeneuve immer wieder ganz bestimmte Momente besonders aus. Die Treffen der beiden Doppelgänger zum Beispiel. Oder, wenn die Frau des Schauspielers die Bedeutung der ganzen Situation zu erkennen glaubt. Dieser Moment der Erkenntnis ist unglaublich eindrucksvoll und verliert seine Wirksamkeit auch nicht dadurch, dass dem Publikum diese Erkenntnis bis zum Ende des Films verwehrt bleibt. Ist dies die Geschichte getrennter Zwillinge? Ist es Zufall? Ist es Schicksal? Der Film liefert keine Erklärung, sondern packt lieber noch ein skurriles Abschlussbild auf das Ende. „Enemy“ ist großartige Unterhaltung. Schauspieler, Musik und Inszenierung ergeben einen stilvollen, spannenden und eigenwilligen Thriller, der im Gedächtnis bleibt. Hitchcock wäre vielleicht stolz darauf gewesen. Enemy (Can, Esp, 2013): R.: Denis Villeneuve; D.: Jake Gyllenhaal, Melanie Laurent, Isabella Rosselini, u.a.; M.: Danny Bensi Bundesstart: 15. Mai 2014

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