Berlin: Die Ernteschlacht am Teutoburger Platz

Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg: Erfolgspropaganda wie zu DDR-Zeiten (Bild: FrankW pro)

Die Ära der Stadterneueurng in Berlin neigt sich dem Ende zu. Mit dem Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg wurde mittlerweile schon das zwanzigste der 22 in den 1990er Jahren festgelegten Sanierungsgebiete aus der Sanierungssatzung entlassen. Wenig überraschend, wird das Ergebnis der Sanierung von der Regierung als voller Erfolg gefeiert. Eine Erklärung auf dem Hautstadtportal des Regierenden Bürgermeisters klingt ein bisschen  wie die Ernteschlachterfolgsmeldungen der 1980er Jahre im Neuen Deutschland: “Neue Impulse für citynahes Wohnen – Saniertes Quartier am Teutoburger Platz zieht besonders junge Familien an“. Der große Vorsitzende zuständige Senator für Stadtentwicklung wird mit folgenden Worten zitiert:

„Durch die Maßnahmen im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms hat sich das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz als Wohnstandort etabliert, der bevorzugt von Familien nachgefragt wird. Zu dieser erfolgreichen Entwicklung entscheidend beigetragen haben die gebietsübergreifende Qualifizierung des öffentlichen Raums sowie der sozialen und kulturellen Infrastruktureinrichtungen. Dabei war uns wichtig, dass die charakteristische gründerzeitliche Struktur erhalten bleibt und behutsam ergänzt wurde. Berlin und der Bund haben dafür insgesamt 109 Mio. € bereitgestellt.“

Wie bei den DDR-Erfolgsmeldungen ist an den Fakten nicht zu zweifeln. Der Plan wurde erfüllt. Die Häuser sind saniert und die Zahl der jungen Familien ist tatsächlich gestiegen. Doch angesichts der omnipräsenten Debatten über steigende Mieten und Verdrängung in der Stadt, steht eine Abschlusserklärung von fast 20 Jahren Stadterneuerung ohne jeden Bezug zu den sozialen Sanierungszielen bestenfalls für einen fortgeschrittenen Realitätsbezug.

Stadterneuerung als staatlich organisierte Verdrängung

Zur Erinnerung: Das Sanierungsziel bei der Festlegung des Sanierungsgebietes 1994 bestand nicht darin, begehrte Wohnlagen in Citynähe zu erschaffen und auch nicht darin, junge Familien nach Prenzlauer Berg zu locken, sondern relativ schlicht in der baulichen Erneuerung und dem “Erhalt der sozialstrukturellen Zusammensetzung”. Von einer Bilanz würde ich eigentlich erwarten, dass die Ergebnisse zumindest auch an den ursprünglichen Zielen gemessen werden.

Einige  Stimmen im Bezirk greifen das Thema der Mietentwicklung zumindest auf. Baustadtrat Kirchner findet:

„Und der Anstieg der Mietpreise ist natürlich überhaupt nicht zufriedenstellend.”

Und auch Wolfram Kempe (für die LINKE im Stadtentwicklungsausschuss findet kritische Worte:

„Wenn man Erfolg von Stadterneuerung nur an den Fassaden misst, dann ist es natürlich hübsch geworden (…) Wenn danach weniger als 20 Prozent der alten Bevölkerung noch da sind, dann ist das für mich keine erfolgreiche Sanierung”

Dass diese Kritik berichtigt ist, zeigt ein Beitrag der Prenzelberger Stimme in dem die Ergebnisse der Sanierung aus der abschließenden Sozialstudie kritisch zusammengefasst werden: “Sanierungsgebiete: Da war es nur noch eins…“. In dem Beitrag heisst es unter anderem:

  •  Nur 18 Prozent der beim Erlass des Sanierungsstatutes ansässigen Bewohner leben auch heute noch im Kiez. Die Ursache für diesen Vorgang, der euphemistisch “Bevölkerungsausstausch” genannt wird, ist vor allem in den mit der Gebietssanierung einhergehenden exorbitant gestiegenen Wohnkosten zu finden.
  • Betrug die durchschnittliche Neuvermietungsmiete laut der 2012 erstellten Sozialstudie zum Sanierungsgebiet Teutoburger Platz “vor 2006″ noch 5,22 Euro, so hatte sie sich bis zum Beginn des vergangenen Jahres mit 9,44 Euro fast verdoppelt. Dementsprechend veränderte sich auch die Bevölkerungsstruktur
  • Stellten die Haushalte, die über ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 1.300 Euro verfügen, im Jahr 2002 noch 43 Prozent aller Kiezbewohner, so waren es 2012 nur noch 22 Prozent. Der Anteil der Geringverdiener (bis 900 Euro) sank sogar von 24 auf acht Prozent.
  • Konnten 2002 lediglich 18 Prozent auf ein Nettoeinkommen von über 2.600 Euro zurückgreifen, waren es im vergangenen Jahr schon 43 Prozent. Bei der auch weiterhin ungebremsten Mietsteigerungsrate bei Neuvermietungen dürfte diese Entwicklung noch lange nicht an ihrem Ende angekommen sein Ende.

Wie ein Vergleich zu den Berliner Durchschnittsdaten zeigt, sind diese Entwicklungen tatsächlich Sanierungsfolgen.  So haben sich die Haushaltseinkommen im Gebiet in den letzten Jahren deutlich vom Berliner Durchschnitt entkoppelt. Die durchschnittlichen Einkommen in Berlin und am Teutoburger Platz lagen noch 2002 mit etwa 1.600 Euro/Monat etwa auf einem Niveau – 2012 ergibt sich ein völlig anders Bild:

  • Berlin (durchschnittliche Haushaltseinkommen): 1.972 Euro/Monat (Index = 100)
  • Teutoburger Platz (durchschnittl. Haushaltseinkommen) 2.903 Euro/Monat (Index = 147)

Die Sozialstudie zeigt: Diese Einkommenssteigerungen sind Ergebnisse eines Bevölkerungsaustausches und gehen nicht etwa darauf zurück, dass vor Jahren eingezogene Studierende inzwischen erfolgreiche Berufswegen eingeschlagen haben.  In der Studie wurden dankenswerterweise die durchschnittlichen Einkommen auch nach der Wohndauer erfasst – es wurde also gefragt, wie hoch sind die Einkommen derjenigen, die schon vor 1990 ins Gebiet gezogen im Vergleich zu den Einkommen der später Hinzugezogenen. Der Trend ist klar.  Je später der Zuzug, desto höher die Einkommen:

bis 1990 zugezogen – 2.010 Euro monatliches Haushaltseinkommen

1990 bis 1999 zugezogen – 2.429 Euro monatliches Haushaltseinkommen

2000 bis 2004 zugezogen – 2.800 Euro monatliches Haushaltseinkommen

2005 bis 2008 zugezogen – 3.277 Euro monatliches Haushaltseinkommen

2009 bis 2012 zugezogen – 3.592 Euro monatliches Haushaltseinkommen

Was in der Senatserklärung als “erfolgreiche Entwicklung” und “Impuls für citynahes Wohnen” beschreiben wird, ist bei näherer Betrachtung vor allem die Schließung des Wohnungsmarktes für einen immmer größerern Teil der Berliner Bevölkerung. Solange solche Entwicklungen als stadtpolitische Erfolge gefeiert werden, ist eine wirklich soziale Wohnungspolitk nicht zu erwarten.



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