Bild via Exportable
Kaum zu glauben: Die ganze Stadt spricht mittlerweile von Gentrification. Die ganze Stadt? Nein, ein kleines Dorf im Schatten des Mauerparks leistet entschiedenen Widerstand… Nicht gegen die Aufwertung und Verdrängung, aber immerhin gegen den Begriff der Gentrification. Die vom Quartiersmanagement Brunnenviertel herausgegebenen Kiezzeitung verbannte einen Beitrag, der sich mit den aktuellen Aufwertungstendenzen auseinandersetzt aus der aktuellen Ausgabe.
Auslöser war ein eher harmlos geschriebener Artikel „Es wird besser. Aufwertung ohne Verdrängung? Das Brunnenviertel im Mitte-Ortsteil Gesundbrunnen verändert sich.“ von der Journalistin Dominique Hensel. Ursprünglich für das Kiezmagazin Brunnenviertel geschrieben erschien der Beitrag mittlerweile im privaten Weblog (planet wedding) der Autorin. In einer Anmerkung unter dem Text heisst es:
Dieser Artikel sollte im Kiezmagazin des Brunnenviertels erscheinen. Die Redaktion hat sich entschieden, ihn nicht zu publizieren. Nun steht der Beitrag hier.
Soweit ich erfahren habe, ging es nicht um die journalistische Qualität des Beitrages oder falsche Fakten, sondern darum, dass die Arbeit des Quartiersmanagements überhaupt im Zusammenhang mit der Gentrification gebracht wurde. Die Angst des Quartiersmanagements vor der Gentirification wird so richtig erst nach der Lektüre des Beitrages deutlich. Kurz zusammengefasst schreibt Dominique Hensel, dass auch im Wedding über Gentrification diskutiert wird, dass dabei das Brunnenviertel mit seiner Nähe zu den Aufwertungsgebieten in Prenzlauer Berg und Mitte einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sein könnte, aber die Bewohner/innen bisher noch keine Angst vor Mietsteigerungen und Verdrängung haben und sich über die Aufwertungen in der Nachbarschaft freuen. Harmloser geht es kaum.
Grund für die Zensur des Beitrages ist also nicht die publizistische Zuspitzung („Die beobachteten Veränderungen werden als willkommene Verbesserung wahrgenommen – und nicht jede Aufwertungsmaßnahme führt zur Gentrifizierung“) sondern kann sich allein auf die Thematisierung einer Aufwertungsgefahr beziehen. Wie schon in den Stadterneuerungsdebatten der 1990er Jahre wird Gentrification wieder zum Tabu-Begriff.
Das ist schade, denn gerade die innerstädtischen Quartiersmangements sollte die Augen vor den Verdrängungsgefahren in ihren Nachbarschaften nicht verschließen.
Quartiersmanagement und Aufwertung
Das Quartiersmanagement gehört seit einer Dekade zum festen Bestandteil der Berliner Stadtpolitik. Mit Vorortbüros und kleinem Budget versuchen die Mitarbeiter/innen in den aktuell 34 Programmgebieten den sozialen Zusammenhalt in den Gebieten zu stärken.
Ausgewählt für das Quartiersmanagement werden Nachbarschaften,
in denen das Leben durch soziale Probleme geprägt ist und die Gefahr droht, dass die Menschen mit Ihrem Stadtteil von der gesamtstädtischen Entwicklung ausgeschlossen und abgehängt werden.
Die meisten der QM-Gebiete liegen in den Westberliner Innenstadtbezirken (Kreuzberg, Neukölln, Wedding und Moabit) und damit vielfach (23) in den Gebieten, in denen Mietsteigerungen, Umwandlungen in Ferienwohnungen und Modernisierungsarbeiten als Gentrification-Gefahr diskutiert werden.
Im BauGB wird in den Abschnitten des Besonderen Städtbaurechts definiert, worum es im Programm Soziale Stadt gehen soll. In §171(e) Abs.2 heisst es:
Städtebauliche Maßnahmen der Sozialen Stadt sind Maßnahmen zur Stabilisierung und Aufwertung von durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen oder anderen Teilen des Gemeindegebiets, in denen ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht. Soziale Missstände liegen insbesondere vor, wenn ein Gebiet auf Grund der Zusammensetzung und wirtschaftlichen Situation der darin lebenden und arbeitenden Menschen erheblich benachteiligt ist.
Maßnahmen der Stabilisierung und Aufwertung treffen demnach auf Gebiete mit erheblich benachteiligten Bewohner/innen. Ziel des Programms ist dabei die Stabilisierung des Quartiers – und eben nicht die Verbesserung der Lebenssituation der Benachteiligten. Das muss sich nicht ausschließen, kann aber eben auch zu Konflikten führen, wenn etwa eine „Stabilisierung des Gebietes“ durch Aufwertung und Verdrängung beschleunigt wird.
Im Falle des Quartiersmanagements Brunnenstraße besteht eine Teilstrategie des Handlungskonzeptes in der Verbesserung des Gebietsimages. Dabei den „Anschluss zum Prenzlauer Berg schaffen“ wird als „großes Ziel“ formuliert.
Positive Akzente in der Öffentlichkeit sollen vermehrt in den Übergängen zum Prenzlauer Berg und Alt-Mitte setzen, welche die Aktivitäten im Gebiet nach Außen präsentieren. Festivals wie „Wedding dress“ können in einer besseren Zusammenarbeit der QMs mit der degewo auch auf andere Teile des Brunnenviertels – nicht nur auf die Brunnenstr. – ausgeweitet werden. Besonders der hohe Einsatz an finanziellen Mitteln der degewo für eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit wird dadurch noch lohnenswerter.
Eine Förderung der Baumaßnahmen am Gleimtunnel, die den Angstraum zwischen beiden Vierteln beheben, ist wichtig für das große Ziel: „Anschluss zum Prenzlauer Berg schaffen“.
Solch ein „Anschluss zum Prenzlauer Berg“ muss nicht notwendigerweise mit Verdrängungsprozessen einhergehen. Eine Diskussion darüber von vornherein auszuschließen und zu tabuisieren erscheint mir als zumindest naiv.