Weil heute ja alle über dieses bekloppte Fussballspiel der Millionäre reden, kann auch ich mich mit ein paar Fussball-Metapher nicht zurückhalten. Vor ein paar Tagen wurde der Berliner Mietspiegel vorgestellt. Und wie immer sind alle Seiten irgendwie unzufrieden: Mieterorganisatoren befürchten drastische Mietsteigerungen, Wohnungsunternehmen wie die GSW sehen die Marktdynamik nicht richtig abgebildet und selbst die Senatsverwaltung vertraut dem Instrument nicht so recht über den Weg und legte kurz vor der Veröffentlichung des Mietspiegels eine sogenannte Mietenbremse (Kappung der Mieterhöhungen auf 15% in drei Jahren) fest.
Ein Spiel hat 90 Minuten: Die meiste Zeit gut gespielt, reicht oft nicht aus. Der Mietspiegel 2013 weist gegenüber dem Mietspiegel von 2011 eine durchschnittliche Steigerung von 6,3 Prozent auf – das entspricht einem durchschnittlichen Mietpreis der Bestandsmieten von 5,54 Euro/qm (nettokalt). Die Zahlen verweisen nur auf den ersten Blick auf eine ‘moderate’ Entwicklung (BBU): Reiner Wild vom Berliner Mieterverein macht auf drastische Entwicklungen im Altbaubereich, bei den Siedlungsbauten der Nachkriegszeit und den zwischen 1965 und 1972 gebauten Wohnungen aufmerksam. Dort liegen die Steigerungen der Oberen Spannenwerte bei über 25 Prozent! Vor allem Mieter/innen, deren Wohnungen keine wertmindernden Merkmale aufweisen, müssen mit drastischen Mietsteigerungen rechnen.
Auch Joachim Oellerich von der Berliner Mietergemeinschaft sieht keine wirkliche Entspannung in den Zahlen und verweist auf Mietsteigerungen von 17 bzw. 19% in den kleineren Wohnungen in einfachen Lagen. Betroffen hiervon sind also vor allem die bisher preiswerten Wohnungen. Im Durchschnitt “moderat”, reicht eben nicht aus, um Mieter/innen vor Mietsteigerungen zu schützen.
Nach dem Mietspiegel ist vor der nächsten Mieterhöhung: Ein Mietspiegel ist immer nur eine Momentaufnahme und auch im Rückspiel stehen die Chancen für die Mieter/innen nicht viel besser. Insbesondere die Mieterverbände rechnen nicht nur mit Mieterhöhungen, die mit den neuen Mietspiegelwerten begründet werden, sondern befürchten, dass die hohen Neuvermietungsmieten in kommenden Berechnungen zu erheblichen Steigerungen führen werden. Im MieterEcho heißt es dazu:
Der nächste Mietspiegel wird durch die aktuellen Angebotsmieten vorbereitet. Ein Blick in die Zeitungsinserate oder auf die entsprechenden Internetseiten lässt nichts Gutes erwarten. Zwar wird immer lautstärker Neubau gefordert, doch eine Realisierung ist nicht in Sicht. Vor allem aber gibt es keine Antwort auf die Frage nach der Bezahlbarkeit.
Dass inzwischen auch von den Mieterverbänden die aus vollen Rohren propagierten Mietdämpfungseffekte der angekündigten Neubauprogramme angezweifelt werden, lässt den Neubau-Konsens, den sich Senat und Wohnungsunternehmen so sehr wünschen, brüchig werden.
Dritte Halbzeit: Was auf dem Platz nicht entschieden wird, geht in die Dritte Halbzeit und ist alles andere als fair. Die hinter den Erwartungen vieler Wohnungsunternehmen zurückgebliebenen Mietspiegelwerte sind deshalb auch nicht als Entwarnung zu verstehen. Überall dort wo im Bestand nur kleinere Mieterhöhungen realisiert werden können, setzen Eigentümer/innen vermehrt auf andere Gewinnstrategien: Energetische Sanierungen, Abriss und Neubau, die Umwandlung in Eigentumswohnungen oder auch die schlichte Neuvermietung versprechen weitaus höhere Erträge. Das Problem aus der Sicht der Mieter/innen ist hier noch deutlicher: Die Realisierung höherer Einnahmen setzt in der Regel die Verdrängung der bisherigen Mieter/innen aus ihren Wohnung voraus. So gefährlich ein Mietspiegel auch sein mag, die Fragen der Verdrängung werden vielfach außerhalb des Spielfeldes (Miethöhegesetzes) geklärt. Und ganz unabhängig von der Höhe der aktuellen und künftigen Mietspiegelwerte brauchen Berliner Mieterinnen und Mieter gegen diese Hooligan-Strategien von Investoren und Eigentümern Unterstützung.
Für alle, denen die Fragen der Mietentwicklung auch heute Abend wichtiger sind als die Bayern oder Dortmund gibt es in der Volksbühne den großen Mietertag mit Filmprämiere und anschließender Diskussion. Mit dabei: Carola Handwerg (Mieteranwältin), Katrin Rothe (Filmemacherin), Marie Schubenz und Ulrike Hamann (Mietenpolitisches Dossier).
Arte-Ankündigung für Katrins Rothes “Betongold. Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam”