In Berlino, wie die Italiener die Stadt nennen, hat sich eine Art Exil-Opposition gegen die Regierung Berlusconi gebildet. Es sind Schauspieler und Schriftsteller, Restaurantbesitzer und Ladenverkäufer, die nicht nur italienisch essen und reden, sondern wollen, dass sich endlich etwas ändert. (…)
“Viele junge Leute fliehen vor Berlusconi nach Berlin”, sagt die Künstlerin Giovanna Salabè. Es kommen neue Studenten und auch Touristen, die länger bleiben.
So verständlich die Abneigung gegen Berlusconi ist, so aufwertungsaffin liest sich die Aufzählung der italienischen Regierungsfeinde: Schauspieler, Schriftsteller, Studierende, Tourist/innen, die länger bleiben wollen – das klingt wie eine typische Beschreibung von Gentrification-Pionieren.
Eine erst jüngst veröffentlichte Wohnungsmarktstudie verwies als Beleg für den immobilienbwirtschaftlichen Aufschwung in Neukölln ausgerechnet auf eine Italienerin:
Bezahlt werden die hohen Mieten vor allem von Neuberlinern, die in der Stadt eine Beschäftigung finden. Viele seien aus anderen Ballungsgebieten hohe Mieten gewohnt, so der IVD. Ein Beispiel: Eine Italienerin schrecke auch nicht vor 8,50 Euro Miete pro Quadratmeter in der Leinestraße von Neukölln zurück. Dies zeige, dass die Kreuzberger Mischung aus Off-Kultur und Multikulti zu einer Art Immobilien-Mehrwert auch in Teilen von Neukölln geführt habe.
Während in Mitte und Prenzlauer Berg weiter an der Umwandlungsschraube gedreht wird, werden in Kreuzberg und Neukölln vor allem steigende Mietpreise festgestellt. Der jüngste IVD-Marktbericht stellte für Friedrichshain-Kreuzberg eine elf-propzentige Steigerung der Neuvermietungsmieten im Vergleich zum Vorjahr fest. Der Tagesspiegel (“Berlin macht auf München“) weiss auch zu berichten, wer diese Preise zahlt: Die Zugezogenen.
Nun sind 8,50 Euro/qm in Neukölln sicher im Vergleich zu Silvio Berlusconi das kleinere Übel. Aus der Perspektive der Berliner Wohnsituation wäre eine Abwahl oder auch ein Sturz der Regierung Berlusconi jedoch die bessere Lösung…