Berlin: Baugruppe statt Freiraum

Die Berliner Baugruppendebatte geht in die nächste Runde. In der Kleinen Rosenthaler Straße soll das seit fast zwanzig Jahren bestehende Werkstattprojekt Linienhof einem Mehrgenerationenhaus einer Baugruppe weichen. In einem Offenen Brief an die neuen Eigentümer des Grundstücks schreiben die derzeitigen Nutzer/innen:

Der Linienhof ist ein wichtiger Bestandteil Berliner linker, unkommerzieller Strukturen. (…) hier kann geschweißt, geflext und ausgebaut werden. Und das umsonst. (…) Natürlich wissen wir, dass es rund um den Rosenthaler Platz nicht mehr viel zu verteuern und zu vertreiben gibt; fast nichts mehr, außer den letzten kleinen Nischen, zu denen auch der Linienhof gehört.

Berlin: Baugruppe statt Freiraum

Linienhof: "Baut Euer Haus woanders" / Bild: auguststrasse-berlin-mitte.de

Adressat des Briefes und Eigentümer des Grundstücks ist mit Mathias Greffrath ausgerechnet ein linkes Westberliner Urgestein. Uwe Rada schreibt in der taz (Die letzte Brache in Mitte):

Zusammen mit dem benachbarten besetzten Haus Linienstraße 206 ist die Brache die letzte Hinterlassenschaft der Nachwendeprovisorien zwischen Rosenthaler Platz und Hackeschem Markt. Drum herum ist alles gesäubert, manche sagen dazu immer noch Scheunenviertel. Ausgerechnet hier wollen Mathias Greffrath und Hortensia Völckers ihren Traum vom selbstbestimmten Leben verwirklichen. Schimpfen die Protestierer. Nicht nur um Brache versus Baugruppe geht es ihrer Ansicht nach, sondern um linkes Prekariat versus angeblich linke Bauherren: Mathias Greffrath ist Autor, Globalisierungskritiker und taz-Kolumnist; Hortensia Völckers ist künstlerische Leiterin der Bundeskulturstiftung.

Der Linienhof-Konflikt zwischen den Freiraumnutzer/innen und der Bauherrengruppe ist der vorläufige Höhepunkt einer Auseinandersetzung um die Beteiligung von linken Aktivist/innen an Baugruppenprojekten.

Bisher agierten die Leute der Baugruppen oft verständnislos auf den Vorwurf, ausgerechnet ihre Wohnprojekte seien Teil der Aufwertung und Gentrification. Das Neubauargument der Baugruppen wirkte auf den ersten Blick auch sehr überzeugend: Wo neu gebaut wird, gibt es keine Verdrängung… Doch die Einschätzung eines Nachbarschaftswandel kann eben nicht mit dem Blick auf ein einzelnes Grundstück eingeschätzt werden, sondern muss auch die Quartierseffekte einzelner Projekte berücksichtigen. In einer solchen Perspektive wird schnell deutlich, dass Eigentumsmodelle den größten Teil der Berliner/innen ausschließen und Baugruppen für den neoliberalen Trend der Individualisierung stehen. Statt gesellschaftlicher Lösungen der Wohnungsfrage (öffentliche Wohnungsbestände, Mietrecht, Förderprogramme) mehr gesucht werden) stehen die Baugruppen für Individualstrategien, die erhebliche ökonomische Ressourcen zur Finanzierung des Grundstückerwerbs und der Baukosten voraussetzen.

Versuche einer Auseinandersetzung um die persönliche Verantwortung Einzelner in den Baugruppen an den Aufwertungsdynamiken liefen ins Leere und in den Medien wurde das positive Bild der innovativen Stadtgestalter gezeichnet. Baugruppenmanager Andreas Büsching verglich in der taz die aktuellen Baugruppen sogar mit der Hausbesetzungsbewegung in den 1980er Jahren:

Baugruppen haben einen ähnlichen Effekt wie ihre Vorläufer, die besetzten Häuser. In diesen Häusern war eine Szene drin, und diese Szene mischte sich im Kiez ein. Sie hat Kneipen aufgemacht oder Cafés, hat versucht, Stadtteilpolitik mitzugestalten. Ohne diese Leute passierte in einem Stadtteil sehr wenig. Baugruppen können das Gleiche leisten.

Andreas Büsching ist an der Baugruppe in Mitte nicht beteiligt – trotzdem wird deutlich, wie schief die Töne des Interviews klingen. Denn was im Linienhof geschieht ist nichts weniger als eine Räumungsdrohung gegen eine Restnische der Ostberliner Hausbesetzungsbewegung von 1990. Dass die ausgerechnet von Westlinken kommt, die lange Zeit mit den Besetzungen in Kreuzberg und Schöneberg sympathisierten,  zeigt, dass personelle Kontinuitäten keinen Garant für die Persistenz von Überzeugungen und Politikinhalten darstellen.  Die Berliner Baugruppen sind dabei im Linienhof ihre naive Unschuld zu verlieren.



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