Ein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeodnetenhaus beauftragtes Rechtsgutachten zeigt: Die Spekulation mit den fiktiven Kostenmieten im Sozialen Wohnungsbau kann gesetzlich eingeschränkt werden. Prof. Martin Schwab legt in einer ausführlichen Studie (“Rechtsfragen des sozialen Wohnungsbaus“) dar, dass über eine gesetzliche Klarstellung die dauerhafte Berufung auf die Ursprungskosten (“Einfrierungsgrundsatz”) ausgesetzt werden kann, wenn die tatsächlichen Kosten (z.B. nach einem Verkauf der Immobilien) unterhalb der Kostenmieten zum Genehmigungszeitraum liegen. Die Initiative mieterstadt.de – Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe Stadtentwicklung e.V. hat bereits eine Vorschlag zur entsprechenden Veränderung des Wohnraumgesetzes Berlin vorbereitet.
Die rechtliche Materie klingt zunächst kompliziert, bietet aber tatsächlich einen Ausweg aus der desaströsen Situation in vielen Sozialwohnungen, für die die Anschlussförderung gestrichen wurde. Bisher vertrat die zuständige Senatsverwaltung die Auffassung, dass für die sogenannten “Kostenmieten” (die aus den überhöhten Bau- und Finanzierungskosten bei der Genehmigung der Förderverträge abgeleitet wurden) ein “Einfrierungsgrundsatz” gelte, der von vielen Eigentümer/innen als eine Garantie für das profitable Geschäft mit den Sozialwohnungen verstanden und genutzt wurde. In den Sozialwohnungen, denen die Anschlussförderung gestrichen wurde, ermöglichten die gesetzlichen Regelungen eine Erhöhung auf die Kostenmiete – oftmals auf Mietpreise von 13, 15 oder sogar 18 Euro/qm. Vor allem nach Verkäufen der Sozialbauten jedoch lagen die realen Kosten für die Refinzierung des Kaufpreises meist deutlich unter diesen vertraglich festgestellten Kostenmieten, so dass sich aus der Differenz zwischen tatsächlichen Kosten und der ‘fiktiven Kostenmiete’ ein erheblicher Gewinn realisieren ließ. Fünf Zeilen Gesetzestext könnten nun tausenden Mieter/innen im Sozialen Wohnungsbau die Angst vor der Verdrängung nehmen.
Wie wichtig das Rechtsgutachten von Prof. Schwab ist, zeigt ein Blick auf den vorliegenden Entwurf des Berliner Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG Bln). Denn dort gibt es keine Lösung für das Problem der Verdrängung aus dem Sozialen Wohnungsbau. Statt einer effektiven Einschränkung der Spekulation mit den Sozialwohnungen setzt der Gesetzentwurf auf Zuschüsse für die Sozialmieter/innen mit geringen Einkommen. Mit diesen Zuschüssen soll der Anteil der Nettokaltmiete im Sozialen Wohnungsbau am Haushaltseinkommen (in Abhängigkeit von der Energieeffizinz des Gebäudes ) auf ein Maximum von 25 bis 30 Prozent begrenzt werden. Abgesehen von den damit nicht gedeckelten Betriebs- und Heizkosten soll der Zuschuss selbst auf maximal 2,50 Euro/qm begrenzt werden und nur dort zur Anwendung kommen, wo die Mieten unterhalb von 10 Euro/qm liegen. Gerade in den Häusern, in denen Eigentümer/innen Mietsteigerungsmöglichkeiten besonders aggressiv ausschöpfen, versagt der Schutz des Gesetzes also.
Das nun veröffentliche Rechtsgutachten eröffnet einen gänzlich anderen Weg der Lösung. Statt mit unzureichenden Zuschüssen die Einnahmen von privaten Eigentümer/innen auf Landeskosten zu sichern, könnte die Spekulation mit den Kostenmieten selbst unterbunden werden. Das wäre nicht nur haushaltspolitsch sinnvoll, sondern würde vor allem den Mieter/innen in den Spekulationsobjekten einen besseren Schutz ihrer Wohnsituation bieten. Der Gesetzgeber – also das Land Berlin – müsste dafür jedoch über seinen eigenen Schatten springen und mit einer gesetzlichen Regelung die Gewinnmöglichkeiten von privaten Eigentümer/innen, Wohnungsunternehmen und Investor/innen einschränken. Die Initiative mieterstadt.de – Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe Stadtentwicklung e.V. hat bereits einen möglichen Formulierungsvorschlag erarbeitet. Das Wohnraumgesetz Berlin müsste in Artikel 1 geändert werden. Im ersten Abschnitt sollte nach § 1 folgender § 1a eingefügt werde:
„§ 1a Tatsächliche Aufwendungen des Vermieters
Bei der Berechnung der Kostenmiete für öffentlich geförderte Wohnungen ist es dem Vermieter nicht gestattet, gegenüber dem Mieter laufende Aufwendungen in Anrechnung zu bringen, mit denen der Rechtsvorgänger des Vermieters oder ein Dritter, nicht aber der Vermieter selbst belastet ist. Das Nähere regelt eine Verordnung des Senats von Berlin.“
Angesichts der in den kommenden Wochen zu erwartenden Diskussionen um den Entwurf des Berliner Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG Bln) sollten auch die rechtlichen Möglichkeiten zur Beschränkung der Mietentwicklung im Sozialen Wohnungsbau auf die Tagesordnung gesetzt werden. Fünf wirksame Zeilen gegen Spekulation mit den Sozialwohnungen statt milionenschwerer Zuschüsse, die direkt in die Taschen privater Vermieter wandern werden.