Ein unvergesslicher Lauf! Meine Teilnahme am Jungfrau Marathon war sehr intensiv und ich musste das Erlebte erst noch etwas sacken lassen, bevor ich den Bericht dazu schreiben konnte. Es war echt nicht einfach, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Um es vorwegzunehmen, der Jungfrau Marathon war der mit Abstand schönste, aber auch härteste Lauf in meinem bisherigen Läuferleben.
Vorbereitung
Wie bereitet man sich auf seinen ersten Bergmarathon vor? Diese Frage war nicht einfach zu beantworten, vor allem wenn man Pendler und Familienvater ist. Da bleibt schon für einen normalen Stadtmarathon kaum Zeit für das Training. Doch nun galt es auch noch Höhenmeter zu machen. Ich nahm am Revierguide Odenwald vom Trail-Magazin teil, absolvierte auf dem Laufband ein paar Einheiten mit Steigung und lief an der Costa Brava einige Hügel hoch und runter. Im August kam ich so auf 2.300 Höhenmeter. Doch sollte dies für die Jungfrau ausreichen? Selbst die langen Einheiten gingen nicht über 30 Kilometer hinaus. Und auch die Wochenkilometer waren nicht berauschend. Ich lief lediglich zwischen 40 und 55 Kilometer. Da kamen bei meinen bisherigen zwei Marathonteilnahmen deutlich mehr zusammen. Aber ich war letztendlich froh, dass ich die langen Läufe machen konnte und dabei auch ein paar Höhenmeter mitnahm. Mehr war nicht möglich. Es musste reichen.
Anreise
Der Plan war ursprünglich, dass mich mein Kumpel am Freitagmorgen um 9 Uhr mit dem Auto abholt und wir nach Interlaken fahren. Wir wollten eventuellen Wochenendstaus aus dem Weg gehen und ohne Stress in der Schweiz ankommen. Doch es kam leider ganz anders. Aus privaten (und absolut nachvollziehbaren) Gründen musste er mir früh morgens absagen. Diese Nachricht warf natürlich alles über den Haufen, aber es war nunmal so. Ich buchte schnell ein Zugticket und machte mich nach einem kurzen Frühstück auf den Weg zum Bahnhof. Von Mannheim nach Interlaken gibt es eine Direktverbindung, was die Fahrt relativ angenehm machte. Ich war müde und nutzte die 4,5 Stunden für ein kurzes Nickerchen. Kurz nach Basel wachte ich auf und freute mich, die ersten Berge zu sehen. Doch das Wetter war nicht schön. Regen und stark bewölkt.
So war es dann auch in Interlaken. Na toll. Das Hotel fand ich sofort und es war nur ca. 200 Meter vom Start entfernt. Einchecken und danach gleich die Startnummer abholen. Die Marathonmesse und die Startnummernausgabe befanden sich einem Zelt, das direkt neben dem Startbereich auf einer Wiese aufgestellt war. Nachdem ich meine Unterlagen hatte, begab ich mich in das Nebenzelt, in dem die Pasta-Ausgabe und die Musikbühne war. Die Penne Bolognese war echt lecker. Danach ging ich auf mein Zimmer und richtete alles für den Start am nächsten Tag. Ich war extrem nervös.
Vor dem Start
Um kurz vor 7 Uhr stand ich auf, aß eine Kleinigkeit und zog mich an. Zunächst war ich mir bzgl. der Laufbekleidung etwas unsicher. Aber nachdem ich meine Tasche mit frischen Klamotten für das Ziel am Startbereich abgegeben hatte, entschied ich mich, noch ein Funktionsunterhemd und Armlinge anzuziehen, da es doch ein wenig kühl war. Wenn es mir dann doch zu warm werden würde, könnte ich die Sachen in meinem Laufrucksack verstauen, den ich ja ohne Trinkblase mitnahm.
Im Hotel traf ich noch die beiden anderen Gewinner der Startplätze und unterhielt mich kurz mit ihnen. Sie wollten beide unter vier Stunden laufen. Sehr ambitioniert, zumal es ihr erster Marathon ist. Ihre Halbmarathonzeiten (Sub 1:15) sprechen zwar dafür, aber dennoch empfand ich dies als ein mutiges Vorhaben und war ehrlich gesagt auch etwas skeptisch. Wir wünschten uns gegenseitig viel Spaß & viel Erfolg und dann ging es auch schon in Richtung Startbereich.
Ich lief mich ein wenig warm und schaute mir noch die Fahnenschwenker an, bevor ich mich in den Startblock begab. Dieser war jedoch nicht mit Schildern oder Absperrbändern nach Zielzeit unterteilt, sodass ich mich nach Gefühl einordnete. Dann sah ich plötzlich die Pacemaker und vor mir war der für eine 5:30. Im Vorfeld habe ich gelesen, dass man beim Jungfrau Marathon gut 1,5 Stunden zu seiner Stadtmarathonzeit hinzurechnen muss. Mit meiner 3:37 (mit muskulären Problemen) von Frankfurt 2012 könnte ich eigentlich eine Sub5 angehen, aber dazu hätte ich mich auch wie vor zwei Jahren auf eine Stadtmarathonzeit von 3:30 vorbereiten müssen. Dies war jedoch absolut nicht der Fall, sodass ich eine 5:30 realistischer fand. Meine Zielzeit war mir zwar sekundär von Bedeutung, aber da man auf der Strecke teilweise schlecht überholen kann, wollte ich mich nicht unnötig zu weit hinten einordnen.
Während ich meinen Forerunner scharf machte, sprach mich ein schweizer Läufer an, der anhand der Landesflagge auf meiner Startnummer erkannte, dass ich aus Deutschland komme. Er wollte wissen, ob dies meine erste Teilnahme sei. Ich nickte und sagte zu ihm, dass ich froh sei, wenn ich oben ankomme. Daraufhin meinte er, dass wenn ich so gut laufe, wie wir Deutschen Fußball spielen, dann sollte dies kein Problem sein. Ich entgegnete ihm, dass ich trotzdem unsicher sei, da wir ja auch nicht in den Bergen Fußball spielen. Er musste schmunzeln und dann wurde auch schon die Schweizer Nationalhymne gespielt. Danach gab es traditionell ein paar Böllerschüsse, die den Start ankündigten.
Der Lauf
Um 9 Uhr fällt der Startschuss. Die Stimmung ist super und die Masse kommt langsam ins Rollen. Ich nehme mir vor, die ersten Hälfte nicht zu schnell anzugehen, damit ich nicht bereits vor der ersten richtigen Steigung zu viele Körner verbrauche. Ein entscheide mich für einen Kilometerschnitt von 5:30. Damit läuft es sich ganz angenehm die Schleife durch Interlaken und dann schließlich raus aus dem Ort. Das Wetter ist perfekt. Kaum eine Wolke zu sehen, strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Allerdings ist es im Schatten noch immer recht kühl. Das Unterhemd und die Armlinge waren eine richtige Entscheidung.
Ich laufe locker und schaue mir entspannt die Umgebung an. Den Brienzersee bekomme ich in Böningen bei Kilometer 6 nur kurz zu sehen. Dafür ist der Anblick der Berge umso imposanter. Sie wirken so mächtig und erhaben. Einfach wunderschön. Ich freue mich schon jetzt auf das, was im letzten Drittel der Strecke auf mich wartet. Doch bis dahin sind noch ein paar Kilometer zu laufen. Die 10km-Marke bei Wilderswil passiere ich bei 55:08, also gerade einmal ein paar Sekunden über dem Plan. Ich nehme mein erstes Gel zu mir und schnappe mir einen Becher mit Wasser. Auch wenn die Belastung noch gering ist, möchte ich nicht den Moment der notwendigen Flüssigkeitszufuhr verpassen.
Auch die nächsten fünf Kilometer am Gebirgsbach entlang bis Zweilütschinen verlaufen ohne Probleme. Ich genieße in den Orten die Stimmung am Streckenrand und außerhalb kann mich an dem Ausblick der Berge nicht sattsehen. Bis jetzt alles bestens. Selbst als es an einem schmalen Abschnitt am Gebirgsbach entlang ein wenig staut, verliere ich zwar ein paar Minuten, aber ich ärgere mich nicht. Wie gesagt. Die Zeit ist sekundär. Und so nutze ich die Gelegenheit und mache ein Foto. Bis Lauterbrunnen (Kilometer 20) nimmt die Steigung langsam zu. Doch die 300 Höhenmeter sind angenehm verteilt und man spürt sie kaum.
Die Zuschauer insgesamt sind klasse. Guggemusiker oder auch Kinder mit Kuhglocken feuern die Läufer herzlich an. Es wirkt alles so ehrlich. Ich fühle mich wohl. Hoffentlich gibt es diese Unterstützung auch noch später, wenn es in die Höhe geht. Kurz nach Lauterbrunnen passiere ich die Halbmarathonmarke bei knapp über zwei Stunden. Nächstes Gel, ein Becher Wasser und weiter geht’s. Inmitten der mächtigen Felswände (mit kleinen Wasserfällen) links und rechts befindet sich ein Campingplatz. Da hat man sicher einen gigantischen Ausblick, wenn man morgens das Zelt auf macht. Aber ob man da auch schlafen kann?
Nach einer kleinen Schleife geht es auf der anderen Gebirgsbachseite zurück nach Lauterbrunnen. Bei Kilometer 26 wird es nun spannend. Bis jetzt war alles Kindergarten, auch wenn ich so machen bereits habe gehen sehen. Die Läufer werden nochmal ordentlich angefeuert. Als wir den Ort verlassen, weiß ich dann auch wieso. Es geht bergauf. Aber so richtig. Nicht enden wollende Serpentinen (26!) schlängeln sich steil den Berg hoch. An Laufen ist nicht zu denken. Manche versuchen es, resignieren jedoch recht schnell. Um hier permanent am Laufen zu sein, muss man schon sehr gut trainiert bzw. vorbereitet sein. Ich bin ganz ehrlich, Spaß macht dieser Abschnitt nicht. Leider hilft einem auch nicht der Ausblick, denn dieser ist durch Bäume versperrt.
Ich frage mich, wieso ich das Ganze mache. Jeder Schritt ist quälend und man kommt nicht wirklich voran. Wengen (Kilometer 30) will und will nicht kommen. Es sind läppische 2 Kilometer, jedoch mit knapp 400 Höhenmetern, bis wenigstens die Serpentinen ein Ende haben (Kilometer 28). Ich bleibe zumindest nicht stehen, sondern kämpfe mich Schritt für Schritt nach oben. Nicht nachdenken, einfach weitergehen.
Dennoch kommen Zweifel in mir hoch, ob ich für das letzte Drittel noch genügend Kraft haben werde. Ja, auch ans Aufgeben denke ich kurz nach. Aber das wäre dumm. Noch dümmer, als es sonst ist. Spätestens jetzt ist mir die Zeit total egal. Ankommen und Genießen ist das Ziel. Doch nun ist mir auch bewusst, dass das kein Zuckerschlecken wird. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wohl auf der berühmten Moräne sein wird, wenn es an den Alphornbläsern und dem Dudelsackspieler vorbei nicht mehr weit zum Ziel ist. Diese Gedanken stärken meinen Willen.
Endlich, die Serpentinen sind geschafft. Jetzt geht es sogar ein kleines Stück bergab. Doch angenehm ist das nicht. Ich spüre, wie die extreme Steigung meiner Wadenmuskulatur zu schaffen machte. Ich komme nur langsam wieder in Tritt. Na das kann ja noch lustig werden. Immerhin kommt nun Wengen und die tolle Atmosphäre lenkt von den physischen Problemen ab. Doch kaum verlasse ich Wengen, melden sich meine Waden wieder. Ich versuche zu dehnen, doch nun verkrampft noch zusätzlich die Schienbeinmuskulatur. Ganz doof, denn jetzt bin ich etwas ratlos, wie ich die Krämpfe bekämpfen soll.
Ich gehe von nun an (halbwegs zügig), denn Laufen löst sofort Krämpfe aus. Kurioserweise ist die Luft noch ausreichend vorhanden. Es ist nur die Muskulatur, die diese dauerhafte extreme Steigung nicht gewohnt ist. Meine Rettung (zumindest kurzfristig) ist jedoch in Sicht. Ein Massage-Service. Am Streckenrand sind mehrere Stühle aufgestellt, auf denen die Läufer Platz nehmen können, während Helfer die Muskeln einschmieren und massieren. Ich nutze die Chance und setze mich. Die nette Helferin nimmt sich meiner verhärteten Waden an und versucht sie zu lockern. Das tut echt gut. Ich bedanke mich und setzte meinen „Lauf“ fort. Die Waden fühlen deutlich besser an. Zum Glück, denn ich habe zwar nur noch 10 Kilometer vor mir, aber dafür mit 900 Höhenmetern.
Flache Passagen kommen nur noch ganz selten und wenn, dann sind sie von kurzer Dauer. Jetzt wird es ernst. Die Beine wollen nicht mehr so recht, nun muss es der Kopf richten. Dabei sind die Kilometerschilder keine große Hilfe. Sie sind im Abstand von 250 Metern aufgestellt. Manchmal sogar noch weniger. Für mich eher frustrierend, wenn man sieht, wie wenig man seit dem letzten Schild geschafft hat. Egal, ich konzentriere mich auf die jeweils nächsten zehn Meter und versuche mich mit dem Blick in die Berglandschaft abzulenken. Jeder Meter bringt mich dem Ziel näher.
Vor dem Lauf fand ich es noch total übertrieben, als ich in der Infobroschüre die vielen Versorgungsstellen auf dem zweiten Drittel der Strecke sah. Doch nun sehne ich jeden Becher Wasser herbei. Inzwischen greife ich auch zum Iso-Getränk, da ich nur noch ein Gel habe. Die permanente Steigung geht an die Substanz und da man auch länger unterwegs ist, machen die vielen Stände durchaus Sinn. Das Schöne ist dabei auch, dass man von den Helfern (insgesamt sind es 1650!) motiviert wird.
Bei Wixi (Kilometer 38) kommt ein kurzer flacher Abschnitt, wo die Läufer auf zwei verschiedene Wege geleitet werden, damit es sich nicht zu sehr staut. Danach warten auf zwei Kilometern ganze 300 Höhenmeter auf mich. Der Untergrund wird steiniger und ich muss gerade in den schattigen Bereichen aufpassen, dass ich nicht auf den teilweise feuchten Felsen wegrutsche. Hier stößt mein Brooks Ravenna 5 auf seine Grenzen. Dafür hat er auf den Asphaltabschnitten gut Dienste geleistet. Ich kraxle konzentriert Meter für Meter nach oben. Links und rechts des schmalen Trails geht es teilweise ordentlich bergab.
Endlich, Kilometer 40, der letzte Versorgungsstand. Ich trinke einen Becher Iso und genieße den Anblick der Alphornbläser und Fahnenschwinger vor imposanter Kulisse. Ein Helfer bietet an, ein Foto von mir zu machen. Leider hat er meine Beine „abgeschnitten“. Wahrscheinlich fand er die Berge im Hintergrund schöner. Ich kann es verstehen. Da sich an diesem Versorgungsstand die Läufer der anderen Route wieder einfädeln, staut es sich nun ein wenig. Doch sobald es vorangeht, ist ein Anhalten tabu. Der Weg ist so schmal, dass ich alle aufhalten würde. Nur noch über diese Kuppe, dann kommt die heißersehnte und durch viele Fotos bekannte Moräne. Ich bin gespannt und freue mich.
Dieser Streckenabschnitt ist absolut genial. So, wie man ihn von den bekannten Bildern kennt. Ein schmaler Pfad, links und rechts geht es steil bergab, umgeben von mächtigen Felsformationen. Wie Lemminge kämpfen sich die Läufer hintereinander Meter für Meter nach oben. Doch was das Auge zu sehen bekommt, lässt die Schmerzen sofort vergessen. Die vediente Belohnung für die bisher gelaufenen 40 Kilometer. Ein atemberaubender Ausblick!
Bei Kilometer 40,5 wartet der legendäre Dudelsackmann. Leider spielt er für mich gerade nicht. Nun ja, er kann schließlich auch nicht mehrere Stunden am Stück sein Instrument erklingen lassen. Dafür feuert er die Läufer an.Bei ihm geht die Strecke nun nach links ein wenig abwärts. Ich laufe wieder an, doch merke sofort, wie mein rechter Oberschenkel verkrampft. Von den Waden ganz zu schweigen. Kurz vor der letzten Kuppe (mit 2.200 Meter dem höchsten Punkt der Strecke) halte ich bei den Sanis an und lasse mir nochmal kurz die Beinmuskulatur lockern. Schließlich möchte ich für das Zielfoto einen guten Eindruck machen.
Ich gehe die Kuppe hoch und werde dort von sehr netten älteren Damen empfangen, die mir bei dieser etwas unwegsamen Stelle nach unten helfen und mir dabei noch ein Stück Schweizer Schokolade mitgeben. Jetzt sind es nun noch 1,5 Kilometer bis ins Ziel. Es geht abwärts bis zum Speichersee. Dort nochmal ein kleiner Anstieg, dann durch den Tunnel, am See vorbei und ab in Richtung Ziel. Ich höre die Zuschauer, die die Läufer lautstark empfangen. Die Krämpfe in den Beinen sind nun vollends vergessen. Welche Beine? Ich schwebe förmlich vor Glück der Ziellinie entgegen. Die Augen werden feucht und mein Grinsen immer breiter. Ich reiße die Arme hoch und überquere die Zeitmessungsmatte. Yeah, ich habe es geschafft!
Im Ziel
Im Ziel wurde ich von einem Organisator empfangen, der mir die Hand gab und mir persönlich gratulierte. Eine sehr nette Geste (die er übrigens allen Finishern entgegenbrachte). Die Zeit? Unwichtig. Aber mit 5:53:51 blieb ich immerhin noch unter sechs Stunden. Doch die Zeit interessierte mich in diesem Moment absolut nicht. Ich ließ mir stolz meine Medaille umhängen und holte mir sofort mein Finisher-Bier, das ich mit Blick auf das Tal in Ruhe genoss. Doch dann musste ich an meinen Kumpel denken. So gerne hätte ich mit ihm zusammen im Ziel angestoßen. Stattdessen fühle ich mich etwas einsam. Doch so spielt nun mal das Leben. Vielleicht können wir das irgendwann nachholen. Wer weiß.
Nach dem Lauf
Eigentlich wollte ich im Zielbereich duschen, doch ich wusste auch, dass die Fahrt mit der Bahn nach unten lange dauert. Daher entschloss ich mich, einfach frische, trockene Sachen anzuziehen und die nächste Bahn zu nehmen. Der Andrang war natürlich groß, doch es fuhren mehrere Bahnen. Ich hatte Glück und konnte mir ein Sitzplatz am Fenster ergattern. Doch ich hätte besser einen entgegen der Fahrtrichtung genommen, dann hätte ich mich besser zurücklehnen können. Anfangs genoss ich noch den Ausblick, doch irgendwann wurde ich so müde, dass ich einnickte. Es zog sich hin und eine Station vor Interlaken blieben wir stehen und alle mussten aussteigen. Die Strecke war gesperrt. Na toll, zu Fuß war es zu weit. Vor allem in meinem Zustand. Zum Glück wurden recht schnell Shuttle-Busse organisiert, welche natürlich heiß begehrt waren. Aber auch dieses Hindernis nahm ich gelassen und machte mich in Interlaken auf den Weg ins Hotel.
Selbst zum Duschen war ich zu platt und ich brauchte eine Weile, bis ich mich dazu aufraffen konnte. Danach ging ich in den Aufenthaltsraum des Hotels (dort gab es WLAN) und traf die beiden anderen Gewinner der Startplätze. Sie hatten beide ein Dauergrinsen im Gesicht. Kurz darauf wusste ich auch wieso. Sie blieben beide unter vier Stunden (3:48 und 3:54) und hatten somit ihr Ziel erreicht. Alle Achtung, das war ein mutiges Vorhaben und sie haben es mit Bravour gemeistert. Respekt!
Ich telefonierte kurz mit meiner Familie und machte mich dann auf, in der darunterliegenden Pizzeria etwas zu bestellen. Mir war im Restaurant zu viel los. Ich war noch die Ruhe in den Bergen gewohnt und wollte für mich sein. Auf meinem Zimmer aß ich dann ganz entspannt meine Pizza und schaute dabei die Sportschau. Das hatte ich mir verdient.
Ursprünglich wollte ich noch ins Zelt zur After-Run-Party und mir die AC/DC Coverband anhören, doch dazu hatte ich einfach keine Energie mehr. Ich schaute dennoch kurz vorbei und schlenderte danach ein wenig durch Interlaken. Danach ging ich zurück ins Hotelzimmer und wollte schlafen. Doch irgendwie fand ich nicht so recht Ruhe. Wahrscheinlich war ich aufgrund der vielen Eindrücke noch zu aufgewühlt.
Heimreise
Am nächsten Morgen stand ich um 7 Uhr auf und ging zum Frühstück. Gut gestärkt packte ich danach meine Sachen, checkte aus und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Ich wollte so früh wie möglich zu Hause sein, dass meine Familie noch etwas von mir hat. Diese hat mich dann gegen 14 Uhr in Mannheim abgeholt. Nun gab es viel zu erzählen.
Fazit
Wie eingangs schon erwähnt, war dieses Wochenende sehr intensiv und es ging leider viel zu schnell vorbei. Doch letztendlich bin ich froh, dass ich überhaupt teilnehmen konnte. Meine gereizte Achillessehne, das Kratzen im Hals und dann auch noch die kurzfristige Absage meines Kumpels – das Projekt “Jungfrau Marathon” stand permanent auf der Kippe. Verdammt schade war natürlich, dass mein Kumpel nicht mit konnte. Ich freute mich auf die drei Tage mit ihm, da wir auch schon lange nichts mehr gemeinsam unternommen oder uns überhaupt gesehen hatten. Aber es sollte leider nicht sein.
So ging ich also die finalen Züge des Projekts alleine an. Die Anreise mit dem Zug war dank Direktverbindung unkompliziert. Vor Ort in Interlaken war natürlich von Vorteil, dass sich das Hotel in unmittelbarer Nähe zum Startbereich und dem Eventzelt befand. Ich konnte alles bequem zu Fuß erreichen. Somit gab es keinen Stress, den man bei einem Wettkampf nie brauchen kann.
Der Lauf war insgesamt sehr gut organisiert. Alles war durchdacht und ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass etwas schieflaufen könnte (außer mit meinen Beinen). Hinzu kommt, dass alle Helfer sehr freundlich waren und die Zuschauer am Rand mit ihrer ehrlichen Freude ein familiäres Flair vermittelten. Ich fühlte mich willkommen. Dankeschön, liebe Schweizer!
Vielleicht werden nun einige wissen wollen, ob es denn nun tatsächlich der schönste Marathon der Welt sei. Um das beantworten zu können, müsste ich alle gelaufen sein. Aber was ich sagen kann, ist, dass es der mit Abstand schönste Lauf in meinem bisherigen Läuferleben war. Die Kulisse ist einfach gigantisch! Ich konnte mich an dem Ausblick gar nicht sattsehen. Die ersten 2/3 der Strecke sind Warmlaufen mit Sightseeing.
Richtig ernst wird es danach. Und da gab es leider auch einen eher weniger schönen Abschnitt. Die extrem steilen Serpentinen hoch nach Wengen empfand ich als furchtbar. Sie ziehen sich ewig und man kann sich nicht einmal mit einem Blick auf die Berge ablenken, da Bäume einem die Sicht nehmen. Es gab zudem sicherlich nicht viele, die da im Laufschritt hoch sind. Es war doch eher Speed-Wandern, statt Berglaufen. Danach wird es wieder schöner, wenn auch nicht einfacher.
Meine Beine waren ab da etwas überfordert. Das ärgerte mich doch sehr. Aber meine Vorbereitung ließ nicht mehr zu. Also musste ich dies akzeptieren. Ich bin mir jedoch sicher, dass mit einer halbwegs vernünftigen Vorbereitung (mit deutlich mehr Höhenmetern) und ohne Fotopausen eine Zeit unter fünf Stunden möglich gewesen wäre. Doch das war dieses Mal nicht mein Anspruch und deswegen ist meine gelaufene Zeit für mich ok. Ich kam an, das zählt. Das war mein Ziel.
Ich weiß nicht, ob ich den Jungfrau Marathon nochmal laufen würde. Klingt nach all der Euphorie vielleicht komisch, aber es hat seinen Grund. Der Aufwand, der dahinter steckt, um den Lauf richtig und ohne Muskelprobleme genießen zu können, wäre für mich enorm. Ich müsste beim nächsten Mal deutlich mehr trainieren und vor allem viel mehr Höhenmeter am Stück machen. Für mich persönlich grenzwertig, da als Familienvater und Pendler kaum bzw. nicht machbar. Laufen in den Bergen macht mir Spaß, aber die Distanz muss kürzer (bis Halbmarathon) und das Streckenprofil abwechslungsreicher (nicht nur bergauf) sein.
Letztendlich war es ein wunderschöner Lauf, ein einmaliges Erlebnis und eine tolle Erfahrung. An dieser Stelle vielen Dank an engelhorn sports und Mizuno für diesen klasse Preis, den ich beim Laufcup 2013 gewonnen hatte. Einziger Wermutstropfen ist, dass mein Kumpel nicht dabei sein konnte. Aber vielleicht holen wir das irgendwann einmal nach. Die Berge rennen zumindest nicht davon.
PS: Wer die komplette Strecke einmal virtuell ablaufen möchte, kann dies hier tun.