Vergangenen Sonntag fand der Heidelberg Halbmarathon statt, dessen Termin jedes Jahr fest in meinem Laufkalender steht. Bereits für den Beginn der Anmeldefrist stelle ich mir einen Alarm, denn die 3.500 Startplätze sind eigentlich immer innerhalb von 48 Stunden vergeben. Ich bin jedesmal erleichtert, wenn ich die Anmeldefrist nicht verpasst habe. Dieser Lauf ist für mich einfach Pflicht. Doch noch vor 2 1/2 Wochen sah es ganz und gar nicht nach einer Teilnahme aus.
Nach meiner Teilnahme am Heini-Langlotz-Lauf knickte ich in einem Indoor-Spielplatz mit dem großen Zeh um. Das Nagelbett wurde extrem gestaucht und schwoll dick an. Die auf dem Röntgenbild entdeckte kleine Knochenabsplitterung muss dagegen noch von einem früheren Vorfall sein, denn sie verursachte an dieser Stelle keine Schmerzen. Dennoch machte ich mir zunächst wenig Hoffnungen für eine Teilnahme in Heidelberg.
Schonen war angesagt. Der Arzt wollte mich zunächst zwei Wochen krankschreiben, doch ich bestand auf erst einmal einer Woche. Einerseits wollte ich abwarten, wie schnell es verheilt. Anderseits wollte ich dadurch auch meinen Start offenhalten. Wer weiß, wie es schon eine Woche später aussieht. Und tatsächlich, der Zeh verheilte schneller als gedacht. Vielleicht lag es an der Einnahme von Wobenzym oder meinem (verzweifelten) Glauben daran. Ich konnte den Fuß normal abrollen, nur ein Druck von oben war weiterhin unangenehm.
Vor dem Lauf
Der Tag vor dem Lauf war mal wieder alles andere als optimal. Wenig Schlaf, viel unterwegs und abends beim Chinesen gegessen. Danach war ich zu platt, um meine Laufsachen zu richten. Und so klingelte mein Wecker am Sonntag Morgen recht früh, zumal ich die eine S-Bahn(die sonntags leider nur alle 45 Minuten fahren) nicht verpassen durfte. Zwei Scheiben “Leicht & Cross” mit Honig ist wie immer mein “Breakfast for Champions”. Danach die Laufsachen zusammengesucht, die Anmeldebestätigung ausgedruckt und los geht es zum Bahnhof.
Wie auch schon im Vorjahr traf man in der S- Bahn einige Läufer an. Der Shuttle-Bus wartete direkt vorm Hauptbahnhof und fuhr die Läufer zum Startbereich. Alles ganz ohne Probleme und absolut stressfrei. So muss das sein. Ich holte meine Startnummer im Unigebäude ab und ging dann zur Schule, die ganz in der Nähe ist. Dort konnte man sein Gepäck hinterlegen. Da dies auf viele Räume (je nach Startnummer) verteilt war, musste ich auch hier nicht warten. Sehr gut organisiert, was aufgrund der Örtlichkeiten (Altstadt) echt nicht einfach ist. Hinzu kommt, dass die Helfer alle sehr freundlich waren und gute Laune hatten.
Ich lief mich ein wenig in den Seitenstraßen warm und zehn Minuten vor meinem Start (9:20 Uhr) suchte ich den gelben Startblock auf. Vor mir nur noch der grüne Startblock, der fünf Minuten früher startet, damit das Läuferfeld ein wenig entzerrt wird. Der Lauf ist zwar schon auf 3.500 Teilnehmer begrenzt, aber dennoch macht das versetzte Starten Sinn. Es ist einfach angenehmer zu laufen, wenn das Gedränge nicht so groß ist. Schließlich möchte man auch die Passagen am Anfang (Alte Brücke und Philosophenweg) genießen.
Der Lauf
Der Startschuss fällt und ich laufe mal wieder mit recht hohem Tempo los. Dieses Mal aber bewusst, denn die ersten sieben Kilometer sind harmlos. Erst dann geht es ans Eingemachte. Mit einem 4:45er Schnitt finde ich eine angenehme Geschwindigkeit, ohne dabei zu überpacen. Es geht durch die Altstadt, über die Alte Brücke, am Neckarufer entlang und dann hoch zum Philosophenweg. Nun wird es interessant. Alles davor war Warm- und Schaulaufen.
Ich nehme einiges an Tempo raus und orientiere mich nach meinem Puls. Über 160 Schläge möchte ich hier nicht gehen. Ansonsten verbrauche ich zu viele “Körner”. Ich kämpfe mich die Serpentinen hoch und genieße bei bestem Wetter den traumhaften Ausblick auf Heidelberg und das Schloss. Die Zuschauer peitschen wie jedes Jahr die Läufer an und ein Gefühl von Tour de France kommt auf. Namen von Läufern sind mit Kreide auf den Weg geschrieben und links & rechts stehen die “Fans” Spalier. Wahnsinn!
Der Anstieg geht in etwa bis Kilometer 10,5. Dann geht es in den Wald und etwas bergab. Doch ich freue mich nicht zu früh, denn ich kenne die Strecke. Es wartet noch ein kurzer, aber sehr fieser Anstieg auf mich. Der Weg führt steil nach unten, wo eine scharfe Linkskurve wartet. Dort angekommen läuft man wie gegen eine Wand. Es geht steil nach oben. Rechts kann man auf das wunderschöne Neckartal blicken, doch man ist vielmehr damit beschäftigt, einen Fuß vor den anderen zu bekommen. Ich fühle mich, als würde ich stehen und nicht so recht vom Fleck kommen. Doch auf dem Scheitelpunkt angekommen, wartet eine Versorgungsstelle auf mich, die ich dankend in Anspruch nehme.
Nun beginnt die “Talabfahrt”. Vollspeed den Berg runter. Allerdings ist dies nicht zu unterschätze, denn das geht ordentlich in die Beine. Die Oberschenkeln müssen da so einiges abpuffern. Mit einem 4:00er Schnitt (und schneller) düse ich in Richtung Ziegelhausen. Dort fällt es mir zum Teil echt schwer, mein Tempo zu zügeln, damit ich nicht aus den Kurven fliege. Über eine Brücke geht es wieder zurück auf die ursprüngliche Neckarseite. Eine Musikkappelle macht dabei mächtig Stimmung.
An der Uferstraße entlang nähere ich mich so langsam meiner gefürchteten Stelle. Kurz nach Kilometer 16 geht es durch eine kleine Unterführung. Danach geht es extrem steil bergauf. Fast alle gehen, doch ich möchte weiterlaufen, wenn auch sehr langsam. Mit kleinen Schritten quäle ich mich Meter für Meter hoch. Der Anstieg scheint nicht enden zu wollen. Allgemein ist die Strecke zum Schloss hoch sehr listig, denn man meint oft, dass man es überstanden hat. Doch dann geht es doch noch ein weiteres Stück hoch. Ein Vorteil, wenn man die Strecke kennt.
Bei Kilometer 18 wartet auf die Läufer ein kostenloses alkoholfreies Bier. Ich verzichte und konzentriere mich auf den nächsten Kilometer. Danach geht es endlich zurück in die Altstadt und somit nur noch abwärts. Ich schaue auf die Uhr und rechne. Es ist eine Sub1:47 möglich. Ich renne die Serpentinen runter und freue mich auf das Ziel. In der Ebene angekommen, was sehr abrupt geschieht, verspüre ich ein leichtes Ziehen in den Waden. Das war wohl etwas viel für sie. Egal. Es ist ja nur noch einen Kilometer.
Ich biege in die mit vielen Zuschauern befüllte Fußgängerzone ein und zack, die linke Wade zuckt. Ein paar Meter weiter kommt der Krampf. Ich muss tatsächlich 300 Meter vor dem Ziel anhalten und die Wade dehnen. So ein Mist! Das kostete mich 10-15 Sekunden. Ich laufe etwas langsamer weiter und befürchte das Schlimmste. Bitte keinen erneuten Krampf oder gar einen Muskelfaserriss. Die Wade hält zum Glück halbwegs, doch auf den geplanten Zielsprint muss ich verzichten. Eine Verletzung kann ich nicht gebrauchen. Ich biege links ab, schaue erfreut auf die Uhr und laufe überglücklich bei toller Atmosphäre mit einer 1:46:46 ins Ziel. Neue persönliche Streckenbestzeit (um fast exakt 3 Minuten verbessert)!
Im Ziel
Ich war richtig platt, als ich im Ziel ankam. Der Lauf hat seine Spuren hinterlassen. Aber genau das liebe ich an diesem Lauf. Im Ziel weiß man sofort, was man geleistet hat. Ich ging sofort zum Getränkestand, denn eine Medaille gibt es ja leider nicht. Danach wollte ich noch etwas essen, doch am nächsten Stand gab es Waschmittelproben. Hm, braucht das ein Läufer unmittelbar nach dem Lauf? Erst einen Stand weiter gab es Bananen. Das war es auch schon. Es hätten ruhig noch Hefekuchen oder Laugenstangen geben können. Da es mir im Zielbereich zu eng war, verließ ich diesen auch recht schnell. Ich holte mein Tasche ab und machte mich gemütlich zu Fuß auf in Richtung Bißmarkplatz. Zwar gab es auch Shuttle-Busse zurück zum Bahnhof, aber leider erst über eine Stunde später. So lange wollte ich nicht warten. Straßenbahn, S-Bahn, Fahrrad, daheim.
Nach dem Lauf
Nach dem Duschen gab es zunächst einmal ein ordentliches Frühstück. Nutella-Brötchen und ein Stück Mohn-Streuselkuchen, das ich mir noch am Bahnhof kaufte. Das hatte ich mir verdient. Da das Wetter so schön war, ging es danach mit der Familie in den Luisenpark. Zwar waren meine Beine richtig müde und ich wäre auch gerne auf der Couch gelegen, aber die Kinder sollen am Sonntag auch etwas von ihrem Papa haben.
Fazit
Tja, was soll ich zum Heidelberg Halbmarathon noch schreiben? Ich liebe ihn! Die Strecke ist einfach wunderschön und hat Charakter. Es gibt so viele markante Abschnitte, die in Erinnerung bleiben. Zudem ist das Streckenprofil anspruchsvoll und nicht einfach so “aus der Hüfte” zu laufen. Jeder, der es ins Ziel schafft, kann stolz auf sich sein. Ich bin es, vor allem auf meine Zeit. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich ging im besten Fall von einer knappen Sub1:50 aus. Doch eine 1:46:46 nach einer einwöchigen Laufpause und einem verletzten Zeh, das hätte ich nicht gedacht. Dass ich überhaupt starten konnte, war schon das Größte für mich. Ich bin richtig zufrieden und habe den ersten Meilenstein der Vorbereitung auf den Jungfrau Marathon erfolgreich gemeistert. Nächste Station: Mannheim Marathon.
PS: Eine Situation bleibt mir besonders in Erinnerung. Bei ca. Kilometer 6 stand eine Frau am Rand, die ihren kleinen Sohn auf dem Arm trug, der offensichtlich das Down-Syndrom hatte. Er klatschte überglücklich die Läufer ab und strahlte dabei solch eine ehrliche Freude aus, die man echt selten sieht. Dieser Moment war einfach wunderschön. Ich danke Dir, kleiner Held. Bis nächstes Jahr!