Bericht „Frankfurt Marathon 2016“

Von Brennr @BrennrDE

Wie immer am letzten Sonntag im Oktober fand auch dieses Jahr der Frankfurt Marathon statt. Eigentlich wollte ich hinfahren und meinen Kumpel anfeuern. Eigentlich war für mich die Saison nach dem Strahlenburgtrail beendet. Aber manchmal kommt es alles ganz anders. Mein Kumpel hat es leider mit einer Grippe erwischt und konnte nicht starten. Er fragte mich, ob ich seinen Startplatz möchte. Ich, der in diesem Jahr maximal 21,1 km am Stück gelaufen ist? Kann das gutgehen?

Es reizte mich schon irgendwie und nachdem sogar meine Frau meinte „Mach doch!", wollte ich einen auf Jehnke machen. „Das Brennr-Experiment - der macht das wirklich!" 🙂 Mir war aber sofort klar, dass bestimmte Zielzeiten absolut keine Rolle spielen dürfen. Das einzige Ziel darf nur das Ankommen sein, denn ganz ohne lange Läufe einfach spontan einen Marathon laufen zu wollen, ist mutig. Oder wie es Forrest Gump schon so schön sagte: „Dumm ist der, der Dummes tut!". Aber ich sah es eher wie van Gogh: „Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?".

Ich laufe inzwischen seit über neun Jahren und bin 2016 jeden Monat über 130 Kilometer gelaufen. Für eine Marathonvorbereitung ist das natürlich nicht viel, aber ich war in halbwegs guter Form. Und vor allem, erfahren. Ich bin schon zig Wettkämpfe gelaufen, davon drei Marathons. Wenn ich also vernünftig laufe, könnte es klappen. Und wenn nicht, steige ich eben aus und fahre mit der Bahn zurück. Ich hatte nichts zu verlieren. Somit hatte ich keinen Druck, aber dennoch war ich tierisch nervös.

Vor dem Lauf
Passenderweise hatten wir am Abend zuvor noch Gäste und es gab Raclette. Ideal, wenn man am nächsten Tag einen Marathon laufen möchte... 🙂 Ich aß trotzdem mit, wenn auch nicht so viel wie sonst. Als meine Gäste gegen 22:30 Uhr gingen, richtete ich meine Sachen und stellte meinen Wecker. Zum Glück hat man beim Frankfurt Marathon ja wegen der Uhrumstellung immer eine Stunde mehr Schlaf. Sofern man denn schlafen kann. Mein Kumpel brachte mir mittags netterweise noch die Startunterlagen und den Zeitmessungs-Chip vorbei. Ich war startklar. Theoretisch.

Um kurz vor sechs klingelte mein Wecker. Ich aß zwei Scheiben Toastbrot mit Nutella (damit ich nicht ins 11Uhr-Loch falle) und zog mich an. Dann ging es mit dem Rad zum Bahnhof. In der Bahn konnte ich vereinzelt ein paar Läufer erkennen. Am Frankfurter Hauptbahnhof waren dann schon deutlich mehr zu sehen. Mit der U-Bahn fuhr ich dann weiter zur Messe, wo die Startnummerausgabe und auch die Marathonmesse waren.

Die Startnummer bekam ich ohne Probleme. Naja, mein Kumpel und ich haben dasselbe Geburtsjahr und heißen beide Christian. Ich war also nicht irritiert, als ich mit Christian angesprochen wurde. Ich weiß, dass das Übertragen der Startnummer so nicht erlaubt ist, aber ich werde garantiert nicht schneller unter seinem Namen laufen, als er selbst. 🙂 Danach schlenderte ich noch ein wenig auf der Messe herum.

Eine Etage tiefer war die Gepäckabgabe. Dort zog ich mich in einer Ecke um und verstaute meine Sachen in dem Kleiderbeutel. Zum Glück passte alles rein, ansonsten hätte ich für Extragepäck 4 EUR bezahlen müssen. Ich gab meinen Beutel ab und ging in Richtung Start. Mein Handy hatte ich dabei, denn ich wollte meiner Frau Bescheid geben, wenn ich frühzeitig aussteige. Nicht dass sie sich unnötig Sorgen macht. Ich erinnere da nur an meinen ersten Marathon. 🙂

Das Wetter war super. Sonnenschein, aber nicht zu warm. Perfekt! Unglaublich, wie viele Läufer sich hier vor der Messe bzw. Festhalle tummeln. Auf meiner Startnummer stand als Startblock „Asics", denn mein Kumpel gab eine Zielzeit unter drei Stunden an. Hm, da habe ich absolut nichts zu suchen. Ich ordnete mich kurz vor dem letzten Startblock ein. Anders ging es auch nicht mehr. Zu viel war da los. Kontrolliert hat mich keiner. Und wenn, hätte bestimmt niemand etwas dagegen gehabt.

Der Lauf
Zum Marathon selbst kann ich eigentlich gar nicht so viel schreiben. Klingt vielleicht komisch, denn auf 42 Kilometern sollte man doch einiges erlebt haben. Das stimmt und das habe ich auch. Doch ein detaillierter Ablauf der Ereignisse ist mir nicht hängengeblieben. Mag eventuell daran liegen, dass ich den Lauf genossen habe und nicht ständig auf die Uhr oder Kilometermarkierungen schaute.

Die ersten Kilometer achtete ich penibel darauf, nicht zu schnell zu beginnen. Ich wollte einen Schnitt von 6:00 oder etwas langsamer laufen. Zu sehr hatte ich Respekt vor der Distanz. Da mag man sich 30 Kilometer ganz gut fühlen, kann sich das dann doch schlagartig ändern. Ohne langen Trainingsläufe erst recht. Also zwang ich mich langsam zu laufen. Wobei das überraschend gut klappte. Ich nahm viel mehr als sonst von der Strecke und der Atmosphäre wahr. Das war eine schöne Erfahrung.

Ich klatschte jede rausgestreckte Kinderhand ab und schaute mir die Umgebung an. Die Zeit bzw. die Kilometer vergingen wie im Fluge. Bei den Versorgungstellen war ich dagegen hochkonzentriert. Ich nahm jedes Mal einen Becher Wasser, eine halbe Banane und ab Kilometer 20 (alle 5km) zusätzlich ein Taxofit-Gel (dies kannte ich und wusste, dass ich es vertrage). An der Versorgung sollte mein Vorhaben schließlich nicht scheitern.

Bis zur Hälfte lief alles rund. Mit 1:06 auch absolut im vorgenommenen Tempo. Dennoch wollte ich nicht schneller laufen. Zwar ging mir kurzzeitig der Gedanke an einer Sub4 durch den Kopf, doch diesen verdrängte ich ganz schnell. Ich nahm mir im Vorfeld ganz fest vor, dass ich vor Kilometer 35 (mindestens) keine Rechenspiele bzgl. der Zielzeit mache. Zu hoch ist die Gefahr, dass ich mich zu einem Tempo verleiten lassen, dass ich auf den letzten Kilometern bereuen würde.

Ab Kilometer 25 begann bereits das Leid um mich herum. Manche mussten jetzt schon deutlich langsam machen oder sogar gehen. Hallo? Wer hat denn hier nicht auf einen Marathon trainiert? Ihr oder ich? Ich ließ mich nicht verunsichern und lief locker weiter. Wobei ich ab Kilometer 30 dann doch ein kleinwenig merkte, dass meine Beine diese Distanz nicht gewohnt waren. Aber alles noch im grünen Bereich. Keine Schmerzen, keine Ansätze von Krämpfen. Und so machte ich bei Kilometer 32 ein Foto und schickte es meiner Frau mit dem Kommentar, dass ich in ca. einer Stunde im Ziel sein werde.

Die lange Mainzer Landstraße ist etwas langweilig. Aber immerhin bewegte man sich Richtung Innenstadt. Ab jetzt waren die Restkilometer einstellig. Würde ich also tatsächlich das gewagte Projekt erfolgreich beenden? Es sah danach aus. Aber man darf nie die letzten Kilometer unterschätzen. Und so kam es dann auch. Auf dem Kopfsteinpflaster bei Kilometer 40 hatte ich kurz vertreten und ein leichter Ansatz eines Krampfes in der Oberschenkelinnenseite machte sich bemerkbar. Ich lief ruhig und langsam weiter.

Es war nicht mehr weit. Ich bog ab zur letzten langen Gerade vor der Festhalle in Richtung Mann mit dem Hammer. Der hatte mich bereits 2012 kurz vor dem Ziel geärgert. Und so auch dieses Jahr. Ich hatte vielleicht noch 400 Meter vor mir, als sich ganz plötzlich mein Oberschenkel verkrampfte. Ich hielt an und wollte dagegendehnen. Doch ich wusste nicht wie! Egal welche Position ich einnahm, es wurde immer schlimmer. Selbst langsames Gehen ging in diesem Moment nicht. Ich musste tatsächlich eine Weile stehenbleiben. Irgendwann konnte ich wieder langsam loslaufen, doch auf dem Roten Teppich vor der Festhalle kam der Krampf erneut. Ich ging wieder ins Gehen über, damit ich zumindest der Festhalle halbwegs laufend ins Ziel komme.

Tatsächlich, kaum war ich in der Festhalle, konnte ich wieder laufen. Nicht sonderlich schnell, aber es sah einigermaßen wie Laufen aus. Ich hatte zwar diese letzten 100 Meter auf dem Roten Teppich schon einmal erlebt ( 2012) und wusste, was mich erwartete, aber dennoch bekam ich wieder Gänsehaut. Diese Atmosphäre ist einfach gigantisch und der verdiente Lohn für die überstandenen 42 Kilometer. Obwohl ich mit der Masse einlief, war 10 Meter vor mir niemand. Dies verstärkte das einmalige Gefühl noch zusätzlich. Ich riss keine Arme hoch (wie sonst), sondern lief locker mit einem Lächeln nach 4:16:17 ins Ziel.

Nach dem Lauf
Im Ziel bekam ich erst einmal keine Medaille. Fand ich schade, aber ist logistisch wohl nicht anders zu lösen. Der Platz hinter der Ziellinie ist einfach begrenzt. Ich machte ein Selfie und schickte es meiner Frau. Dann ging ich durch die Halle raus auf den Vorplatz. Dort war richtiges Gedränge vor der Medaillenausgabe. Das trübt ein wenig die Laune, denn man ist platt, kühlt so langsam aus und möchte einfach nur etwas trinken und essen. Es vergingen einige Minuten, bis ich meine Medaille hatte und zu den Versorgungsständen kam.

Von denen war ich allerdings auch etwas enttäuscht. Die Getränke (Iso, Bier, Tee, Suppe) waren noch ok, aber vom Essensangebot hatte ich doch mehr erwartet. Müsliriegel, wenig Kuchen und Äpfel. Nee, so richtig glücklich hat mich das nicht gemacht. Schade. Da mir das Gedränge zu groß war, ich mich nirgends setzen konnte und zudem anfing zu frieren, bin ich in die Messehalle, um meine Sachen abzuholen.

Meinen Kleiderbeutel bekam ich recht schnell und ich zog mich auch gleich um. Zum Glück konnte ich mich dazu an einer Bank setzen, denn sonst hätte ich meine CEP-Strümpfe nicht ausgezogen bekommen. Es dauerte echt eine ganze Weile, bis ich umgezogen war. Ja, jetzt spürte ich die 42 Kilometer am ganzen Körper. Danach schlenderte ich nochmals kurz über die Messe und traf dabei noch den Flow (Florian Neuschwander). Nach einem kurzen Schwätzchen machte ich mich dann auf den Heimweg. Zuhause genoss ich die heiße Dusche. An den folgenden beiden Tagen waren Treppen nicht unbedingt meine Freunde. Aber am dritten Tag ging es meinen Beinen schon wieder überraschend gut.

Fazit
Das Abenteuer war gewagt, aber ich habe es geschafft. Wahrscheinlich auch aufgrund meiner Erfahrung. Ich kenne meinen Körper und weiß, wie ich sowas anzugehen habe. Dennoch blieb das Ganze bis zum Schluss eine Überraschungsbox. Das machte den Marathon so spannend. Dennoch konnte ich den Lauf richtig genießen und habe eine andere, interessante Sichtweise wahrgenommen.

Einen Marathon aus der kalten Hüfte laufen? Ja, kann man unter bestimmten Voraussetzungen machen. Ob es sinnvoll ist? Sicher nicht. Aber es war auch keine „von 0 auf 42"-Aktion. Daher hatte es mich einfach gereizt, ob ich es schaffen würde. So gesehen war der Frankfurt Marathon ein voller Erfolg. Und genau so bleibt er für mich auch in Erinnerung. Gerne würde ich die Sub3:30 irgendwann nochmal angehen. Und dann kann solch ein Marathon als Erfahrung sicher nicht schaden.

Eines ist klar. Die Saison ist nun definitiv zu Ende. Mein Körper braucht nach diesen vielen Wettkämpfen auch mal etwas Ruhe. Ich werde bis Ende des Jahres weiterhin laufen, nur eben nicht mehr mit dem Fokus auf Tempo und Zeit. Jetzt geht es wieder vermehrt in den schönen Dossenwald oder auch auf ganz neue Laufstrecken. Off-Season ist angesagt. Diese habe ich mir verdient.