Aber langsam wächst allgemein auch die Erkenntnis, dass hier der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben wird – und der gute Ruf wackelt merklich.
Der gute Ruf der Blockchain bröckelt
Je mehr sich Blockchains verbreiten, umso weniger bleibt von dieser Vision übrig, stellt die Technology Review aktuell fest.
Schauen Sie sich als Musterbeispiel einer Blockchain den Bitcoin an: Beim Digitalgeld Bitcoin wird das Netzwerk von einigen wenigen großen Mining-Pools kontrolliert – und dezentral oder sogar zugänglich für jedermann ist der Mining-Prozess des Bitcoin ja auch schon schon lange nicht mehr.
Trotzdem hält sich aber die Vorstellung hartnäckig weiter, die Blockchain-Technik könne eine egalitäre, demokratischere Gesellschaft befördern – zu Unrecht, meinen einige Forscher.
Warum neoliberale Rechte den Bitcoin so lieben
Informatiker und Buchautor David Golumbia findet vor allem die regierungsfeindliche Haltung von vielen Blockchain-Anhängern problematisch. Diese Denkweise sei tief in der neoliberalen politischen Rechten verankert, die den Einfluss des Staates aus allen Lebensbereichen weitestmöglich herausdrängen wolle. „Mir ist schleierhaft“, macht Golumbia deutlich, „warum jemand, dem Demokratie am Herzen liegt, es erstrebenswert findet, politische Autorität zu eliminieren“.
Die Harvard-Politologin Primavera de Filippi springt ihm bei, das Bitcoin-System zeige, „eine hochtechnokratische Machtstruktur“. Eine Minderheit von Experten habe dabei enorme Befugnisse, ohne dabei für ihre Entscheidungen Rechenschaft ablegen zu müssen.
Mich wundert ja schon, warum die neoliberale FDP im laufenden Bundestagswahlkampf keine Bitcoins auf ihre Plakate gedruckt hat – aber ein Mann kann ja nicht an alles denken…
Neue Oligarchien am Horizont
Marcella Atzori vom Center of Blockchain Studies des University College of London fürchtet die Entstehung „neuer Oligarchien und einer starken Polarisierung in der Gesellschaft“:
Eine kleine Elite von technisch versierten Personen stünde dabei einer riesigen Mehrheit von Blockchain-Analphabeten gegenüber. Diese würden dann zu „passiven Empfängern von Dienstleistungen“ degradiert und hätten keinerlei Mitsprachemöglichkeit.
„Wer immer diese Plattformen besitzt und kontrolliert, wird eine große Macht über die Zivilgesellschaft haben“, schreibt Frau Atzori in einer Studie. Sie sieht den Ausweg in einer Form demokratischer Kontrolle der Technik, die zurzeit schon in den sogenannten „Permissioned Blockchains“ erprobt wird.
Anders als bei offenen Ketten wie Bitcoin und Ethereum darf sich hier eben nicht jeder einklinken. Nur wer eine Einladung für diesen „geschlossenen Club“ hat, darf sehen, was im Netzwerk passiert und selbst Transaktionen abwickeln – was die Benutzung als Kryptogeld doch stark einschränkt.
Ein ehrliches Fazit
Es ist eine bittere Pille für manche Blockchain-Enthusiasten (*hust*) und hat auch irgendwie schon etwas von Realsatire, dass Blockchains vielleicht am besten der Zusammenarbeit zwischen großen Firmen und Organisationen dienen könnten.
Solchen Institutionen also, die die Pioniere der Technik ja eigentlich damit beseitigen wollten. Shit happens…