Er ist Stuttgarter Hochschulprofessor, erfahrener Unternehmensberater und Autor des Buches Consultant-Knigge: Prof. Dr. Dirk Hartel. Consulting-Life.de hatte Gelegenheit mit dem Logistik & Managementexperten über sein Werk, das geänderte Rollenverständnis eines Beraters sowie die Zukunft des Consulting zu sprechen.
Hallo Herr Prof. Dr. Hartel. Ihr Buch Consultant Knigge ist bereits in der zweiten Auflage erschienen. Warum schreibt ein Hochschulprofessor für Supply Chain Management und Logistik ein Buch über Verhaltensregeln für Unternehmensberater?
Auf welche Weise sind Sie an die vielen im Consultant Knigge festgehaltenen Regeln, Hinweise und Best Practices gelangt?
Als die erste Auflage erschien, konnte ich bereits auf gut zehn Jahre Berater-Tätigkeit zurückgreifen. D.h., einerseits basiert das Buch zu einem großen Teil auf eigenen Erfahrungen innerhalb eines Projektteams, andererseits arbeiten bzw. arbeiteten sehr viele aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis im Consulting-Umfeld. Daraus ergaben sich immer wieder interessante Gespräche zum Feierabend ebenso gezielt in Vorbereitung auf die Publikation.
Arbeitskultur,-werte und -regeln ändern sich mit den Jahren. Inwieweit gilt das auch für Verhaltensregeln in der Beratungsbranche?
Obwohl die Beratungsbranche sicher zu den eher konservativen Berufszweigen zählt, finden auch hier Veränderungsprozesse im gegenseitigen Umgang statt. Diese veränderten Verhaltensregeln gehen einerseits von den Beratern aus, indem etwa die Generation Y heute wesentlich weniger hierarchieorientiert denkt und handelt und die political correctness einen noch größeren Stellenwert einnimmt. Andererseits werden die Veränderungen aber auch teils von Kundenseite aus initiiert, indem z. B. der Vorstand bei Continental im Frühjahr diesen Jahres empfiehlt, auf Krawattenpflicht intern zu verzichten.
Was war Ihr größter Fehler im Consulting? Und welche ‚Lessons Learned‘ haben Sie aus diesem gezogen?
Im Laufe der Jahre passieren immer wieder Dinge, die man hätte im Nachhinein anders machen sollen. Spontan fällt mir folgendes Beispiel ein: Ich hatte einen Akquisetermin mit einem potenziellen Kunden in Stuttgart vereinbart (damals lebte ich noch in München). Als ich dann morgens um 10 Uhr dort ankam, sagte mir die Sekretärin, dass es ihr Leid täte, aber der Manager leider vergessen hätte, ihr den Termin mitzuteilen und außerdem aktuell in Berlin wäre. Also bin ich an dem Tag fast 500 km für nichts gefahren. Seitdem habe ich mir angewöhnt, speziell bei längerfristig vereinbarten Meetings grundsätzlich ein bis zwei Tage vorher anzurufen, ob der Termin nach wie vor steht. Das irritiert zwar manchmal den Ansprechpartner, ich bin dafür dann aber auf der sicheren Seite.
Führen Sie Beratungsvorhaben immer nach den im Consultant Knigge festgehaltenen Hinweisen und Regeln durch oder machen Sie bewusst Ausnahmen?
Der Consultant-Knigge sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass man sich sklavisch an die Ausführungen zu halten hat. Schließlich sollten die Empfehlungen im Buch auch zum eigenen Typ passen. Natürlich gibt es auch situationsbezogene Ausnahmen, z. B. wenn ich die Kundenseite gut kenne und statt der klassischen Abschlussformel „Mit freundlichen Grüßen“ die persönlichere Formulierung „Beste Grüße aus dem sonnigen Stuttgart“ verwende. Solch eine Formulierung bietet sich aber nicht für jeden Kunden-Mitarbeiter an.
Mit welchen Eigenschaften würde ein Prof. Dr. Hartel heute den (annähernd) perfekten Consultant beschreiben?
Aufmerksam, aber nicht aufdringlich,
lösungsorientiert, aber nicht besserwisserisch,
kreativ, aber nicht abgehoben,
souverän und seriös, aber nicht abschottend,
freundlich und entgegenkommend, aber nicht anbiedernd,
und auf jeden Fall mit positiver Ausstrahlung und immer einen Schritt dem Kunden voraus. Vermutlich ist nichts schlimmer als ein Consultant, der den Eindruck hinterlässt, selbst keine Problemlösung anbieten zu können.
Verbiegt sich dieser „Mr. Perfect Consulting“ nicht zu stark für seinen Kunden? Immerhin weiß der Klient auch nicht immer, was das beste für ihn ist.
Das stimmt! Denn wenn er es wüsste, bräuchte er auch keinen Consultant. Beraten bedeutet aber nicht Konformität bis zur Unkenntlichkeit, denn auch der soziale Fit muss zwischen Berater und Klient vorhanden sein. Auf der anderen Seite muss man sich immer zu einem gewissen Grad an die Gepflogenheiten des Kunden anpassen. Wer das nicht kann oder will, wird mit dem Berater-Dasein mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer nicht glücklich.
Wenn Sie heute an ihre Hochschulstudenten denken: mit wie viel Consulting-Wissen werden diese im Rahmen ihres Studiums bereits ausgestattet?
Wir bieten unseren Bachelor-Studierenden in unserer Studienrichtung „Logistikmanagement“ ein Profilfach „Consulting“ über sechs Semester an. Es reicht von Grundlagen über Geschäftsprozesse und Projektmanagement bis hin zur Schulung und Anwendung von Beratungs-Tools. Auch das Thema „Change Management“ spielt im Curriculum eine große Rolle. Darüber hinaus gibt es auch eine Vertiefung „Consulting & Services“ bei BWL-Dienstleistungsmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart.
Welche Fächer raten Sie einem Studierenden der beabsichtigt nach dem Uni-Abschluss Juniorberater zu werden?
Man sollte nur in den Bereichen beraten, die einen auch reizen. D. h., den Studiengang per se gibt es nicht. Zwar kommen in der Tat die meisten Berater aus den Wirtschafts- und den Ingenieurwissenschaften, aber ich kenne auch einen Berater, der Forstwissenschaften im Erststudium belegt hatte. Am ehesten bietet sich ein breit angelegtes Studium im Bachelor an, ergänzt um einen fachspezifischen Master. Auf jeden Fall sollten Projektmanagement, Soft Skills und Unternehmensplanspiele im Curriculum berücksichtigt werden. Und selbstverständlich sollte man ein Praktikum im Consulting absolviert haben, oder am besten gleich dual studieren.
Zu guter Letzt ein Blick in die Glaskugel: Wo sehen Sie die Beratungsbranche in einer Dekade?
Auch in Zukunft wird der Beratungsmarkt zu einer der wenigen verbliebenen Wachstumsbranchen in Deutschland zählen, wobei ich eher von einem moderaten Anstieg ausgehen würde. Die Zeit der breit angelegten „Schulland-Verschickungen“ mit Consultants frisch von der Hochschule ist definitiv vorbei. Ich sehe im Wesentlichen zwei Trends: Erstens wird der Anteil der internen Berater weiter zunehmen, da der Beratungsbedarf in unsicheren Zeiten eher zu- statt abnimmt. Zweitens wird in Zukunft noch mehr Wert auf Erfahrung und Expertise bei externen Consultants gelegt: Methodenkompetenz wird als selbstverständlich vorausgesetzt und stellt kein Differenzierungskriterium dar; nur wer über fundiertes fachliches Know-how verfügt, bekommt den Auftrag.
Besten Dank Prof. Dr. Dirk Hartel für Ihre Zeit und die aufschlussreichen Antworten.
Das Gespräch führte Christopher Schulz, 23.08.2016
Dirk H. Hartel
Prof. Dr. Dirk H. Hartel, geboren 1972, ist Professor für Logistik und Supply Chain Management sowie Leiter des Studiengangs BWL-Dienstleistungsmanagement/Logistikmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart sowie als Berater, Trainer und Lehrbeauftragter tätig. Seien wesentlichen Buchprojekte sind: Consultant-Knigge, Consulting und Projektmanagement in Industrieunternehmen*, Projektmanagement in der Logistik und Fallstudien in der Logistik.