Beobachtungen aus dem Krankenhaus (Tag 2): Don’t go breaking her heart (1/3)

Dass ich dieses Jahr so gut wie gar nichts gebloggt habe, ist ja kein Zustand. Kein Urlaubsblog, kein Gespräch mit dem Tod, kein Garnichts. Daher kurz vor Schluss ein retrospektiver Krankenhaus-Blog. Quasi wie Urlaub, nur ohne Urlaub.


Tag 1: Ein kaputtes Herz muss man reparieren


Dienstag, 5.30 Uhr. Der Handywecker reißt mich aus dem Schlaf. Heute wird es ernst. Die Herz-OP meiner Frau. Ihr persönlicher O-Day. Unbekümmertheit vortäuschend, stehe ich mit Schwung auf und trete gegen die Wand. Ich muss mich noch an die Größe – beziehungsweise Kleine – des Hotelzimmers gewöhnen.

Die Dusche, die sich über dem Bett befindet, erweist sich als erstaunlich geräumig. Zumindest für ein Zwergkaninchen. Wenigstens hat sie eine Glastür und keinen verkeimten Duschvorhang, der schon bei der kleinsten Berührung Spontanherpes am ganzen Körper auslöst.

Beobachtungen aus dem Krankenhaus (Tag 2): Don’t go breaking her heart (1/3)Hotelzimmer. (Symbolbild; maßstabsgetreue Darstellung)

Im Eingangsbereich des Hotels genehmige ich mir einen Kaffee aus einer riesigen Pumpkanne. Den gibt es gratis. Zugegebenermaßen kein Weltklasse-Kaffee, aber bei einem geschenkten Gaul erwartest du ja auch nicht, einen edlen Vollblutaraber zu bekommen.


Vom Hotel zum Krankenhaus sind es knapp drei Kilometer. Laut Handy ein 30-minütiger Fußmarsch. Es fährt auch ein Bus, aber bei meinem schlechten Orientierungssinn, würde es wahrscheinlich schon 30 Minuten dauern, bis ich die Haltestelle überhaupt gefunden habe.

Also laufe ich zur Uniklinik und versuche, nicht an die OP zu denken. Verdrängung ist ja immer eine gute Strategie, um mit unangenehmen Dingen umzugehen. Diese Devise befolgend, habe ich beispielsweise seit über einem Jahr nicht mehr unseren Keller betreten, der dringend entrümpelt werden müsste.

Nach knapp 500 Metern komme ich an einem Friedhof vorbei. Anscheinend soll meine Verdrängungsstrategie auf die Probe gestellt werden. Ich schiebe trotzdem jegliche schlechten Gedanken beiseite. Den Rest des Weges zähle ich meine Schritte, um an nichts zu denken. Weiter als 50 komme ich aber nie, weil ich dann doch mit dem Denken anfange. Eine OP ist halt etwas anderes als ein unaufgeräumter Keller. An den habe ich das ganze letzte Jahr nicht gedacht.


Inzwischen ist es kurz nach halb Sieben. Ich betrete das Zimmer meiner Frau. Sie ist wach und trägt eines der wenig kleidsamen aber für Krankenhauszwecke überaus praktischen Flügelhemden. Sie macht einen gefassten Eindruck. Vielleicht wirkt das aber auch nur so in der schummrigen Nachtbeleuchtung des Zimmers.

Ich frage, ob sie ihr Herzmedikament genommen hat. Zuhause vergisst sie das nämlich ab und an. Sie vereint. Ihr Herz werde gleich ohnehin abgeknipst, da sei das auch egal. Eine bemerkenswert nüchterne Sicht.

Eine Schwester bringt ein Beruhigungsmittel. Für meine Frau, nicht für mich. Kein Johanniskraut-Gedöns, sondern Rohypnol. Wenn du am Herzen operiert wirst, bekommst du gleich das richtig gute Zeug.


Kurze Zeit später holt ein Mitarbeiter des Transportdiensts meine Frau ab. Ich kann sie bis zum OP-Saal begleiten und laufe neben ihrem Bett wie Clint Eastwood neben der Präsidenten-Limousine in „In the line of fire“. Es geht dunkle Gänge entlang, wir biegen mehrmals links und rechts ab, fahren mit dem Aufzug einige Etagen runter, laufen durch weitere Gänge, machen Links- und Rechtskurven, durchqueren Flügeltüren und nehmen Abzweigungen. Ich habe vollkommen die Orientierung verloren und keine Ahnung, wo wir uns gerade befinden.

Als wir am OP-Bereich angekommen sind, erklärt der Transport-Mitarbeiter, wir müssten uns nun verabschieden. Ich küsse meine Frau auf die Stirn, drücke ihre Hand und wünsche ihr alles Gute. Sie wirkt immer noch sehr gelassen. Fast schon abgeklärt. Vielleicht hat das Rohypnol einfach schon reingekickt. Ich hätte auch um eine Portion bitten sollen.

Bevor wir weitere Worte wechseln können, schiebt der Krankenhaus-Mitarbeiter das Bett mitsamt meiner Frau in den OP-Bereich. Gedankenverloren winke ich ihr hinterher, obwohl sie mich gar nicht sehen kann. Auch als sich die automatische Flügeltüre schließt und ich den Mitarbeiter und das Bett hinter der Milchglasscheibe nur noch schemenhaft erkennen kann, wedle ich weiter mit meinem Arm wie eine Winkekatze im Schaufenster eines chinesischen Restaurants. Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Die nächsten neun bis zehn Stunden gibt es für mich nichts zu tun. Außer zu warten. Und den Weg zurück aus dem Keller ans Tageslicht zu finden. Hoffentlich schaffe ich das, bis meine Frau aus der Narkose erwacht.


Fortsetzung (Tag 2, 2/3)


Alle Folgen des Krankenhaus-Blogs:

  • Tag 1: Ein kaputtes Herz muss man reparieren
  • Tag 2: Don’t go breaking her heart

Beobachtungen aus dem Krankenhaus (Tag 2): Don’t go breaking her heart (1/3)

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