Bereits mit diesen ersten zwei Sätzen hat Benedict Wells mich komplett in seinen Roman hineingezogen. Ohne vorher den Klappentext zu lesen, weiß ich bereits – das ist mein Buch. Im nächsten Kapitel geht es zurück in die 90er Jahre. Beck ist Lehrer für Deutsch und Musik an einem Gymnasium in München. Er hasst seinen Beruf, er hasst das Gymnasium (Beck hatte hier sein Abitur gemacht, sein Vater war Lehrer an diesem Gymnasium!) und er hasst seinen Kollegen Norbert Berchthold.
Was er nicht hasst: gute Musik, seinen Freund Charlie, seinen 17jährigen Schüler Rauli aus Litauen und die 10 Jahre jüngere Lara, die gerne in Clubs geht, um zu tanzen. Lara aber geht für ein Kunststudium nach Rom und sein Freund Charlie erleidet einen schweren depressiven Zusammenbruch, er landet in der Psychiatrie. Das Leben von Robert Beck steht Kopf. Ewiger Zweifler und Grübler, der er mit seinen fast 40 Jahren ist, raucht er aber lieber einen Joint oder trinkt ein paar Flaschen Bier, als seine Probleme zu packen. Sein Schüler Rauli hat einen Song auf ihn geschrieben, der das ziemlich treffend zusammenfasst:
You are tired enough / for never waking up / It’s a chilling disaster / Your hopes are cold / Your heart is Alaska (S. 184)
Will Beck zuschauen, wie Lara ihm einfach davon tanzt? Wieso war er so schwach, wieso war er nicht jemand, der jetzt einfach aufstand und sie küsste … Beck wusste, dass da seit Jahren etwas in seinem Inneren war, ein Stachel, der ihn vergiftete, der dafür sorgte, dass er feige und kraftlos war (S. 197).
Die Dinge eskalieren schließlich so komplett, dass der liebeskranke Beck, sein manisch-depressiver und drogensüchtiger Freund Charlie sowie das “litauische Wunderkind und Musikgenie” Rauli mit einem gelben VW in Richtung Istanbul reisen. Der Roman verwandelt sich in seinem zweiten Teil in eine Art road novel. So wie sich die Geschichte überhaupt ständig in eine unerwartete Richtung entwickelt. Immer, wenn ich mir sicher bin, zu wissen, wie es weiter geht, dann ändert Benedict Wells seinen Plan und schickt mich ganz woanders hin. Ich erinnere mich, dass es mir auch bei seinem Roman Fast genial so ging. Und wie überrascht ich damals vom Ende des Romans war.
Wer lieber ins Kino geht: Am 23. Juli startet die Verfilmung des Romans mit Christian Ulmen in der Hauptrolle als Lehrer Robert Beck. Einen Monat später, am 26. August erscheint für alle, die sich Geschichten lieber vorlesen lassen, das Hörbuch, gesprochen ebenfalls von Christian Ulmen.
Und nun will ich mich für einen Kinobesuch verabreden und erfahre in einem Telefongespräch mit meiner Bloggerkollegin und Freundin Klappentexterin, dass auch sie die Bücher von Benedict Wells sehr schätzt und vor langer Zeit besprochen hat. Deshalb geht es jetzt hier zu Becks letzter Sommer. Und hier geht’s zum Interview, in welchem die Klappentexterin den Autor Benedict Wells auch fragt, ob er vielleicht Lust hätte, eine Fortsetzung zu schreiben. Schade! Er verneint diese Frage, muss aber zugeben, dass ihm das schwer fallen würde, weil auch er die Figuren so geliebt habe und die Zeit mit ihnen vermisse.
Benedict Wells. Becks letzter Sommer. Diogenes Verlag. Zürich 2007. 450Seiten. TB 12,- €. Audio-CD 25,- €