Bellingham - Anchorage: Inside Passage

Von Monikaloder
Zurück in Bellingham holten wir unsere geliebten Bicis aus der Werkstatt und versuchten, etwas Ordnung in unser Gepäck zu bringen. Wir gingen auch beim Ferry Terminal vorbei und holten unsere Tickets vorgängig ab. Die Buchung war eine ziemliche Zangengeburt gewesen, d.h. es hatte eine volle Woche gedauert, bis Martina ein Bestätigungsmail gekriegt hatte, und das, obwohl sie telefonisch nachgefragt hatte. Offensichtlich hat das aber trotzdem geklappt, jedenfalls erhielten wir die Papierlis anstandslos ausgehändigt. Hoffentlich, wir hatten auch genug dafür bezahlt. $ 547/Person kostet die Beförderung, ohne Bett und ohne Futter. Da Martina nicht fünf Nächte lang irgendwo auf einem Sessel oder am Boden schlafen wollte und die günstigsten Kabinen schon ausgebucht waren als wir die Reservation vorgenommen hatten, hatten wir nun eine Kabine, die $ 442 gekostet hat. Dazu kamen $ 89/Velo. Und wie gesagt, da ist kein Food inbegriffen, ergo gingen wir noch shoppen. Kochen würde auf dem Schiff nicht gehen, wir wussten aber, dass wir Zugang zu einer Mikrowelle haben würden. Entsprechend musste Mikro-taugliches Futter ran. Nicht zu vergessen alle möglichen Snacks für davor, danach und dazwischen, jene fertigen Mikro-Portionen sind schliesslich genau das: mikro-skopisch klein. 

Fähre bereit zur Reise nach Alaska.


Am 12. Mai am Nachmittag verabschiedeten wir uns also von den gerade anwesenden Bewohnern der Oasis, Rowan begleitete uns zum Terminal. Dort mussten wir kaum warten, wir konnten boarden noch bevor irgend ein Auto geladen war. Als uns gesagt wurde, wir sollten die Velos einfach an eine Wand zu lehnen, fanden wir, das das für den Preis zu billig sei und erhielten auf Anfrage tatsächlich Abspannriemen. Somit waren wir bereit zum Bezug unserer Kabine. Wir hatten unser Gepäck so umgebiegen, dass wir nur wenig Zeug mit raufnehmen mussten. Beim Purser, so quasi dem Receptionist des Schiffes, erhielten wir die Schlüssel und einen Plan des Schiffes. In unserer Luxuskabine fanden wir ein Bunkbett, ein Lavabo und Handtücher. Fast wie im Hotel. Ein privates Klo hatten wir nicht, die öffentlichen Toiletten befand sich praktischerweise aber vis-à-vis unserer Zimmertür, also etwa einen Meter entfernt. 

Unsere Kabine.

Überall im Schiff hingen Kotztüten.


Wir unternahmen einen Spaziergang durch‘s Schiff um uns zu orientieren. Auf dem obersten Deck hatte es eine Art „Solarium“, dort standen schon einige Zelte rum. Zelten ging aber natürlich nur mit einem freistehenden Hüttchen, weshalb das für uns nicht in Frage kam. In der „Upper Aft Viewing Loung“ auf dem Sun Deck (einen Stock tiefer) war zeltloses Schlafen auf Sitzen oder Boden erlaubt, da hatte sich auch schon einer eingenistet. Auf dem Boat Deck befanden sich Cafeteria, Bar, Gift Shop, Kinder-Spielecke, Kino und die Forward Observation Lounge, die sich als unser bevorzugte Aufenthaltsort herauskristallisieren sollte. An den Wänden und Cafeteriatischen hing und klebte geschichtliche Information betr. Gold Rush, aber auch über Flora und Fauna. 
Wir legten kurz nach 18 Uhr ab. Nach etwa drei Stunden kam der Frachthafen und dann Downtown Vancouver in Sicht, danach nichts mehr, das wir kannten. Am Nachmittag fuhren wir an zwei kleinen Dörfern vorbei und wunderten uns, von was man dort wohl lebt. Fischerei und Holzschlag? Viel Aufregendes passierte dann nicht mehr und es gab auch nichts Aufsehen erregendes zu sehen. Links und rechts bewaldete Hügel, rechts hinter den Hügeln oft Schneeberge. Am zweiten Morgen nach 8 Uhr kamen wir in Ketchikan an, wo wir zum ersten Mal Alaska-Boden betreten konnten. Das kleine Städtchen war noch ganz herzig mit einem grossen Adler, zwei Totempfählen und einem historischen Stadtteil (konkret: der ehemalige Rotlichtviertel). 

So oder ähnlich sah es fast überall aus.

Adler in Ketchikan.

Historische Creek Street.

 Nach etwa zwei Stunden Landgang namen wir den Bus zurück zum Fährhafen. Der Rest des Tages verlief eintönig, wir hatten viel Zeit zum Lesen, Computer Games spielen und mit anderen Leuten schwatzen. Am dritten Morgen um 6 Uhr kamen wir in Juneau, Alaskas Hauptstadt, an. Da der Fährhafen aber etwa 15 Meilen ausserhalb der Stadt lag, machten wir uns gar nicht erst die Mühe, früh aufzustehen. Im Laufe des Tages fiel dann klar auf, dass die Schneegrenze immer tiefer sank, von ein paar hundert Metern auf ein paar wenige Meter über Meer. Einmal sahen wir kurz einen Wal, einige meinten, es sei ein Orca gewesen. Sonst passierte nicht viel. Wir hatten jedoch einen Job während dieser Reise. Zwischen Whittier (wo wir ausstiegen) und Anchorage führt die Strasse durch einen Tunnel. Der ist einspurig, je eine Seite hat freie Fahrt, und da Velos dieses System durcheinanderbringen würden, sind sie dort drin nicht erlaubt. Also mussten wir uns nach einer Mitfahrgelegenheit umschauen. Unsere Idee, unser Anliegen per Lautsprecher vortragen zu lassen, konnte nicht umgesetzt werden, weil man im Falle eines Unfalls nicht „liable“ sein will *kopfschüttel*. Die dritte Person bzw. Gruppe, die wir ansprachen, meinte, sie hätten ein riesiges Wohnmobil und problemlos Platz für uns, zwei Velos und unser Gepäck. Perfekt, somit war dieses Problem schon mal gelöst. Im Laufe des Nachmittags waren wir aus der „Inside Passage“ rausgekurvt und befanden uns nun auf offenem Meer, dem Golf von Alaska. Auch wenn das Meer eigentlich ruhig war, hatte es doch spürbar mehr Wellen und wir torkeln nun alle wie besoffen im Schiff herum. 
Am vierten Morgen, wiederum um 6 Uhr, legten wir in Yakutat an. Wir wissen nicht, ob es dort etwas zu sehen gegeben hätte, wir hatten aber eh keine Lust, so früh aufzustehen, also gingen wir der Frage gar nicht erst nach. Als wir uns dann endlich aus dem Bett gegraben hatten, stellten wir fest, dass wir einer schönen, weissen Bergkette entlangfuhren. Das waren nicht mehr nur verschneite Hügel, sondern ein richtig schroffes Massiv. Leider entfernten wir uns später mehr vom Ufer und die Berge waren nur noch knapp am Horizont erkennbar. 

Zwischendruch mal ein Sonnenstrahl.

Aussicht vom Golf von Alaska.


Am folgenden Morgen war um 5 Uhr Tagwach, die Fähre legte planmässig um 6 Uhr in Whittier an. Der Tag versprach, genial sonnig zu werden, als aber die Bucht und die Berge rundherum in Sicht kamen, waren wir etwas geschockt. Alles tief verschneit, da herrschte noch tiefer Winter! Ok, Strassen etc. waren natürlich frei, aber jede naturbelassene Oberfläche war Schnee bedeckt. Na, dann mal viel Spass!!! Bevor wir aussteigen konnten, mussten wir erst unsere Bicis finden. Die waren in der Zwischenzeit umparkiert worden. Wenig Freude hatte ich, als ich feststellte, das meins unter eine Metallablage gequetscht worden war und der Regenüberzug meines Rucksacks dabei Schaden genommen hatte. Das war nun schon das zweite Mal, dass Fähr-Leute mein Velo respektlos behandeln (in Nicaragua hatten sie es kurzerhand unter einen Laster geschmissen um Platz zu schaffen), langsam nervt’s ziemlich. Wir warteten auf dem Parkplatz auf die Leute, die uns durch den Tunnel nehmen sollten, luden dann alles ins Wohnmobil und standen kurz darauf vor dem Tunnel in der Schlange. Irgendwas sorgte für Verzögerung und wir mussten eine Weile warten. Jener Tunnel ist speziell. Autos und Zug teilen sich dieselbe, einspurige Fahrbahn, jeweils eine Seite ist für eine gewisse Zeit offen, dann ist die andere Seite dran. Zwischendurch müssen wohl alle Autos warten, wenn der Zug andanpft. 

Fährdock in Whittier.


Unsere neuen Freunde hatten uns gesagt, sie würden kurz vor Anchorage von der Hauptstrasse abbiegen und uns rauslassen. „Kurz vor“ hiess in diesem Fall rund 58 Meilen. Obwohl flach, hätte sich das ganz schön in die Länge gezogen und darauf waren wir nicht wirklich vorbereitet. Futter- und wassertechnisch und auch sonst. So stellten wir uns kurzerhand an den Strassenrand und streckten die Daumen raus. Auf der anderen Seite der Berge hatte es deutlich weniger Schnee und es war sogar verhältnismässig warm. Nach etwa 15 Minuten hielt ein Pick-up und kurz darauf flitzten wir mit hoher Geschwindigkeit über den Highway. Diesmal wurden wir wirklich kurz vor Anchorage, rausgelassen, oder besser gesagt, bei einer Mall in the „Outskirts“. Da der Zmorge schon lange Geschichte war, steuerten wir den nächstbesten McDonald’s an und behoben allfällige Hungergefühle. Danach pedalten wir noch um die 10-12 km bis zum Haus unserer WS-Gastgeberin, stiegen wie instruiert durch die Garage ins Haus ein, deponierten das Gepäck und studierten etwas die Strassenkarten und den Stadtplan, die sie für uns rausgelegt hatte. Dann ging’s ab ins Zentrum, wo wir erst mal der Visitor Center einen Besuch abstatteten. Das hätten wir uns schenken können, die einzig brauchbare Information, die wir erhielten, war an wen wir uns wenden mussten, wenn wir wirklich etwas wissen wollten. Also zogen wir ein Haus weiter, stellten sämtliche Fragen nochmals und erhielten diesemal brauchbarere Antworten. Unser Haupt“problem“ war, dass die Kenai-Halbinsel südlich von Anchorage angeblich sehr schön ist, aber keine Rundtouren möglich sind und sich darum die Frage stellte, ob wir vom Ende der Strasse per Fähre weiterreisen und uns so eine sinnvolle Route zusammenstellen konnten. Erst an jenem Morgen war uns in den Sinn gekommen, dass wir ab besten mit der Fähre bis Homer (am Ende ebendieser Strasse) und von dort per Velo nach Anchorage gefahren wären. Wären, wenn wir das früher geschnallt hätten. Haben wir aber nicht, weshalb es jetzt kompliziert wurde. Unsere anschliessende Futtersuche führte uns an einen Stand, wo eine Kolumbianerin arbeitete. Wir konnten endlich wieder einmal auf Spanisch mit jemandem plaudern und unsere Welt war wieder in Ordnung. 
Am späteren Nachmittag lernten wir Sage, unsere Gastgeberin hier in Anchorage, kennen. Sie ist auch Ciclista, ist durch Alaska und einige Gebiete in Asien getourt und eine sehr sympatische Person. Abends kam noch eine ihrer Freundinnen, die Ende 80er Jahre per Velo den Dempster raufgestrampelt war. Das war natürlich super Timing und das Treffen für alle sehr interessant. Ebenfalls Neuheitswert hatte die Tatsache, dass es um halb zwölf in der Nacht nicht dunkel war. So etwas dämmerig, aber eben doch noch recht hell. Der Morgen kam bald und ausschlafen war nicht angesagt. Es war landesweiter „Bike to Work Day“ und um die Sache interessant zu machen, hatten einige Firmen und Organisationen regelrechte Futterstände eingerichtet, wo teilweise eine richtige Party abging. Wir softcore Toureras waren etwas geschockt ab einigen Einheimischen, die mit kurzen Hosen unterwegs waren, während wir es eindeutig als kalt empfanden (teilweise mit Frost am Boden). Aber es gibt hier anscheinend auch Leute, die im Winter mit dem Rad zur Arbeit gehen (bei -30 °C und darunter!), insofern sollte es eigentlich nicht überraschen, dass die Leute in Sommer-Stimmung sind, kaum scheint die Sonne und es ist etwas wärmer. 

Bike to Work-Party am frühen Morgen.


Auf jeden Fall hatte die morgendliche Stadtrundfahrt Spass gemacht und wir hatten anschliessend unseren Side-Trip in den Denali National Park gebucht. Dort werden wir eine Bustour machen und ein paar Hiks, drei Nächte campen und dann zurück nach Anchorage hitchen. Wenn alles klappt, gehen wir hinterher mit Sage per Auto auf die Kenai Peninsula. Der Wetterbericht ist gar nicht so schlecht...