Ein Gastbeitrag von Bella Berlin (familieberlin)
Mit Charme und großer interkultureller Kompetenz: Bella. (Bild: Bella Berlin)Wie viele Kamele gibt es für ein blondes sechsjähriges Mädchen? Heut mag diese Frage schockieren. Vor 23 Jahren allerdings wurde auf diese Frage der Tunesier mit Humor reagiert, zumindest seitens meiner Eltern. Es wären übrigens 33 Kamele gewesen. 1992 waren wir zum ersten Mal im außereuropäischen Ausland, für uns war das eine Weltreise und ein Abenteuer. Alles wirkte exotisch, alles fremd. Die Menschen hatten (zu meiner Verwunderung) eine dunklere Hautfarbe als ich und sie sprachen so komplett anders, dass ich schon etwas Angst hatte. Ich erinnere mich an viele Momente, in denen ich mich an meine Eltern drängte, weil ich mich nicht sicher fühlte.
Ich fühlte mich aber nicht wegen potentieller politscher Gefahren unsicher, ich war einfach zum ersten Mal woanders als in der ehemaligen DDR. Hier gab es anderes Essen, andere Gebäude, anderes Wetter. Es war einfach so sehr alles anders, dass ich mich fragte, ob ich noch auf dieser mir bekannten Welt war. Es war aber auch einer der ersten Urlaube, an den ich mich bewusster erinnerte. Sicher, ich habe auch Erinnerungen an unsere zahlreichen Ostseeurlaube, an die winterliche Reise in die ehemalige Slowakei oder die Wochen bei Oma und Opa. An die erinnere ich mich aber nur schemenhaft, in Einzelszenen. Dieser erste ferne Urlaub blieb mir in Erinnerung. Ich weiß, wie unsere Hotelzimmer aussahen, wie das Essen NICHT schmeckte und wie ich schwimmen lernte im Mittelmeer.
Und ich erinnere mich eben an diese Angst vor all diesen Menschen. Denn irgendwie waren die Märkte dort toll, aber es sprach uns auch ständig jemand an. So viele Menschen habe ich noch nie auf mich einreden hören. Seitdem habe ich auch einen "Satz" im Hinterkopf, der mir auf Urlaubsmärkten immer wieder einfällt: Lookie Lookie machen. Denn das sollten wir immer und machten es viel. Wir kauften sogar Taschen aus Kamelleder, die ich dann daheim nicht nehmen konnte, weil sie so sehr stanken, dass mir schlecht wurde. Witzig, denn neulich, als ich bei meinen Eltern war und in meine Schränke schaute, fiel mir diese besagte Tasche in den Händen. Was soll ich sagen? Sie stinkt immer noch. Vielleicht nicht mehr so prägnant wie vor 23 Jahren, aber sie stinkt.
Heute gehe ich mit Staunen über diese Märkte, nicht mehr in Tunesien, aber in Asien und Südeuropa. Sie faszinieren mich und ich liebe diese vielen Menschen, die Gerüche und Gespräche. Ich mag das Essen und die Dinge, die es zu entdecken gibt. Vielleicht hat mich diese Reise in jungen Jahren doch geprägt, nicht geschädigt. Denn so unsicher ich mich auch fühlte und ich den Schutz meiner Eltern suchte, so gaben sie mir doch immer ein sicheres Gefühl. Sie zeigten mir, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Zum einen war die Situation nicht beängstigend, zum anderen zeigten sie mir, dass sie da waren.
An eines erinnere ich mich nämlich umso deutlicher: ich wollte nach diesem Urlaub nur noch weit weg. Ich hatte Fernweh. Ostsee? Langweilig. Polen? Zu nah. Ich wollte die Wärme, ich brauchte Palmen und ich wollte so viel von der Welt entdecken. Dieses Fernweh und die Faszination für die Welt habe ich noch heute. Ich muss mindestens einmal im Jahr reisen. Und ich möchte damit nicht aufhören, nur weil ich ein Kind habe. Im Gegenteil: ich möchte diese Liebe an mein Kind weitergeben. Wir sind auf dem besten Weg dahin. Denn bald fliegen wir gemeinsam nach Italien. Ich freue mich darauf, vor allem auf die Märkte mit meinem Kind auf dem Arm.