Ein Besuch in Belgien ohne dessen köstliche Biere zu probieren ist beinahe unmöglich. Ob im Sommer im Straßencafé oder im Winter in einer gemütlichen Kneipe: es gibt zahllose Varianten des beliebten Gerstensaftes , die für jeden Geschmack etwas zu bieten haben!
Zur Geschichte der Biere
Die Ursprünge des Bieres
Bier und Wein gehören zu den frühen Getränken der Menschheit. Während Wein aufgrund der aufwändigeren Herstellung eher ein Getränk der wohlhabenden Schichten war, galt das Bier als Getränk der kleinen Leute. Schnell hergestellt, mittelfristig haltbar und zudem nahrhaft, war es für alle erschwinglich.
Reines Wasser zu trinken wurde mit der zunehmenden Gründung von Städten u.U. gefährlich – viele Menschen nutzten das Wasser aus Quellen und Flüssen und auch das Handwerk brauchte das Wasser für seine Produkte: Gerber und Tuchmacher spülten die gefärbten Stoffe und Häute mit Wasser und leiteten es danach wieder zurück in den Fluss. Auch für den Bergbau war Wasser unerlässlich. Ganz abgesehen von den hygienischen Bedingungen. Auch Fäkalien und Abfälle und tote Tiere landeten im Wasser. Die darin enthaltenen Keime, Verunreinigungen und Schadstoffe konnten mehr als gesundheitsschädigend sein.
Zudem ging es darum, Getränke haltbar zu machen – und das lief in unseren Breiten vor allem über die Gärung, während man in Asien durch den Tee ein schmackhaftes Getränk erhielt. Kräutertees waren vor allem als medizinisches Mittel bekannt – der Dauergebrauch ihrer Wirkstoffe brachte auch Nachteile mit sich. So gab es in beinahe jedem größeren Hof/Haus eigene kleine Brauereien – man erwarb oder erbte das sogenannte “Braurecht” und es gab feste Brautage.
In Goslar, einer mehr als 1000jährigen Stadt im Harz, kündigte der Nachtwächter vor diesen Brautagen folgendes an:
“Heute wird bekannt gemaket, dass niemand in die Gose kacket, denn morgen wird gebraut!”
Das hatte also seinen Grund. Die Gose wurde auch durch das Bergwerk sehr in Mitleidenschaft gezogen, da Schwermetalle ins Wasser gelangten und die Menschen reihenweise krank wurden. Man leitete deshalb oberhalb des Bergwerkes einen Teil der Gose (“Abzucht”) ab und brachte es mittels Holz-Wasserleitungen in die Häuser.
Siemenshaus in Goslar – im Seitenflügel befand sich das Brauhaus Foto (c) ReiseLeise
Der Alkoholgehalt der Biere war geringer als heute – aus gutem Grund. Schließlich mussten die Menschen arbeitsfähig bleiben und sicher war übermäßiger Alkoholgenuss schon damals als Übel bekannt.
Mit zunehmender Arbeitsteilung entstanden die Brauereien als Fachbetriebe für die Herstellung des herben Gerstensaftes. Auch Klöster waren lange mit der Bierproduktion beschäftigt. Nach deren Auflösung während der Reformation verlor sich diese Tradition beinahe.
Die Geschichte des Bieres in Belgien
Auch in Belgien entwickelte sich die Braukunst in den Klöstern. Jedoch blieb hier die katholische Kirche mit Klöstern präsent, so dass die Klöster bis heute fortfuhren Bier zu produzieren.
Begünstigend für die Liebe der Belgier zum starken, variantenreichen Bier war das „Vandervelde-Gesetz“, das 1919 den Ausschank von starken alkoholischen Getränken in Bars verbot. Die cleveren Belgier fanden also Möglichkeiten, Biere mit höherem Alkoholgehalt herzustellen – es war ja immer noch Bier! Und das umstrittene Gesetz scheint seine Wirkung verfehlt zu haben – 1983 wurde es wieder abgeschafft.
Heute gibt es ca. 140 Brauereien im Land, die ca. 500 “normale Biersorten” herstellen und darüber hinaus in gleicher Zahl noch einmal Spezialitäten bereitstellen. Neben großen Markenbrauereien gibt es viele kleine Brauereien, die z.T. auch ganz nach besonderen Rezepten spezielle Dorfbiere liefern – dann deckt man sich mit dem Jahresvorrat an “Blond” oder “Bruin” ein und die Brauerei kümmert sich um das Bier des nächsten Auftraggebers.
“De halve maan” (“Der Halbmond”)- Zeichen der Brügger Stadt-Brauerei über dem Restaurantschild
Biere in Belgien
1000 Sorten!
Als Tourist ist man im Supermarkt schon überfordert. Wer sich die ganze Vielfalt des Angebots anschauen will, geht am besten in einen großen Carrefour-Markt, z.B. am Stadtrand von Brügge. Reihenweise kann man dort die verschiedensten Biere sehen, die Qual der Wahl….
Die meisten Geschäfte führen ein Grundsortiment, aber auch in den “Drankencentralen” (Getränkemärkte) kann man sich einen Überblick verschaffen. Hier kaufen die Einheimischen.
Die Flaschengröße variiert – meist bekommt man 275 oder 330 ml, 500 ml Flaschen habe ich nicht so oft gesehen. Allerdings gibt es auch “Übergrößen” zu kaufen, die wie Sektflaschen verkorkt sind. Das ist dann wohl eher etwas für den geselligen Abend mit Freunden.
Es gibt auch Spezialitätengeschäfte in touristischen Zentren, aber da ist das Bier deutlich teurer.
Wo fängt man an, die Vielfalt zu beschreiben oder den Versuch einer Einteilung zu unternehmen? Ich war bisher nur in Flandern und in Brüssel unterwegs und werde mich im Wesentlichen an meine Erfahrungen mit flämischen Bieren halten.
Zunächst haben auch die Belgier ihr meist preiswertes, bevorzugtes Standardbier: die gibt es Leffe, Duvel, Stella Artois etc. Sehr mit ihrer Region verbunden, orientieren sie sich auch gern am Bier der Stadt/ des Ortes (Gent: Gentse Strop, Gentse Tripel, Brügge: Brugse Zot,…) Manche Orte lassen sich ihr eigenes Bier nach besonderem Rezept brauen. Z.B. legt man sich in Aartrijke gern einen Jahresvorrat an “De Leeuw” (Der Löwe) bzw. “De Leeuwin” (Die Löwin) an.
In den Kneipen, Bars und Restaurants kann man dann auch als Tourist einige der regionalen Biere oder aber Spezialitäten oder ganz normales probieren. Die Wirte geben gern und ausführlich Auskunft. Wie die meisten Belgier beherrschen sie ganz locker mehrere Sprachen – Kommunikation ist also kein Problem!
Duvel blond Foto (c) ReiseLeise
“Gentse Strop” – eines der Stadtbiere von Gent, Foto (c) ReiseLeise
Verwirrend: “Kneipe” heißt auf Flämisch “Café”! “Bruine Cafés” sind holzgetäfelte, alte Lokale, die vor allem die Einheimischen besuchen. Sie sind immer einen Besuch Wert – vor allem, wenn sie sich in historischen Gebäuden befinden. Man bekommt hier auch einen kleinen Imbiss, aber selten ein ausführliches Speisenangebot. “Eetcafé’s” (“Esskneipe”) bietet da schon mehr.
t’Galgenhuis – kleinste Kneipe in Gent (c) ReiseLeise
“Bierfiets” in Gent (c) ReiseLeise
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen “blond” (hell), “bruin” (dunkel), “Trappiste” (Klosterbier) und Kriek (Bier mit Fruchtgeschmackt). Andere unterscheiden zwischen Pilsner, obergärigem oder spontan gärenden Bier und Lambic. Für den entspannten Bierfan ist das aber weniger entscheidend als die Unterschiede im Alkoholgehalt.
Hier einige Biere, die ich probiert habe:
Erfrischend: “Gentse Tripel” Foto (c) ReiseLeise
Kriek
Kriek (Lambic) ist ein sehr erfrischendes Bier mir Fruchtgeschmack, meist Sauerkirsche, aber auch in anderen Geschmacksrichtungen erhältlich. Es ist ungefähr mit der “Berliner Weisse” zu vergleichen. Jedoch vermute ich, der Alkoholgehalt ist höher. Die geschmackliche Nähe zur Limonade führt u.U. dazu, dieses Getränk zu unterschätzen. Im Sommer auf einer Terrasse genossen, kann es einem schnell in den Kopf schießen.
Alkoholgehalt: 4-6%
Brugse Zot (“Brügger Narr”)
Mein Lieblingsbier: Brugse Zot ist blond oder bruin zu bekommen. Ich mag das dunkle (dubbel) am liebsten. Es ist kräftig, herb, erfrischend, aromatisch. Gebraut in der Stadtbrauerei “De halve maan”, die auch zu besichtigen ist. Kurios: kürzlich hat die Brauerei per Crowdfunding das Geld gesammelt, um eine Bier-Leitung unter der Stadt zu verlegen. Irgendwie naheliegend, denn das Brauhaus befindet sich mitten im Stadtzentrum mit engen Gassen und Durchfahrtsverboten.
Alkoholgehalt: blond – 6%, dubbel – 7,5%
Delirium tremens
“Delirium Tremens” Foto (c) ReiseLeise
Delirium Biere stammen aus der Brauerei Huyghe und sind, wie der Name schon sagt, ziemlich heftig. Weiße Mäuse und rosa Elefanten auf dem Etikett sagen schon alles. Besser in kleinen Flaschen und nicht zu ausgiebig genießen!
Alkoholgehalt: Delirium tremens – 8,5%, Delirium nocturnum – 8,5%, delirium Cristmas – 10%.
Mort subite
Mort subite ist dagegen im Widerspruch zum Namen beinahe harmlos. Ganz nettes Bier, aber nichts außergewöhnliches. Aber ich bin auch keine Feinschmeckerin.
Alkoholgehalt: 5-7%
Duvel
Ein fruchtig-herbes, erfrischendes Bierchen mit “teuflischen” Prozenten. Lecker am Abend…
Alkoholgehalt: 8,5%, Duvel Tripel hop – 9,5%
Westmalle
Westmalle ist ein Trappistenbier und wird in der Abtei von Westmalle gebraut.
Alkoholgehalt: dubbel – 7%, tripel – 9,5%
Rochefort
Noch ein Trappistenbier, das es in sich hat. Es gibt drei Sorten von Rochefort:
Rochefort 6: 7,5%
Rochefort 8: 9,2%
Rochefort 10: 11,2%
Ich habe letzteres probiert. Ist nicht mein Fall. Es schmeckt leicht süß, wie karamellisiertes Bier und bei dem Alkoholgehalt passt das für mich nicht mehr zusammen.
Auch ein “Quadruppel” kann man probieren – da haut einen aber wirklich um. Ich wechsle dann doch lieber auf Wein.
Ich könnte die Liste noch unendlich fortsetzen, aber es sind einfach zu viele. Besucht man Belgien, sollte man unbedingt mal das eine oder andere probieren. Man kann sich von seinem Ruf oder Bekanntheitsgrad leiten lassen oder sich an verrückten Namen für Biere orientieren. Und lassen Sie sich ruhig mal die Geschichten zu den Namen erzählen….
In diesem Sinne: “Gezondheit” ! Oder “Santé” !
Sommer in Gent Foto (c) ReiseLeise