Heute tritt der belgische König Albert II. seinen Thron an seinen Sohn Philipp ab. Wer nun aber denkt, hier werde ein weiteres verstaubtes und unnötiges Zeremoniell durchgeführt, das die Bürger viel kostet, der täuscht sich. Die Krönung kostet die Belgier keinen Cent, denn der Nationalfeiertag wird ohnehin am 21. Juli begangen, und die Regierung hat dafür gesorgt, dass es keine Extrakosten gab. Problematisch an der heutigen Thronbesteigung des 53jährigen Kronprinzen ist, dass die Juristen sich über die
Verfassungsmäßigkeit dieses Vorganges streiten.
In den Niederlanden war vor ein paar Monaten alles so einfach. Königin Beatrix trat zurück, es gab ein nettes Volksfest, alle freuten sich, abgesehen von denen, die eine konstitutionelle Monarchie an sich ablehnen und den Staat für eine schnörkellose, geschäftsmäßige Angelegenheit halten. Beobachter waren sich sicher, dass binnen weniger Jahre weitere königliche Rücktritte in anderen Ländern folgen würden. Am 3. Juli erklärte denn auch der belgische König Albert II., am belgischen Nationalfeiertag, dem 21. Juli, die Regentschaft an seinen Sohn Philipp übergeben zu wollen. Und weil es so schön praktisch war, dass es eben der Nationalfeiertag war, konnte man Kosten für eine zusätzliche Feierlichkeit einsparen, und der gewöhnliche Etat musste nicht einmal erhöht werden. Das erfüllte die Belgier und ihre Regierung mit Stolz.
Jetzt aber melden sich die Juristen zu Wort. Einige von ihnen behaupten, die Abdankung eines noch lebenden Königs verstoße gegen die Verfassung des Königreiches, darum seien alle Handlungen des neuen Monarchen ungesetzlich und könnten bei Gericht angefochten werden. Ein für das im Sprachenstreit liegende Land unerträglicher Zustand.
Wahr ist, dass in den Artikeln 85 bis 95 der Verfassung, die die Position des Königs und seine Erbfolge regeln, nur vom Tod des Königs die Rede ist. Während die Abdankung in der niederländischen Verfassung durchaus vorgesehen ist, liefert das belgische Pendant hierfür keine solche Handhabe. Zwar ist auch ein belgischer König, nämlich Leopold III., bereits zurückgetreten, aber hierfür bedurfte es eines förmlichen Gesetzes, das durch die Kammer und den Senat verabschiedet werden musste. Damals warf man dem Monarchen vor, er habe mit den deutschen Besatzern zusammengearbeitet, weil er sich weigerte, mit der Regierung das Land zu verlassen und bei seiner Armee blieb. Dass er dann noch eine schwangere Frau heiratete, mit Adolf Hitler zusammentraf, die Regierung im Exil beleidigte, dies alles trug natürlich noch mehr zur Verstimmung in der Bevölkerung bei. Zwar ging eine Volksabstimmung über die Frage, ob er weiterregieren solle, zu seinen Gunsten aus, aber so knapp, dass die unterlegene Minderheit danach Streiks und Proteste im ganzen Land durchführen ließ. Und an der Königsfrage entzündete sich auch der erbitterte Sprachenstreit Belgiens: Die Flamen waren mehrheitlich für, die Wallonen mehrheitlich gegen die Rückkehr Leopolds. Jedenfalls entschloss sich der König angesichts der Proteste zum Rücktritt, der durch ein förmliches Gesetz besiegelt wurde.
Diesmal aber ist alles anders: König und Regierung verzichteten auf ein förmliches Gesetz. Befürchteten sie, das Parlament werde seine Zustimmung verweigern, oder hat man in Brüssel einfach nicht gut nachgedacht? In Belgien, dem Land, das fast nur noch durch die königliche Familie zusammengehalten wird, sind oft die einfachsten Fragen kompliziert. Die Möglichkeit, dass man hinter die Eidesleistung von Prinz Philipp ein Fragezeichen setzen könnte, ermöglicht es radikalen Parteien in der Zukunft, die Autorität nicht nur des neuen Königs, sondern auch der Föderalregierung zu untergraben. Denn die Gesetze Belgiens und die Verordnungen seiner Regierung bedürfen auch dort der Unterschrift des Königs. Es wäre für das Land also gut, wenn die Nachfolge und die Art und Weise des Rücktritts des Monarchen zweifelsfrei geregelt wären.
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