Fußballspielen lernte Béla Guttmann beim MTK Budapest, wo er von 1919 bis 1921 spielte. 1922 wechselte er zu Hakoah Wien. Mit Hakoah (Kraft) wurde er 1925 österreichischer Meister. Nachdem Guttmann in die USA wechselte, bei den New York Giants spielte, dort Hakoah Turniere organisierte kehrte er als Spielertrainer 1933 zu Hakoah Wien zurück. Auf Vermittlung von Hugo Meisl trat Guttmann seine erste Trainerstelle beim holländischen Club Twente Enschede an. Ab 1938 lebte Guttmann wieder in Österreich, er floh nach dem Anschluss an Nazideutschland nach Budapest und wurde 1939 Trainer bei Ujpest Dosza und gewann dort die Meisterschaft und den Pokal. Von 1939 bis zum Kriegsende, ständig auf der Flucht vor den Schergen Hitlers, tauchte er bis Kriegsende unter. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er Trainer bei Vasas Budapest und wieder Ujpest Dosza. 1949 verließ Guttmann Ungarn und ging nach Italien. Erstes Engagement bei Padova Calcio, das er von einer kaum erstligareifen Mannschaft an die Spitze der Tabelle führt. Nach weiteren Trainerstationen, darunter der AC Mailand bei dem er kurz vor der Meisterschaft entlassen wurde, wechselte er 1959 zum FC Porto wo ihm auf Anhieb die portugiesische Meisterschaft gelang. In der darauffolgenden Saison wurde Béla Guttmann Trainer von Benfica Lissabon und abermals portugiesischer Meister. Am 31. Mai 1961 gewann Benfica das Europapokalfinale gegen den FC Barcelona mit 3:2. Am 2. Mai 1962 wiederholte Benfica Lissabon den Erfolg gegen den fünfmaligen Europacupsieger Real Madrid und siegte mit 5:3 Toren. Guttmann tritt zurück und wird Trainer von Penarol Montevideo, er scheitert mit dem Versuch, die Copa Libertadores gegen Peles FC Santos zu gewinnen. Die Zeit der Erfolge war nun vorbei. Erfolglose Engagements unter anderem bei Servette Genf, FC Porto, Austria Wien, der österreichischen Nationalmannschaft, Panathinaikos Athen und wiederum Benfica Lissabon nachfolgten. 1973 erklärte Béla Guttmann seine Trainerlaufbahn für beendet. Am 28. August 1981 stirbt die Trainerlegende und wird auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs in Wien begraben.
Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich der Fußball zum attraktiveren Zuschauersport, gleichzeitig wurde das Amateurideal in Mitteleuropa großgehalten. Während der britische Fußball bereits vom Professionalismus geprägt war, bezahlten viele Vereine auf dem europäischen Festland ihre Spieler “unter der Hand”. Der Amateurstatus war vielfach ein Scheinamateurismus. Die Auslandsreisen vieler Vereine waren Teil einer komplizierten Finanzierungsstrategie. Alles in einer Zeit in der die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sehr unübersichtlich waren. Die Fußballbürokratien mit den verschiedenen Amateurstatuten und Spielberechtigungen waren dem Chaos nach dem Krieg noch weniger gewachsen als die staatlichen. In diese Zeit fällt der Wechsel von Béla Guttmann zu Hakoah Wien.
Hakoah war mehr als ein Verein, Hakoah war ein zionistisches, ein nationaljüdisches Projekt, das noch in der Vorkriegszeit von jüdischen Studenten gegründet wurde. Wien war eine Einwandererstadt vor allem für Juden. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie kam es in den neuen Nationalstaaten zu verschärften Nationalitätenkämpfen mit antijüdischen Pogromen und Vertreibungen. Das selbstbewusste politische Judentum organisierte sich zionistisch. Hugo Meisl, der fußballerische Stratege der österreichischen Amateure, verkörperte in seiner Mischung aus Anglophilie und Kosmopolitismus den liberalen bürgerlichen Geist, der sich am gesellschaftlichen Fortschritt orientierte. Wien hatte Mitte der zwanziger Jahre als Fußballstadt Prag und Budapest den Rang abgelaufen und um diese Stellung zu halten, musste man dem Scheinamateurismus ein Ende setzen. Unter der Federführung von Hugo Meisl hat Österreich als erstes kontinentaleuropäisches Land eine Profiliga eingeführt. Der aufstrebende jüdische Verein hatte sich die professionelle Fußballabteilung geleistet, um in der Wiener Gesellschaft auf die eigenständige jüdische Nationalkultur aufmerksam zu machen, was viele antisemitische Anfeindungen mit sich brachte. In der Meistermannschaft von Hakoah spielten neben Béla Guttmann fünf weitere jüdische Spieler, die in Budapest das Fußballspielen gelernt haben. In der Hakoahmannschaft wurde der junge Guttmann zum unumstrittenen Star. Seine Mitspieler aus Budapest garantierten, dass sich die beim MTK gewohnte Spielweise weiterentwickeln konnte. Im 2-3-5-System, spielte Guttmann als Mittelläufer die zentrale Position. Er hielt die Verbindung zwischen Angriff und Abwehr, musste verteidigen und nach vorne verteilen. An ihn wurden universale fußballerische Ansprüche gestellt, hervorragende Technik, überlegene Spielübersicht und überragende Kondition. Béla Guttmann wurde 1924/25 mit Hakoah Wien und unter Kapitän Maxl Scheuer, der später von den Nationalsozialisten ermordet wurde, der erste Champion der Wiener Profiliga. Mit dem zionistischen Fußballverein Hakoah Wien erlebte Béla Guttmann seinen größten sportlichen Erfolg als Spieler.
Seine größten Erfolge als Trainer feierte der Tanzlehrer aus Budapest zweifellos bei Benfica Lissabon. Zuvor, im Jahre 1956, schloss sich Guttmann der Exil-Mannschaft von Honvéd Budapest an. Das Team um Ferenc Puskás war nach dem Ungarn-Aufstand im Oktober 1956 nicht mehr von einer Auslandsreise zurückgekehrt. Auf eine Südamerikatournee, die Guttmann als Trainer betreute, ging es auch nach Brasilien. Während das Team im Februar 1957 nach Europa zurückreiste und sich dort auflöste, blieb Guttmann in Brasilien und wurde Coach des FC São Paulo und führte dort sein neues 4:2:4 –System ein. Das angriffsbetonte und kreative Guttmann-System wurde sogleich von der brasilianischen Nationalelf übernommen, worauf Brasilien 1958 zum ersten Male in Schweden Fußballweltmeister wurde. 1959 wechselte Béla Guttmann nach Portugal, erst zum FC Porto und ein Jahr später zu Benfica Lissabon. Mit beiden Mannschaften errang er jeweils den portugiesischen Meistertitel mit seinem neuartigen Offensivfußball. Detlev Clausen schreibt in „Die Nerven nicht verlieren“: „Dreiundzwanzig Minuten alt war das Europapokalfinale von Amsterdam am 2. Mai 1962, und Trainer Béla Guttmann lag mit der jungen Mannschaft von Benfica Lissabon gegen Real Madrid mit 0:2 zurück, trotz hervorragenden Spiels. Denn nicht die Wundermannschaft der fünfziger Jahre, die fünfmal in Folge den Europacup gewonnen hatte, bestimmte das Tempo, sondern die ständig angreifenden Portugiesen. Aber Real-Star Ferenc Puskás hatte bei Kontern zweimal eiskalt seine Chance genutzt und den spanischen Meister in Führung gebracht. Wie sollte der Außenseiter aus Lissabon diesen Rückstand gegen eine solche Mannschaft jemals aufholen? Im Mittelfeld der Madrilenen dirigierte ruhig und gekonnt der argentinische WeltstarAlfredo di Stefano die Konterattacken; auf dem Flügel lauerte Gento, schnellster Außenstürmer der Welt, der schon mal einer ganzen Hintermannschaft einfach mit dem Ball am Fuß davonlaufen konnte. Doch Benfica griff unentwegt weiter an und schoss aus allen Lagen. Das war die Handschrift von Trainer Béla Guttmann — unerschrockene Offensive, unermüdlicher Einsatz, ständige Torgefährlichkeit. Eine Spielweise, die sich ein Trainer nicht kurzfristig als Konzept für ein beliebiges Spiel ausdenken kann, und schon gar nicht lässt sich eine solche Taktik unvorbereitet auf eine Mannschaft übertragen, in der man nicht selbst mitspielt. Dahinter steckt vielmehr die Summe einer fußballerischen Erfahrung, die ein Trainer einem Team, das er über längere Zeit geformt hat, vermitteln kann.“
Das Finale von 1962 in Amsterdam gilt bis heute als eines der besten in der Geschichte des europäischen Fußballs. Real Madrid wurde von Guttmanns Benfica förmlich überrollt. Benfica drehte in der zweiten Halbzeit das Spiel und wandelte den 0:2 und 2:3 Rückstand in einen 5:3 Sieg um. Auch im Berner Europacupfinale gegen den FC Barcelona von 1961 lag Béla Guttmann mit Benfica im Rückstand, bis Benfica am Ende mit 3:2 triumphierte. Barcelona galt als eine der wenigen europäischen Vereinsmannschaften, die sich mit Real Madrid vergleichen durften. Benfica Lissabon dagegen war 1961 eine Elf der Namenlosen. Ihr bekanntester Mann war bis dahin der Trainer Béla Guttmann. Den Afrikaner aus Mosambik, den besten Spieler in der Fußballgeschichte Portugals, Eusebio entdeckte Guttmann, der die „Schwarze Perle“ mit den langen Beine, hängenden Schultern und dem traurigen Blick förderte wo er konnte. Guttmann verließ Benfica Lissabon 1962 im Zorn noch vor dem stattfindenden Pokalfinale.
Die Faszination, die von einem Trainer wie Guttmann ausgeht, hängt mit der Vereinigung von Schönheit und Erfolg zusammen. Die Entscheidung für Offensive erfordert Mut, denn strukturell liegen Defensive und Erfolg im Fußball näher beieinander. Schwierig ist es, Tore zu erzielen, leichter ist es, sie zu verhindern. Die Defensive wird deshalb auch vom Außenseiter bevorzugt. Wenn aber der vermeintlich Schwächere die Offensive wählt und auch noch gewinnt, dann erringt er nicht nur Anerkennung, sondern auch die Herzen der Fußballfreunde. Das Trainerleben Béla Guttmanns liest sich wie ein wiederholter, systematisch geplanter Aufstand gegen die tödliche Herrschaft des Defensivfußballs. Diese Aufstände konnten nur gelingen, weil der Fußball selbst die Gegenkräfte gegen die Herrschaft der Defensive hervorbringt.
Die Spuren der gescheiterten Engagements von Béla Guttmann sind verwischt, im Gedächtnis bleiben die Ausnahmesituationen: Die einzigartige Meisterschaft der jüdischen Hakoah in Österreich, das Spiel Brasiliens 1958 und die beiden triumphalen Endspiele von Benfica Lissabon 1961 und 1962.
Detlev Claussen schreibt am Ende seines Buches: “Fußball lebt von der Gegenwart des gespielten Augenblicks. Mit jedem Anstoß keimt die Hoffnung auf, dass etwas anderes eintreten wird als das Erwartete. Deswegen zieht der Fußball auch Kräfte an, die vom Spiel etwas anderes erwarten als die Bestätigung der etablierten Ordnung. Die Professionalisierung des Spiels hat es ermöglicht, dass immer mehr mitspielen können, die am Anfang nicht dazugehörten — Arbeiter, Juden, Immigranten, Abkömmlinge von Sklaven. Für sie ist der Fußball mehr als die wichtigste Nebensache der Welt; er verspricht ein anderes Leben. Der lebenslange Emigrant Béla Guttmann hat einen geschärften Blick entwickelt für das Potential der Außenseiter, das Etablierte ins Wanken zu bringen.”
Quelle:Detlev Claussen „Béla Guttmann – Weltgeschichte des Fußballs in einer Person“ – 2006