Unsere westliche bzw. christliche Tradition ist eher so ausgelegt, dass Geben seliger ist als Nehmen. Das führt auch zum Teil dann dazu, dass mehr Menschen darauf achten, was sie für ihre Umwelt und Mitmenschen tun können, als dass sie auf sich selbst achten und auf das, was sie brauchen und ihnen gut tut. Und oftmals ist es für diese Menschen auch sehr gewöhnungsbedürftig, etwas von anderen zu bekommen – sei es im zwischenmenschlichen Bereich oder im beruflichen Kontext.
Empfangen können ist manchmal nicht einfach
Viel von einem anderen zu bekommen, ist dann manchmal absolut nicht einfach auszuhalten. Da wird dann sofort geschaut, was man selbst zurückgeben kann, es ist einem peinlich, man ist verschämt usw. Empfangen zu können ist eine Kunst und muss auch ausgehalten werden. Unter aushalten meine ich – wenn ich etwas bekomme, sollte ich nicht sofort ins Tun gehen, um etwas zurückzugeben, sondern es aushalten, etwas zu bekommen und es in diesem Moment auch zu genießen?
Der Aushaltemuskel kann trainiert werden
Zu bekommen und das auszuhalten kann trainiert werden. Das ist wie bei einem Muskel, der nichts gewohnt ist und so auch wenig Liegestützen am Anfang hinbekommt. Wird er aber regelmäßig trainiert, dann hält er immer mehr aus. Wenn ich nicht gewohnt bin, zu bekommen – dann können schnell Gefühle wie Scham hochkochen, wenn ich tatsächlich etwas bekomme, ohne dass ich eine Gegenleistung vorab oder danach geben musste. Zu viel kann einen da sprichwörtlich umhauen. So geht es auch mit den großen Wünschen, die plötzlich in Erfüllung gehen – die wenigsten halten das letztlich aus.
Abhilfe: Den “Bekommen-Muskel” regelmäßig trainieren. Wenn Sie etwas bekommen, einfach “Danke sagen”, Lächeln, sich freuen und nicht sofort ins Tun verfallen. Genießen. Jedes Mal ein Stückchen mehr. Und vielleicht erst nach der Genießephase etwas zurückgeben…..
