“Bekas” von Karzan Kader

Erstellt am 24. Oktober 2013 von Denis Sasse @filmtogo

Zamand Taha als Zana (in Vordergrund) und Sarwar Fazil als Dana (im Hintergrund).

Der Einbruch der westlichen Welt in den Irak des Jahres 1990, wo noch Saddam Hussein regierte, wurde nicht gerne gesehen. Güter von Coca Cola bis Popmusik und Filme übten lediglich auf die arme Bevölkerung einen Reiz aus. Denn diese flüchteten sich in Welten fernab ihrer eigenen Realität. Die Faszination sollte zwar vom Militär eingedämmt werden, verbreitete sich aber doch im ganzen Land. Dieses Gefühl hat der kurdische Regisseur Karzan Kader bereits in seinem 30minütigen Kurzfilm Bekas eingefangen, der 2010 auf dem Stockholmer Film Festival seine Internationale Premiere feierte. Hier unternehmen zwei Brüder, gespielt von Zamand Taha und Sarwar Fazil, eine abenteuerliche Reise in die Vereinigten Staaten. Ihr Grund ist ein kurzer Ausschnitt aus dem Film Superman mit Christopher Reeve, den sie bei einer Vorführung erhaschen können. Ausgestattet mit einer ordentlichen Portion Mut und dem Willen, ihrem eigenen harten Leben im Irak zu entfliehen, verfolgt Kader hier eine halbe Stunde lang die Irrungen und Wirrungen zweier kleiner naiver Kinder, die mehr von ihrer latenten Verzweiflung als von der Faszination Amerikas geleitet werden.

Dann entstand noch ein zweiter Bekas unter der Regie desselben Mannes, mit denselben Darstellern. Doch dieses Mal widmete man sich in voller Spielfilmlänge der Flucht der Brüder Zana (Taha) und Dana (Fazil) aus dem irakischen Kurdistan der 1990er Jahre. Für die finnisch, schwedisch, irakische Koproduktion wurde Regisseur Kader auf dem 2012er Dubai International Film Festival mit dem People’s Choice Award ausgezeichnet, vermutlich da er so viele kulturell fremde, emotional allerdings durchaus nachvollziehbare Facetten zu seinem Kurzfilm hinzufügen konnte. Schon allein die ersten Bilder, wie diese zwei kleinen Bengel sich auf das Dach des örtlichen Kinos schleichen – das nicht mit einem Lichtspielhaus der westlichen Kultur verglichen werden kann – um einen Blick auf den sagenumwobenen Superman werfen zu können, lässt so viele Bilder aufblitzen, die von Cinema Paradiso bis Hugo Cabret reichen. Für Superman würden diese Kinder vermutlich jede Hürde überwinden. In den Gassen springen sie über Autos hinüber, deren Insassen nicht einmal wissen, um wen es sich bei dem Mann aus Stahl eigentlich handelt, der dieses kindliche Chaos in die Straßen ihrer Stadt entfacht.

Die beiden Brüder planen ihre Reise nach Amerika.

Superman ist aber nicht einfach nur ein Comicheld, keine Filmfigur die als Idol herhalten darf. In Bekas steht Superman für eine bessere Welt. „Wo schaust du hin“ fragt der kleine Bruder Zana seinen großen Bruder Dana. Die Antwort: „Nach Amerika, die große Stadt in der Superman lebt“. Um gebührend auf die hoffentlich bevorstehende Begegnung mit diesem Superman vorbereitet zu sein, möchte Zana ein Geschenk kaufen, doch Dana macht ihm unmissverständlich klar, dass Superman schon alles habe, er nicht so sei wie sie selbst. Superman ist kein Comicheld mehr, Superman ist der Mensch, der das lebenswerte Leben führt – eben in der westlichen Welt, hier explizit den USA.

Das soll keinesfalls heißen dass es ein Loblied auf den Westen ist, ebenso wenig wie hier das irakische Kurdistan verurteilt wird. Wenn jemanden eine Schuld zugesprochen wird, dann ist es tatsächlich Saddam Hussein, der für den Tod der Eltern der beiden Brüder zur Verantwortung gezogen werden soll. Vermutlich kenne Superman diesen Schurken nicht, mutmaßt das Geschwisterpaar, man möchte ihm bei einer Begegnung aber unbedingt von Hussein erzählen, damit dieses Problem beseitigt werden kann.

Auch Fußball gehört zu den westlichen Werten.

Ginge es nur um diese Gegenüberstellung allein, wäre Bekas schon ein Film der das Prädikat Besonders Wertvoll verdient hätte, aber er führt auch kleinere und größere Exkurse an. Wenn die Begegnung von Dana mit einem Mädchen gezeigt wird, entwickelt sich hieraus die erste Liebe, der erste Kuss, der noch zu einem luftzuschnürenden Hochgefühl führt – oder aber die Predigt, dass Familie und Zusammenhalt das größte Geschenk auf Erden sei. Symbolträchtig weist ein alter Herr den jungen Zana auf diese Begebenheit hin, wenn er sein Gleichnis anbringt, bei dem sich ein einzelner, einsamer Stock ganz leicht zerbrechen lässt, eine ganze Hand voll Stöcker jedoch stark und kräftig sind, sich nicht entzweien lassen. Familie stärkt.

Der Film spiegelt diese Nachricht immer dann wieder, wenn Zana und Dana tatsächlich voneinander getrennt werden. Genau dann geraten sie nämlich auch immer in Schwierigkeiten, verzweifeln an der Einsamkeit und ihrem Vorhaben, doch noch irgendwie nach Amerika zu gelangen. Immer wenn sie wiederum zusammen sind, kümmert sich der große Bruder geradezu rührend um Zana. Das führt zu einem emotional aufgeladenen Finale, bei dem mehr der familiäre Zusammenhalt in den Mittelpunkt gerückt wird, als die Reise und Suche nach diesem Superman.


“Bekas“

Originaltitel: Bekas
Altersfreigabe: empfohlen ab 9 Jahren
Produktionsland, Jahr: Finnland / Irak / Schweden, 2012
Länge: ca. 93 Minuten
Regie: Karzan Kader
Darsteller: Zamand Taha, Sarwar Fazil

Kinostart: noch nicht bekannt
Im Netz: facebook.com/bekas.film