Können Sie sich vorstellen, dass es gesetzlich abgesicherte Praxis ist, dass die Bekanntgabe geplanter Standorte von Mobilfunkmasten mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet wird? Selber lesen und anschliessend die Frage, was das über unsere reale Position in einer angeblichen Demokratie aussagt – und ob die Notwendigkeit, strikt lokal und möglichst geldfrei zu handeln dadurch mehr an Kraft gewinnt. Anders gesagt: Können wir es uns noch erlauben, damit zu warten, erst in uns und dann “draussen” aufzuräumen? Nachfolgend der Artikel der “Neue Presse” in Coburg:
Lehrstunde für einen Stadtratvon Tim BirknerStadtrat Thomas Büchner ist um eine Erfahrung reicher. Erst fragen, dann schreiben, raten ihm seine Kollegen im Stadtrat am Montag Abend.
Neustadt - Wo sollen denn die neuen Digitalfunkmasten hin? Das darf man fragen, auch öffentlich, und das fragte ödp-Stadtrat Thomas Büchner auch. Die Standorte sind der Stadtverwaltung bekannt, aber Verschlusssache. Das war die kurze Antwort von Oberbürgermeister Frank Rebhan. “Die Verwaltung darf keine Auskunft erteilen”, sagte Rebhan. “Auch Stadtratsmitglieder sind Unbefugte.” Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, gab Rebhan gleich das Strafmaß bekannt, falls ein Befugter doch etwas verraten sollte. Bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe würden ihn erwarten. Die Geheimniskrämerei hat nicht die Stadt erfunden, sondern die Liste so übermittelt bekommen.
Als Büchner dann allerdings nach den Bahnschrankenschließzeiten und einer Nutzen-Kosten-Analyse für eine Autobrücke fragte, hagelte es ganz andere Ansagen. Er beantrage, was die Verwaltung sowieso gerade tue. Und dies wisse er als Stadtrat, sagte Rebhan. “Dann können Sie gleich noch sicherheitshalber beantragen, dass das Kinderfest und Weihnachten in diesem Jahr stattfinden sollen.” Martin Stingl, 3. Bürgermeister, wurde noch deutlicher: “Das ist ein Schlag ins Gesicht der Stadträte und der Mitarbeiter in der Verwaltung, die alles erdenklich Mögliche auch ohne ihren Antrag bereits tun.” Die Fraktionsvorsitzende der CSU, Elke Protzmann, sagte: “Diese Form von Populismus kommt negativ rüber. Eine gedeihliche Zusammenarbeit kann ich nicht erkennen.”
Dann bekam (Stadtrat) Büchner den Rat, wenn er etwas nicht wisse, doch vorher einfach einmal zu fragen, zum Beispiel bei der Stadtverwaltung. Die gäbe allen Räten Auskunft – wenn sie denn fragten. Und wer mit der Antwort nicht zufrieden sei, könne beim Oberbürgermeister nachhaken. “Andere Kollegen tun genau dies”, so Rebhan. Und weiter: “Wer dann noch nicht weiter kommt, kann immer noch einen Antrag an den Stadtrat stellen.”
Büchner nahm das Freundschaftsangebot, das alle trotz ihrer Kritik betonten, an und zog seinen Antrag zurück.
Quelle: np-coburg.de