Noch einige Gedanken zu Syrien und zum Westen bevor es losgeht.
Der nun womöglich beabsichtigte Waffengang des Westens in Syrien scheint vermessen. Seit Monaten bekommt der Westen nur vage Nachrichten aus jener Gegend geliefert. Nichts Genaues wusste man nicht. Das ist in Bürgerkriegsgegenden üblich. Der mögliche Einsatz chemischer Waffen reiht sich ein in diese nebulösen Ereignisse. Es gibt nun Stimmen, die Assad den Einsatz in die Schuhe schieben und andere, die ganz sicher sein wollen, dass er Giftgas nicht angeordnet hat. In jedem Falle sind das aber Spekulationen. Auf so einer Basis sollte man nicht intervenieren - und schon gar nicht parteiisch intervenieren.
Zudem gesellt sich eine westliche Doppelmoral hinzu. Man hat den Einsatz chemischer Waffen stets als "rote Linie" bezeichnet. Würde sie übertreten, könnte sich der Westen unter Führung der Vereinigten Staaten vorstellen, in Syrien militärisch tätig zu werden. Der Einsatz solcher Waffen, die der Zivilbevölkerung kalkuliert schaden sollen, gilt als unerträglich. Gleichzeitig heißt es nun aber, dass ein etwaiger Militäreinsatz sich auf Angriffe aus der Luft beschränken sollte. Eine Methode also, die erfahrungsgemäß auch vor allem der Zivilbevölkerung schadet und kaum strategische Ziele trifft.
Ein Militärschlag ist kaum nützlich, um den Bürgerkrieg in die Schranken zu weisen. Mehr als 100.000 Tote hat es in den letzten zwei Jahren gegeben. Wer sagt denn, dass Luftangriffe über geraume Zeit hinweg diese Zahl nicht verdoppeln? Und pragmatisch und realpolitisch gefragt: Wen will der Westen dort unterstützen? Assad oder die Rebellen? Und was, wenn man sich auf jene Seite schlägt, die das Giftgas in den Krieg holte? Man kann heute nicht wissen, wer die "rote Linie" überschritt. Offizielle US-Kanäle beteuern bereits jetzt, dass man womöglich nie erfahren wird, wer das Gas einsetzte. Hier wird schon vorgebaut.
Natürlich könnte man auch keine der beiden Seiten unterstützen und eine dritte Partei entwerfen, aufbauen und finanzieren. Das ist aber unrealistisch, verschärft das Konfliktpotenzial nur. Man braucht für ein geplantes nation building entweder die Funktionseliten Assads oder andere Führungspersonen aus Reihen der Rebellen, die man mal irrtümlich als Demokraten angesehen hat, bis auch deren offenbare Greuel öffentlich wurden.
Man muss in Texten zur Lage in Syrien immer "offenbar" oder "offensichtlich" voransetzen. Man weiß ja so wenig von dem Vielen, was man so hört und liest. Das ist das wesentliche Problem. Was wenn man die Rebellen zur "Nordallianz Syriens" macht und man dann herausfindet, dass sie das Giftgas benutzten, um es Assad in die Schuhe zu schieben? Nicht, dass dann die Glaubwürdigkeit einer westlichen Koalition verloren wäre. Die ist heute schon verloren. Niemand in der islamischen Welt glaubt auch nur ansatzweise, dass es dem Westen je um edle Motive gegangen wäre, um Humanitas oder ethische Normen etwa. Der Islam begreift den Westen als krämerisches Gemeinwesen, das sich über Profite und Handelsinteressen definiert.
So hart das aus menschlicher Sicht klingen mag: Bürgerkriege kann man nicht von Außen beenden. Man muss sie zwangsläufig toben lassen. Der "humanitäre Einsatz" ist die Lebenslüge jener Generationen des Westens, die sich nach den Studentenunruhen der Sechzigerjahre in die Institutionen begaben, um dort neue Wege zu beschreiten, neue Praxen zu installieren. Diese scheinbar aufgeklärte Position der Fürsorge und Hilfe durch Waffengang und Versorgungsleistung, hat sich oftmals als Entfacher neuer Probleme und Verschärfer von Krisen erwiesen. In Afghanistan oder dem Irak herrscht noch immer Krieg, der aber geschickt hinter Zuständen verborgen wird, die suggerieren, es gehe alles den geregelten Lauf seiner Dinge.
Dass selbst die "aufgeklärten Marschierer durch die Institutionen" einem eurozentristischen Überlegenheitskult anhaften, dürfte wohl eine der schlimmsten Erfahrungen der politischen Linken Europas in den letzten Jahren gewesen sein. Die Bereitschaft, den "rückständigen Völkern" eine Demokratie nach europäischen Zuschnitt zu verpassen, hatte ja auch Kreise erfasst, die sich noch Jahre zuvor als progressiv und links einstuften. Die Forderung der Grünen, die Burka wegzubomben, um die Frauen in der islamischen Welt zu befreien, ist wohl der exemplarische Kleingeist, der die regional begrenzten Resultate westlicher Tradition und Kultur als gesinnungsterroristischen "Weltethos für alle" umdeutet.
Diese Haltung darf nicht erneut in ein Abenteuer führen. Syrien befindet sich im Bürgerkrieg. Durch die Parteinahme für eine Seite schafft man sich dann möglicherweise ein Regime, das dann erneut Proteste und Frühlingsgefühle erzeugen wird, neue Revolten entfacht. Manchmal kann man nur zusehen. Helfen zwar, NGOs unterstützen und Asylverfahren erleichtern. Aber sonst ist nicht viel zu machen.
Eine internationale Asylpolitik, die ihren Namen verdient, die nicht in Drittländer verschiebt und Asylmotive leugnet, wäre ein probates Mittel gegen Kriegseinsätze. Die junge Bundesrepublik, die ihre Bundeswehr noch als Verteidigungsarmee begriff, übernahm internationale Verantwortung, indem sie ein relativ großzügiges Asylrecht gewährte. Bis zu dem Punkt, da man wieder mit Knobelbechern an den Füßen wer in der Welt sein, deutsche Interessen in zentralasiatischen Gebirgen vertreten wollte. Die Neuausrichtung der Bundeswehr und die Verschärfung der Asylpraxis sind nicht voneinander zu trennen, sondern gehören inhaltlich zusammen.
Der beliebte Vergleich mit der Koalition gegen Hitler zieht nicht. Denn bringt man immer, wenn man belegen möchte, dass eine "Koalition der Willigen" durchaus Erfolg haben könne. Doch Hitlerdeutschland war aus demselben Kulturkreis wie jene Anti-Hitler-Allianz. Das "andere Deutschland" war greifbar und kulturell verständlich für die späteren Siegermächte. Daher gelang die Demokratisierung Deutschlands dann auch. Eine demokratische Grundstruktur nach westlichen Gesichtspunkten gab es ja vorher schon. Es war also eine Koalition gegen eine Aggressor desselben Kulturkreises. Ein Einsatz in anderen Kulturkreisen bedarf aber stets einer Definition von dem, was Demokratie sein könnte. Die westliche kann andernorts jedenfalls nicht in Frage kommen. Bereits hier scheitert das Konzept "Frieden schaffen, durch Einsatz von Waffen". Das ist eine Frage geschichtlicher Entwicklungsprozesse.
Es sind dieselben Einwände, die man schon wegen Afghanistan und dem Irak vorbrachte. Dieselben, die damals schon nichts brachten. Mit jedem Einsatz des Westens in anderen Weltregionen, sei er auch noch so sehr ideell aufgeladen und im Namen der Menschenrechte bestritten, verstärkt man das Gefühl anderer Kulturen, in eine Weltdiktatur der westlichen Nationen und ihrer ökonomischen Lehre gestoßen zu werden.
Eine friedliche Koexistenz der Kulturen läßt sich als globaler Idealfall nur ermöglichen, wenn man auch etwaige Bürgerkriege nicht instrumentalisiert, sondern ihnen ergebnisoffen von Außen beisteht. Entscheiden sich die Menschen dann für ein Gesellschaftskonzept, das nicht völlig laizistisch ist, sondern dem politischen Islam geschuldet, so muss der Westen das tolerieren und pragmatisch damit umgehen. Nur so läßt sich Koexistenz herstellen.
Der nun womöglich beabsichtigte Waffengang des Westens in Syrien scheint vermessen. Seit Monaten bekommt der Westen nur vage Nachrichten aus jener Gegend geliefert. Nichts Genaues wusste man nicht. Das ist in Bürgerkriegsgegenden üblich. Der mögliche Einsatz chemischer Waffen reiht sich ein in diese nebulösen Ereignisse. Es gibt nun Stimmen, die Assad den Einsatz in die Schuhe schieben und andere, die ganz sicher sein wollen, dass er Giftgas nicht angeordnet hat. In jedem Falle sind das aber Spekulationen. Auf so einer Basis sollte man nicht intervenieren - und schon gar nicht parteiisch intervenieren.
Zudem gesellt sich eine westliche Doppelmoral hinzu. Man hat den Einsatz chemischer Waffen stets als "rote Linie" bezeichnet. Würde sie übertreten, könnte sich der Westen unter Führung der Vereinigten Staaten vorstellen, in Syrien militärisch tätig zu werden. Der Einsatz solcher Waffen, die der Zivilbevölkerung kalkuliert schaden sollen, gilt als unerträglich. Gleichzeitig heißt es nun aber, dass ein etwaiger Militäreinsatz sich auf Angriffe aus der Luft beschränken sollte. Eine Methode also, die erfahrungsgemäß auch vor allem der Zivilbevölkerung schadet und kaum strategische Ziele trifft.
Ein Militärschlag ist kaum nützlich, um den Bürgerkrieg in die Schranken zu weisen. Mehr als 100.000 Tote hat es in den letzten zwei Jahren gegeben. Wer sagt denn, dass Luftangriffe über geraume Zeit hinweg diese Zahl nicht verdoppeln? Und pragmatisch und realpolitisch gefragt: Wen will der Westen dort unterstützen? Assad oder die Rebellen? Und was, wenn man sich auf jene Seite schlägt, die das Giftgas in den Krieg holte? Man kann heute nicht wissen, wer die "rote Linie" überschritt. Offizielle US-Kanäle beteuern bereits jetzt, dass man womöglich nie erfahren wird, wer das Gas einsetzte. Hier wird schon vorgebaut.
Natürlich könnte man auch keine der beiden Seiten unterstützen und eine dritte Partei entwerfen, aufbauen und finanzieren. Das ist aber unrealistisch, verschärft das Konfliktpotenzial nur. Man braucht für ein geplantes nation building entweder die Funktionseliten Assads oder andere Führungspersonen aus Reihen der Rebellen, die man mal irrtümlich als Demokraten angesehen hat, bis auch deren offenbare Greuel öffentlich wurden.
Man muss in Texten zur Lage in Syrien immer "offenbar" oder "offensichtlich" voransetzen. Man weiß ja so wenig von dem Vielen, was man so hört und liest. Das ist das wesentliche Problem. Was wenn man die Rebellen zur "Nordallianz Syriens" macht und man dann herausfindet, dass sie das Giftgas benutzten, um es Assad in die Schuhe zu schieben? Nicht, dass dann die Glaubwürdigkeit einer westlichen Koalition verloren wäre. Die ist heute schon verloren. Niemand in der islamischen Welt glaubt auch nur ansatzweise, dass es dem Westen je um edle Motive gegangen wäre, um Humanitas oder ethische Normen etwa. Der Islam begreift den Westen als krämerisches Gemeinwesen, das sich über Profite und Handelsinteressen definiert.
So hart das aus menschlicher Sicht klingen mag: Bürgerkriege kann man nicht von Außen beenden. Man muss sie zwangsläufig toben lassen. Der "humanitäre Einsatz" ist die Lebenslüge jener Generationen des Westens, die sich nach den Studentenunruhen der Sechzigerjahre in die Institutionen begaben, um dort neue Wege zu beschreiten, neue Praxen zu installieren. Diese scheinbar aufgeklärte Position der Fürsorge und Hilfe durch Waffengang und Versorgungsleistung, hat sich oftmals als Entfacher neuer Probleme und Verschärfer von Krisen erwiesen. In Afghanistan oder dem Irak herrscht noch immer Krieg, der aber geschickt hinter Zuständen verborgen wird, die suggerieren, es gehe alles den geregelten Lauf seiner Dinge.
Dass selbst die "aufgeklärten Marschierer durch die Institutionen" einem eurozentristischen Überlegenheitskult anhaften, dürfte wohl eine der schlimmsten Erfahrungen der politischen Linken Europas in den letzten Jahren gewesen sein. Die Bereitschaft, den "rückständigen Völkern" eine Demokratie nach europäischen Zuschnitt zu verpassen, hatte ja auch Kreise erfasst, die sich noch Jahre zuvor als progressiv und links einstuften. Die Forderung der Grünen, die Burka wegzubomben, um die Frauen in der islamischen Welt zu befreien, ist wohl der exemplarische Kleingeist, der die regional begrenzten Resultate westlicher Tradition und Kultur als gesinnungsterroristischen "Weltethos für alle" umdeutet.
Diese Haltung darf nicht erneut in ein Abenteuer führen. Syrien befindet sich im Bürgerkrieg. Durch die Parteinahme für eine Seite schafft man sich dann möglicherweise ein Regime, das dann erneut Proteste und Frühlingsgefühle erzeugen wird, neue Revolten entfacht. Manchmal kann man nur zusehen. Helfen zwar, NGOs unterstützen und Asylverfahren erleichtern. Aber sonst ist nicht viel zu machen.
Eine internationale Asylpolitik, die ihren Namen verdient, die nicht in Drittländer verschiebt und Asylmotive leugnet, wäre ein probates Mittel gegen Kriegseinsätze. Die junge Bundesrepublik, die ihre Bundeswehr noch als Verteidigungsarmee begriff, übernahm internationale Verantwortung, indem sie ein relativ großzügiges Asylrecht gewährte. Bis zu dem Punkt, da man wieder mit Knobelbechern an den Füßen wer in der Welt sein, deutsche Interessen in zentralasiatischen Gebirgen vertreten wollte. Die Neuausrichtung der Bundeswehr und die Verschärfung der Asylpraxis sind nicht voneinander zu trennen, sondern gehören inhaltlich zusammen.
Der beliebte Vergleich mit der Koalition gegen Hitler zieht nicht. Denn bringt man immer, wenn man belegen möchte, dass eine "Koalition der Willigen" durchaus Erfolg haben könne. Doch Hitlerdeutschland war aus demselben Kulturkreis wie jene Anti-Hitler-Allianz. Das "andere Deutschland" war greifbar und kulturell verständlich für die späteren Siegermächte. Daher gelang die Demokratisierung Deutschlands dann auch. Eine demokratische Grundstruktur nach westlichen Gesichtspunkten gab es ja vorher schon. Es war also eine Koalition gegen eine Aggressor desselben Kulturkreises. Ein Einsatz in anderen Kulturkreisen bedarf aber stets einer Definition von dem, was Demokratie sein könnte. Die westliche kann andernorts jedenfalls nicht in Frage kommen. Bereits hier scheitert das Konzept "Frieden schaffen, durch Einsatz von Waffen". Das ist eine Frage geschichtlicher Entwicklungsprozesse.
Es sind dieselben Einwände, die man schon wegen Afghanistan und dem Irak vorbrachte. Dieselben, die damals schon nichts brachten. Mit jedem Einsatz des Westens in anderen Weltregionen, sei er auch noch so sehr ideell aufgeladen und im Namen der Menschenrechte bestritten, verstärkt man das Gefühl anderer Kulturen, in eine Weltdiktatur der westlichen Nationen und ihrer ökonomischen Lehre gestoßen zu werden.
Eine friedliche Koexistenz der Kulturen läßt sich als globaler Idealfall nur ermöglichen, wenn man auch etwaige Bürgerkriege nicht instrumentalisiert, sondern ihnen ergebnisoffen von Außen beisteht. Entscheiden sich die Menschen dann für ein Gesellschaftskonzept, das nicht völlig laizistisch ist, sondern dem politischen Islam geschuldet, so muss der Westen das tolerieren und pragmatisch damit umgehen. Nur so läßt sich Koexistenz herstellen.