Beim „Chi-Quadrat-Test“ durchgefallen

Von Rechtkurzweilig

Mit dem „Chi-Quadrat-Test“ werden Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit untersucht. Er stellt eine Methode dar, bei der empirisch festgestellte und theoretisch erwartete Häufigkeiten verglichen werden und fußt auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der bei seinen Einnahmen unzutreffende Werte in das Kassenbuch/die Kassenberichte eingibt, unbewusst eine Vorliebe für gewisse Lieblingszahlen hat und diese entsprechend häufiger verwendet. Soweit die Theorie. In der Praxis sorgt die wissenschaftliche Herangehensweise von Steuerprüfern für noch mehr Stirnrunzeln, denn das theoretische Konstrukt wird da schnell zum Verdacht. Wird dessen Entkräftung – unkorrekterweise – dem Steuerpflichtigen auferlegt, wird es für diesen schwierig.

Der Fall: Bei der Prüfung der Kassenbücher eines Friseursalons bemängelte der Finanzbeamte, dass die in Form von Excel-Tabellen geführt worden seien. Damit, so die grundsätzlich korrekte Einschätzung des Prüfers, sei die gesetzlich geforderte Unveränderbarkeit der Kassenbucheintragungen nicht gewährleistet. Natürlich konnte die Inhaberin des Salons nicht kurzfristig nachweisen, dass Manipulationen und nachträgliche Änderungen ausgeschlossen waren, wenngleich in den Steuerakten Kalkulationsübersichten vorhanden waren. Doch der Beamte ging noch einen Schritt weiter und erstellte eine Strukturanalyse mit dem oben versuchsweise erklärten „Chi-Quadrat-Test“. Der habe eine Manipulationswahrscheinlichkeit von 100 Prozent ergeben – er wies zu viele Nullen auf. Das Finanzamt zog die Konsequenzen und erhöhte die angegebenen Umsatzerlöse auf dem Wege der (unwissenschaftlichen) Schätzung um jährlich 3.000 Euro, und in der Folge damit auch die Gewinne.

Die Friseurin verstand weder den Grund des Verdachts noch konnte sie die geschätzte Umsatzerhöhung nachvollziehen, klagte und bekam vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz recht. Den zu führenden Nachweis einer Manipulation oder auch nur deren Möglichkeit, so die Richter, habe der Prüfer nicht erbracht – diesen Beweis zu erbringen sei nämlich nicht Sache der Klägerin, sondern obliege dem Prüfer beziehungsweise dem Finanzamt. Ein auf statistischen Methoden basierender Test allein sei nicht geeignet zu belegen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei. Zudem konnte die Friseurin die Häufung von Zahlen erklären: Sie kalkuliert fast ausschließlich mit den Nachkommastellen „00″ und „50″. Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist rechtskräftig (FG Rheinland-Pfalz, Az.: 2 K 1277/10).