Bei Muskelkater weiter trainieren oder pausieren?

Von Mario Elsen

Jeder kennt es, jeder hasst es, jeder liebt es: Den Muskelkater. Anders als beim klassischen Kater, der sich erst nach einer durchzechten und feuchtfröhlichen Partynacht am nächsten Morgen manifestiert, hat das Phänomen Muskelkater weitaus andere Ursachen. Zum Glück. Oder doch nicht?

Allgemein bezeichnen wir den Muskelkater als einen akuten Bewegungsschmerz in der Muskulatur, der einige Zeit nach einer intensiven körperlichen Belastung auftritt.

Typische Symptome für einen Muskelkater sind verhärtete, versteifte und angeschwollene Muskelpartien, die bei übermäßigem Druck oder direkter Belastung empfindlich schmerzen.

Ein Muskelkater entwickelt sich meistens etwa 24 Stunden nach einer überdurchschnittlich intensiven Belastung, erreicht seine maximale Auswirkung nach ca. 48 bis 72 Stunden und klingt dann langsam wieder ab (vgl. Weineck 2010, 387; Nosaka/Sakamoto/Newton/Sacco 2001, 1492).

Die erste Frage die beim Eintreten von akutem Muskelkater auftritt: Soll ich bei Muskelkater weiter trainieren oder doch lieber pausieren?

Dieser Artikel ist ein Auszug aus unserem Hypertrophy Guide und klärt genau diese Frage für euch.

Was sind die Ursachen für einen Muskelkater?

In vielen Frauenzeitschriften, direkter Mund-zu-Mund-Propaganda von ausgebildeten Märchenerzählern oder in den spekulativen Diskussionsrunden im Freihantelbereich heißt es oft, dass die Übersäuerung des Muskels der Auslöser für den Muskelkater ist. Stimmt das?
Wenn ich schon so blöd frage, ist das natürlich ein fundamentaler Irrglaube. Der Muskelkater wird durch ganz andere Faktoren induziert.

Die Anhäufung von Laktat (Milchsäure) im Muskel und Blutplasma ist nach einer intensiven Belastung deutlich überhalb der Dauerleistungsgrenze zwar sehr groß, reguliert sich aber spätestens nach einer Stunde wieder auf den Ausgangszustand (Weineck 2010, 388).

Somit kann die temporäre Übersäuerung des Muskels kein Auslöser für den Muskelkater sein. Was löst den Muskelkater also aus?

Ob ein Muskelkater entsteht, hängt in erster Linie von der Art (exzentrisch, konzentrisch), Intensität und Dauer des Trainings ab.

Allerdings führen nicht alle Trainingsmethoden konsequent zum Muskelkater, auch wenn eine bestimmte Belastungsdauer immer gegeben ist.

Vielmehr fördern kurzfristige Belastungen von hoher Intensität die Entstehung von Muskelkater, während langandauernde Belastungen von geringer Intensität die Entstehung eines Muskelkaters nicht sonderlich beeinflussen (Maibaum 135 ff., Weineck 2010, 388)

Mechanische Beanspruchungen von Muskelfasern, in deren Folge einzelne Faserstränge, kleinste Fasereinheiten und das muskuläre Bindegewebe trainingsinduzierte strukturelle Schädigungen erfahren (Mikrotraumata), sind der primäre Auslöser für einen Muskelakter.

Besonders die exzentrische Muskelarbeit, die im Gegensatz zur konzentrischen Arbeit signifikant erhöhte Belastungsspitzen aufweist, kann eine mechanische Überbeanspruchung der Muskulatur auslösen und die Schädigung muskulärer Strukturen herbeiführen.

Exzentrische Arbeit greift besonders stark an den Schwachstellen der kontraktilen Einheiten an (Muskelfilamente, siehe die wunderschöne bunte Grafik am Anfang) und zerstört dort wichtige Strukturen innerhalb der kleinsten Muskulären Einheiten, den Sarkomeren.

Der Grund für diese Schädigung ist eine intramuskuläre Überdehnung der Muskelfilamente, die bei einer (negativ dynamischen) Kontraktion oftmals so weit auseinander gezogen werden, bis die Filamente schließlich reißen.

Auf beiden Seiten der sog. „Z-Scheibe" (eine verknüpfende Barriere zwischen den einzelnen Sarkomeren) kommt es zu einer entgegengesetzten Zugbewegung der Myosinköpfchen, die trotzdem versuchen, die Kontraktionsbewegung auszuführen, welche das Sarkomer verkürzt, obwohl es in diesem Moment eigentlich gedehnt wird. Dass das nicht lange gut gehen kann, ist wohl klar. (vgl. Weineck 2010, 389; Maibaum 135 ff.).

Entstehung von Muskelkater - Mal ja, mal nein?

Im Trainingsalltag kannst du oft beobachten, dass nicht nach jedem Training ein Muskelkater auftritt, selbst wenn die Intensität nahezu identisch scheint. Das liegt daran, dass die Muskelkatersymptome nur bei sehr ungewohnten Belastungen auftreten.

Bereits nach wenigen Trainingseinheiten hypertrophieren die betroffenen Muskel- und Bindegewebestrukturen so weit, dass eine erneute (vergleichbare) Zerstörung dieser Strukturen recht unwahrscheinlich wird.

Damit reagiert dein Körper auf die ungewohnten Belastungsreize. Insbesondere die muskulären Bindegewebestrukturen sollen die kontraktilen Muskelelemente vor einer mechanischen Überdehnung schützen.

Werden sie übermäßig beansprucht, werden sie beschädigt und wieder stärker aufgebaut, damit eine erneute Belastung besser bewältigt werden kann.

Das macht deutlich, warum du von einigen Athleten oft hörst „...Du, ich hab überhaupt keinen Muskelkater mehr. Ich glaube ich muss mehr trainieren oder bin einfach schon zu trainiert."

Die einzige sinnvolle Kontermaßnahme, die du nun hast, ist der Hinweis auf ungewohnte Übungen. Wenn dein Kumpel also bisher nur den Oberkörper trainiert hat, warum fragst du ihn dann nicht einfach, ob er zur Abwechslung auch mal seine streichholzartigen Beine trainieren will?

Das führt nicht nur zu einem erneuten Muskelkater, sondern kann auch einiges an Ästhetik retten! Touché.

Kann ich Muskelkater verhindern?

Jain. Muskelkater entsteht durch übermäßige Belastung. Ein Lösungsansatz wäre also, die entsprechende Belastung zu verringern. Aber das bedingt, dass deine Muskelhypertrophie langsamer voranschreitet, als es dir vielleicht lieb ist.

Allerdings kannst du durch eine verminderte Intensitätssteigerung das Auftreten von ständigen Muskelkatersymptomen eliminieren. Einen Muskelkater beim Trainings(wieder)einstieg als Anfänger oder nach langen Pausen kannst du nicht verhindern, allerdings durch regelmäßiges Training deutlich zurückfahren. Alles, was für deinen Körper nicht ungewöhnlich belastend ist, führt auch nicht zwangsweise zum Muskelkater.

Bei Muskelkater: Pausieren oder trainieren?

Die wohl entscheidendste Frage beim Thema Muskelkater. Kann ich mein Training fortführen oder muss ich bei akutem Muskelkater das Training pausieren?

Der Muskelkater stellt eine mechanische Schädigung von muskulären Strukturen dar, die auf biochemischer Ebene wieder repariert werden müssen. Regenerationsprozesse laufen aber überwiegend in den Ruhephasen ab und sind somit von Trainingspausen abhängig.

Falls du dennoch nicht auf ein Training verzichten willst, kann es sinnvoll sein, die Trainingsintensität erst einmal zu verringern, damit der trainingsinduzierte Reiz unter der Reizschwelle für eine erneute Muskelhypertrophie liegt.

Alternativ könnte z.B. bei einem 3er Split-Trainingsplan Push/Pull/Beine gezielt so trainiert werden, dass der entsprechende Muskelkater vom 1. Trainingstag (bei einem Tag Pause nach dem 3. Tag) am 5. Tag abgeklungen ist.

Die Aufteilung nach Push/Pull/Beine ermöglicht so eine relativ ungestörte Regeneration der einzelnen „verkaterten" Muskelgruppen, die an den übrigens Trainingstagen -wenn überhaupt - nur minimalintensiv stimuliert werden.

Eine strikte Erholungsphase stellt jedoch die effektivste Behandlungsmethode für Muskelkater dar. Eine Pause ist optimal, eine verminderte Trainingsintensität suboptimal. Sauna oder Wärmebehandlung kann zusätzlich unterstützend eingesetzt werden. Dazu mehr im Punkt „Erholung".

Quellen: Weineck, Jürgen: Sportbiologie. 10. Auflage, Spitta Verlag, Balingen 2010/ Maibaum, S. , M. Braun, B. Jagomast, K. Kucera: Therapielexikon der Sportmedizin, 2. Auflage, Springer Verlag, Heidelberg 2006 / Nosaka, K. Sakamoto, M. Newton, P. Sacco: How long does the protective effect on eccentric exercise-induced muscle damage last? Med. Sci. Sports Exerc. 2001 Sep; 33(9): 1490-5. (Internetquelle: LINK. Abruf: 5. August 2015).

Dieser Artikel ist ein Auszug aus unserem Fundamental Hypertrophy Guide, der alle essentiellen Grundlagen über Physiologie + Training + Ernährung behandelt und dich optimal beim Training unterstützt. Das integrierte Trainingsprogramm für Männer und Frauen führt dich über mehrere Monate durch ein spezielles Trainingsprogramm, in dem du deinen Trainingsfokus selber legen kannst. Mit dem gesammelten Wissen kannst du dein Training nicht nur optimal individualisieren, sondern auch deine Trainingserfolge maximieren.