Bei Anruf Glück

Telefonzellen machen glücklich. Die ältere Dame mit der fliederfarbenen Mütze hat gerade jemanden erfreut. «Ich habe eine Abmachung mit meiner Freundin», sagt sie und lächelt. «Ihre Enkel freuen sich so, wenn das Telefon klingelt. ‹Horch›», macht sie die Kleinen nach und hält dabei ihren Zeigefinger in die Höhe. «Ich lasse es einfach nur kurz klingeln. Manchmal nimmt sie ab, dann kostet mich das einen Groschen.» Zufrieden geht sie davon, die Dame mit dem Fliederhut.

Es ist eisig an diesem klaren Januartag. Die Sonne scheint auf den Gehsteig der Leipziger Innenstadt. Zwei Telefonhäuschen stehen noch in der Petersstraße. Zelle Nummer drei wurde abgebaut, weil sie ständig demoliert wurde. Sie ereilte das gleiche Schicksal wie viele andere in Leipzig, in Sachsen und in Deutschland allgemein. Seit 2007 hat sich die Zahl der öffentlichen Telefone halbiert – knapp 60.000 sind es heute noch. Und die Hälfte davon hängt nur noch in den klassischen Kabinen, wie sie 1899 erstmals in Berlin aufgestellt wurden.

Zwischen D-Mark und Zigarettenmief

Die typischen quietschgelben Zellen gibt es heute nur noch selten. Sie verschwanden mit der Privatisierung der Post nach und nach von der Bildfläche. Die Deutsche Telekom entstand, und mit ihr die grau-weiß-magentafarbenen Häuschen. So wie die in der Leipziger Petersstraße. Der Mief aus kaltem Zigarettenqualm aber ist geblieben – genau wie die Möglichkeit, mit der guten alten D-Mark zu zahlen.

Die goldfarbenen Türgriffe der Zelle haben die Form von Telefonhörern. Mit einem kräftigen Ruck zieht ein junger Mann daran. Er trägt einen zerschlissenen Ledermantel – mehr grau als schwarz. Die Tür ist gerade hinter ihm zugeschnellt, da tritt er auch schon wieder heraus. Er geht auf die andere Seite. Vielleicht ist der Apparat defekt? Aber in der zweiten Kabine wiederholt er sein Tun. Er flinker Griff in den Münzauswurf. Er hat nicht vor zu telefonieren. Er ist auf der Suche nach Kleingeld. Er hat kein Glück. Diesmal nicht, vielleicht aber beim nächsten Mal.

Die Telefonzelle hat ausgedient – hat sie das?

Eine Frau bleibt an den beiden Häuschen stehen, zupft an ihrem Haar, in dem eine Sonnenbrille steckt. Sie kramt in ihrer Handtasche, bestimmt sucht sie Kleingeld zum Telefonieren. Aber nein, es ist ein Lippenstift, den sie herauszieht. In der Scheibe betrachtet sie ihr Äußeres, rückt die Frisur samt Sonnenbrille zurecht und zieht mit einem schnellen Schwung ihre Lippen nach. Sie lächelt ihr Spiegelbild an. Ein weiterer Beweis dafür, dass Telefonzellen glücklich machen. Auch wenn sie nur als Spiegel dienen.

Die Fugängerzone füllt sich zur Mittagszeit. Menschen mit Aktentaschen hasten vorbei, Mütter schieben Kinderwagen über den Gehsteig, Radfahrer schließen ihre Räder an und verschwinden in Geschäften. Mehr als 100 Menschen laufen in einer halben Stunde an den Telefonzellen vorbei, jeder vierte von ihnen mit einem Handy in der Hand. Ob sie die Telefonzellen in der Innenstadt überhaupt sehen?

Wie selbstverständlich zücken sie ihre Smartphones, simsen, surfen und quatschen in das kleine Gerät. Der Flatrate sei dank. Die Telefonzelle hat ausgedient. Aber eben doch nicht für alle. Zum Glück. Denn ohne sie wären wir zumindest ein kleines bisschen weniger glücklich. Die Frau mit der Sonnenbrille, der junge Mann auf der Suche nach Kleingeld und ganz besonders die alte Dame mit dem Fliederhut, die sich so sehr freut, die Enkel ihrer Freundin glücklich zu machen. Auch wenn sie es selbst nie sehen kann – sie steht ja in der Telefonzelle an der Petersstraße.

Quelle:
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Telefonzellen – Bei Anruf Glück


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