Vor allem aber stellt sie südwestdeutsche Klosterfrauen in den Mittelpunkt, die ihr Schicksal ganz und gar nicht gottergeben jemand anderem überließen, sondern beherzt in die eigenen Hände nahmen.
Nachdem Klöster über Jahrhunderte wichtige und zum Teil machtvolle Institutionen waren, sind die meisten heute nur mehr schöne Baudenkmäler, die besichtigt werden. Über das Leben zwischen Kirche, Konvent, Refektorium, Klostergarten und Schlafsaal erfährt man meist nur bei Führungen. Tatsächlich war der Alltag in einem Kloster so komplex und vielschichtig wie vor den Klostertüren. Vor allem für Frauen:
„Es wurde nicht nur gebetet, gesunden und jubiliert“, schreibt die Autorin Vorwort. Vielmehr bot das Kloster für Frauen „über Jahrhunderte die einzige Möglichkeit, Bildung zu erlangen oder Macht auszuüben. Und seit es Klöster gab, standen sie im Spannungsverhältnis zwischen andächtiger Versenkung und Verweltlichung. Das sorgte für Konfliktstoff.
Auch die ‚Krisen und Katastrophen der Welt draußen‘ brachten Unruhe ins kontemplative, das heißt beschauliche Klosterleben.“ Wie sehr es auch gemenschelt haben mag: Klöster waren vor allem im Mittelalter eine fremde, faszinierende Welt und der Alltag bestimmt von – mehr oder weniger – strengen Regularien, aber auch von beachtlicher Frömmigkeit, von außergewöhnlichem Zusammenhalt und Mut der Ordensfrauen in schweren Zeiten.
Nach einer kleinen, aber sehr aufschlussreichen Einführung in die Geschichte der Frauenklöster, stellt Dorothea Keuler in lebendigen Portraits einige besonders tapfere Nonnen, Schwestern, Chorfrauen und Stiftsdamen vor. Darunter „Frauen, die sich in der Not zu helfen wussten“, wie Gertrud von Ortenberg, die erst als Witwe ein „Beginenleben“ begann.
Auch „Frauen, die den Mund aufmachten oder zur Feder griffen“ lernen wir kennen, wie die Chronistinnen Magdalena Kremer aus dem Dominikanerinnenkloster in Kirchheim oder die Villinger Klarisse Juliane Ernst, deren Kriegschronik packend die Bedrohung und Ereignisse während der Belagerung durch die Württemberger und Schweden beschreibt , die schließlich trotz aller Gegenwehr ein normales Klosterleben unmöglich machten.
Nicht immer beschrieben die Chronistinnen rein weltliche Bedrohungen – gerade während der Reformation kam es auch in den Klöstern selbst zu heftigen Auseinandersetzungen und religiösen Spaltungen, weil nicht jede fromme Ordensfrau die „Segnungen“ der neuen geistigen Strömung annehmen wollte.
Als die Obrigkeit im Frühjahr 1556 im Pforzheimer Dominkanerinnekloster sogar die Heilige Messe und den Besuch von katholischen Geistlichen verbot, den Schwestern Gesänge und Gebete in Latein untersagte und obendrein noch jede Woche einen evangelischen Pfarrer schickte, widersetzten sich die 46 Dominikanerinnen der „Umerziehung“ vehement und nahmen eine lange Leidenszeit auf sich, wie das „Tagebuch der Schikanen“, die Reformationschronik der Eva Magdalena Neyler schildert.
Und Maria Monika Hafner pranger Misstände im eigenen Kloster, dem Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen, an: nach dem Tod der alten Pröbstin ist Hafners Welt ganz und gar nicht mehr in Ordnung, zu fremd sind ihr die Sitten unter der Nachfolgerin. Ihr 400 Seiten starker „Beschwerdebrief“ an den Klostervisitator beschreibt detailliert die Verfehlungen der neuen Pröbstin sowie die Sünden einiger Mitschwestern.
Von einem lauten „Schwätzmarkt“ ist die Rede, weil sich viele Schwestern nicht mehr an Gebetszeiten und Schweigegebot halten. Chorgesang und Messe seien schlecht aufeinander abgestimmt, so dass der Priester mit der Liturgie nicht weiter komme und warten muss, bis der lange „beschwerliche Gesang und das Orgelspiel ein Ende nehmen“.
Überhaupt verzögere das lange Musizieren den gesamten weiteren Tagesablauf und die Musikerinnen selbst seien oft kraftlos von den körperlichen Anstrenungen des Singens und Musik machens. Auch die Chorleiterin bekommt ihr Fett weg – Schwester Monika wirft ihr vor, dass sie allzu ungestüm die Orgel schlage, was zu fürchterlichem Geschrei und Durcheinander, und bei einigen Chorfrauen zu Lachen, Verdruß und Brechung des Stillschweigens führe.
Nicht zuletzt prangert die Beschwerdeführerin die „Hochleistungsfrömmigkeit“ an, die mit der neuen Pröbstin im Stift Einzug gehalten habe, weil plötzlich „alle möglichen Handreichungen und Gefälligkeiten nach Rosenkranz-Tarif abgegolten“ werden.
Doch auch wirklich Wundersames ist aus Klöstern zu hören: im zweiten Portrait beschreibt Dorothea Keuler „Die reine Lust der Margareta Ebner“, eine Chorschwester in Maria Medingen bei Dillingen an der Donau, die – unterstützt von einer Mitschwester – mysthische Offenbarungen und Gnadenerweise überlieferte, die sie von Gott erhielt.
Margareta Ebner verzichtete nach ihrem Eintritt ins Kloster auf Fleisch und Fisch, später auch auf Obst, badete nicht und benutzte keine Seife. Später zieht sie sich in selbst auferlegtes Schweigen zurück, ist oft schwer krank und nimmt kaum mehr am klösterlichen Leben teil, allein „das Kruzifix bekam eine überwältigende Bedeutung für sie…ständig trug sie ein Kreuz um den Hals“.
Da beugte sich Christus eines Tages im Traum zur Margareta hinunter „und bot mir sein geöffnet Herz zum Kuße und tränkte mich mit seinem Blut daraus, und da empfing ich also kraftvoll große Gnade und Süßigkeit, die lange nachhielt“, zitiert die Autorin aus den Aufzeichnungen der Mystikerin.
Insgesamt zehn Frauenportraits erzählen anschaulich vom klösterlichen Alltag und der Geschichte der Klöster im Südwesten Deutschlands bis zur Säkularisation, die für viele Schwestern den Sprung in ein völlig anderes Leben, aber keineswegs das Ende der Klöster bedeutete.
Ein außergewöhnliches Buch mit interessanten, tiefen Einblicken in „eine fremde, faszinierende Welt“.
Dorothea Keuler „Beherzte Schwestern. Südwestdeutsche Klosterfrauen aus sechs Jahrhunderten“, 200 Seiten, Hardcover, 19 Euro 90, Silberburg-Verlag