BEHANDLUNG der Alkoholsucht

Erstellt am 29. Mai 2013 von Petrabelschner

Die Therapie alkoholkranker Menschen muss in jedem Fall individuell gestaltet werden. Es ist nicht möglich, alle Betroffenen gleich zu behandeln. Die möglichst effektive Behandlung setzt ein in viele Richtungen offenes Konzept voraus. Den Rahmen für diese individuellen Konzepte bildet das Phasenmodell, das den klassischen Ablauf einer Therapie beschreibt.

  • Kontaktphase

    Der Hilfe suchende Patient wendet sich zumeist an den niedergelassenen Arzt oder an eine Beratungsstelle. In dieser Phase muss die Situation des Menschen, seine Einsicht und Motivation geklärt werden. Die Erhebung des psychosozialen Hintergrundes ist für die Gestaltung des individuellen Therapieangebots von größter Bedeutung. Weiters muss abgewogen werden, ob mit Entzugserscheinungen zu rechnen ist und ob die folgende Behandlung stationär oder ambulant erfolgen soll. Eine zusätzliche Aufgabe der Beratungsstellen besteht darin, allen direkt und indirekt betroffenen Personen Informationen über das weitere Vorgehen zugänglich zu machen.

  • Entgiftungsphase

    Mithilfe von Medikamenten und unter ärztlicher Kontrolle (zumeist stationär) wird bei Vorliegen einer körperlichen Abhängigkeit innerhalb von etwa zehn Tagen eine Entgiftung durchgeführt.

  • Entwöhnungsphase

    Die stationäre bzw. ambulante Entwöhnung umfasst neben den medikamentösen Maßnahmen auch eine psychotherapeutische Behandlung, Beschäftigungstherapie und soziale Betreuung. Wichtig ist ebenso das Miteinbeziehen der Familienangehörigen.

  • Rehabilitationsphase

    Nach der Entwöhnungsphase, die sich über ein etwa achtwöchiges Programm erstreckt, wird meist eine gewisse Stabilität erreicht. Der Patient fühlt sich wohl und ist davon überzeugt, abstinent bleiben zu können. Zurück in der vertrauten Umgebung wird er aber oft von den bekannten psychischen, sozialen oder familiären Problemen eingeholt. Häufig treten diese sogar deutlicher zu Tage als vorher, da sie nach der Entwöhnung nicht mehr durch den Alkohol „abgefedert“ werden. Als Beispiel sei etwa die bei „trockenen“ Alkoholikern im Vergleich zu Trinkern deutlich höhere Scheidungsrate erwähnt.

Von großer Bedeutung auf dem Weg in ein suchtfreies Leben ist es, Alternativen zum Suchtmittel zu finden. Hier soll dem Patienten ein Feld geboten werden, wo er verlorene Interessen wiederentdecken kann oder auch neue Möglichkeiten erfährt, die ihn auf dem Weg in ein freudvolles, zufriedenes Leben unterstützen.

Daher ist es in der Rehabilitationsphase notwendig, auf verschiedenen Ebenen Veränderungen in die Wege zu leiten. Dies ist nun Aufgabe der Beratungsstellen, die sich mit Angeboten wie Einzel-, Familien- oder Gruppentherapie, Begleitung, Verweisung an Selbsthilfegruppen, psychologischer und medizinischer Beratung an die Betroffenen wenden. Oft besteht beim Patienten und seiner Umgebung der Glaube, dass durch die Abstinenz alle Probleme gelöst würden. Entwöhnte müssen sich jedoch vor Augen halten, dass die Umstände, welche zum Alkoholmissbrauch geführt haben, eines oft lebenslangen Engagements bedürfen, um endgültig bewältigt zu werden. Eine Anlaufstelle im Fall möglicher Krisen oder Rückfälle ist in dieser Phase eminent wichtig.

Wie kann die Abstinenz nach erfolgreichem Entzug unterstützt werden?

Um das Risiko für Rückfälle zu reduzieren, können in der Therapie der Alkoholkrankheit Medikamente eingesetzt werden, die die Abstinenz fördern bzw. das Verlangen nach Alkohol reduzieren. Hierzu zählen:

  • Acamprosat: reduziert das Verlangen (Craving) nach Alkohol während der Abstinenz. Nicht jeder Alkoholkranke reagiert auf Acamprosat. Häufige Nebenwirkungen sind Durchfall, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen, Juckreiz und Hautausschlag. Die Fahrtüchtigkeit wird nicht beeinflusst, es ist kein Suchtpotenzial bekannt.

  • Naltrexon: Diese Substanz greift in den Endorphinstoffwechsel ein, es kommt zu einer verminderten Aktivierung des Belohnungssystems und einem verringerten Verlangen nach Alkohol. Naltrexon macht nicht abhängig und zeigt auch keine Gewöhnungseffekte. Allerdings kann es bei Opiat-Abhängigen ein Entzugssyndrom auslösen. Es muss daher vor Therapiebeginn sichergestellt sein, dass der Patient für mindestens 7–10 Tage vor Therapiebeginn mit Naltrexon opiatfrei ist. Auch eine Anwendung von opioidhaltigen Arzneimitteln (z.B. Hustenmittel, Schmerzmittel, Mittel gegen Diarrhoe) während der Behandlung mit Naltrexon ist zu vermeiden.

  • Disulfiram wirkt – anders als Naltrexon und Acamprosat – nicht als Anti-Craving-Substanz, sondern verhindert den vollständigen Abbau von Alkohol. Sobald Alkohol konsumiert wird, sei es auch nur in geringen Mengen, kommt es aufgrund einer Anreicherung von Acetaldehyd zu Unverträglichkeitsreaktionen. Da diese Unverträglichkeitsreaktionen bei Einnahme größerer Alkoholmengen zu schweren Kreislaufstörungen führen können, werden Disulfiram-haltige Präparate nur noch selten und ausschließlich bei Patienten mit guter Mitarbeit eingesetzt.

Vorsicht: Zur Behandlung von Symptomen eines Alkoholentzugs sind die genannten Medikamente nicht geeignet!

Was ist wichtig für einen erfolgreichen Alkoholentzug?

Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sind der aufrichtige Wunsch, aufhören zu wollen, sowie die Willensstärke, um diese schwierige Zeit auch durchzustehen. Nur bei ausreichender Motivation und Unterstützung durch die soziale Umgebung kann die Therapie greifen. Die Abstinenz bietet eine solide Basis für weitere Entwicklungen.

Allerdings sind Rückfälle nicht mit einem therapeutischen Scheitern gleichzusetzen. Vielmehr muss man sich bewusst sein, dass es sich beim Alkoholismus um eine chronische Erkrankung handelt, die oft ein lebenslanges Bemühen erfordert. Der „trockene“ Alkoholiker muss bedenken, dass jedes neue Glas einen altbekannten Kreislauf hervorruft.

Oft werden die Bemühungen, abstinent zu bleiben, von Alkohol konsumierenden Mitmenschen nicht allzu sehr geschätzt: „Geh, sei doch kein Spaßverderber, ein Glaserl wird schon nichts machen!“ Aber auch alkoholfreies Bier (enthält geringe Alkoholmengen), alkoholhaltige Medikamente (die meisten „Tropfen“) oder „hochprozentige“ Pralinen können einen neuerlichen Suchtdruck hervorrufen und ein Verlangen nach mehr Alkohol bewirken.

Statistisch gesehen sind etwa 50% der Alkoholkranken eineinhalb Jahre nach erfolgreicher Entwöhnung noch immer abstinent.

Was ist wichtig für einen erfolgreichen Alkoholentzug?

Wie können Sie einen alkoholkranken Angehörigen unterstützen?

  • Es ist wichtig zu erkennen, dass Sie nichts am Konsummuster des Abhängigen verändern können – das kann nur der/die Betroffene selbst.
  • Informieren Sie sich über das Wesen des Alkoholismus: Wenn Sie wirklich helfen wollen, müssen Sie sich mit den wichtigsten Merkmalen und dem Verlauf dieser Krankheit vertraut machen.
  • Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle und bedenken Sie: Hilfe zu suchen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, denn es zeugt von Problembewusstsein, Verantwortungsgefühl und dem Willen zur positiven Veränderung.
  • Vergessen Sie nicht: Wer vom Alkohol abhängig geworden ist, kann nicht einfach durch vermehrte Willensanstrengung mit dem Trinken aufhören.
  • Vermeiden Sie Vorwürfe: Sie nützen vor allem dann nichts, wenn der Alkoholkranke betrunken ist. Er kämpft sowieso mit Schuldgefühlen. Alles, was Sie ihm vorwerfen, hat er sich hundertmal schon selbst gesagt.

Autorin: Dr. med. Anita Kreilhuber

Medizinisches Review: Dr. Roland Mader, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Anton-Proksch-Institut, Wien

Redaktionelle Bearbeitung: Mag. (FH) Silvia Hecher, MSc

Stand der Information: September 2012

Quellen:

Anton-Proksch-Institut; www.antonprokschinstitut.at (Zugriff im Juli 2012)

Leitlinie zur Sozialmedizinischen Beurteilung bei Abhängigkeitserkrankungen der deutschen Rentenversicherung www.sucht.de/tl_files/pdf/veroeffentlichungen/Leitlinie_Soz-Med_DRV.pdf, Stand: 20.04.2010

S2-Leitlinie „Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen“ der Dt. Ges. f. Suchtforschung und der Dt. Ges. f. Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Stand: 18.10.2010
Batra A, Bilke-Hentsch O: Praxisbuch Sucht; Thieme, 2012